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Eric Babolat im Interview: "Die Zeit von Björn Borg war die goldene Ära im Tennis"

Eric Babolat leitet eines der letzten Familienunternehmen in der Tennisbranche. Im Interview mit tennisnet geht Babolat auf die Geschichte des Unternehmens, die großen Stars in seinem Portfolio und Herausforderungen für die Zukunft ein.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 29.05.2025, 06:17 Uhr

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Carlos Alcaraz mit Eric Babolat
© Babolat
Carlos Alcaraz mit Eric Babolat

Eric Babolat ist mit dem Fahrrad zum Interview im „Babolat House“ gleich in der Nähe des Stade Roland-Garros gekommen. Der Verkehr in Paris ist gnadenlos, Monsieur Babolat indes bestens gelaunt. Kein Wunder: Sein Familienunternehmen feiert ja auch den 150. Geburtstag. Oder vielleicht schon mehr.

Tennisnet: Monsieur Babolat. Ihr Urgroßvater hat eine Vision verwirklicht, jetzt führen Sie das Unternehmen seit vielen Jahren. Was bedeutet Ihnen dieses Jubiläum?

Eric Babolat: Ja, es ist ein sehr besonderes Jahr für Babolat. 1875 haben wir die Tennissaite erfunden. Es ist eine unglaubliche Geschichte. Babolat hat als Unternehmen schon so viel erreicht. Und wir wissen nicht einmal genau, wie alt die Firma ist. Aber mein Großvater aus der fünften Generation war innovativ genug, um auf die Anfrage eines englischen Kunden zu einzugehen und die Tennissaite zu erfinden. Dabei gab es den Sport noch gar nicht! Bis dahin hatte Babolat nur Saiten für Musikinstrumente produziert. Mein Großvater dachte sich: warum nicht? Und diese erste Saite war die Geburt des Tennissports.

Tennisnet: Und Tennis hat die Firmengeschichte von Babolat maßgeblich geprägt …

Babolat: Unsere Geschichte und die Geschichte des Tennis ist in irgendeiner Art und Weise die gleiche, weil wir mit dem Tennis geboren wurden. Und seitdem ist die Geschichte von Babolat nur mehr mit dem Tennis oder dem Racketsport verbunden. Wir sind in der Ernährungsindustrie nicht mehr aktiv, wir stellen keine medizinischen Produkte mehr her, auch aus der Musik haben wir uns verabschiedet. Wir konzentrieren uns nur noch auf Tennis. 

Tennisnet: Ihr Buch „Perfect Match“ fasst die Geschichte von Babolat perfekt zusammen. Wie ist es dazu gekommen?

Babolat: Es ist die Geschichte über die Innovation, das Produkt, die Leute, die Champions. Auf dem Titel sehen wir Suzanne Lenglen, eine der ersten Heldinnen des Sports, gemeinsam mit den französischen Musketieren. Im Jahr 1920, als Babolat diese Saite entwickelt hat, hieß sie V.S. Und wurde für die Musketiere und Suzanne Lenglen gefertigt. Diese Saite existiert immer noch, sie wird permanent verbessert, es ist immer noch die beste Seite aus Naturdarm. 

“Björn Borg ist das Symbol der goldenen Zeit des Tennis”

Tennisnet: Auch Rafael Nadal und Björn Borg sind prominent vertreten.

Babolat: Für mich ist Borg ein Symbol der goldenen Zeit des Tennis. Tennis war überall faszinierend, auch als ich geboren wurde. Mein Großvater leitete die Firma und ich sah Borg mit seinen blonden Haaren. Und jetzt spreche ich mit Björn, wenn ich ihn sehe, weil sein Sohn Leo mit Babolat spielt. Es gibt also auch eine Generation, die sehr stolz darauf ist. Also ja: In diesem Buch stecken viele Emotionen, die wir gerne teilen. Unsere Geschichte ist so reich, und nicht viele Leute kennen sie, denn Babolat war bis in die 1990er-Jahre ein Hersteller von Accessoires und Saiten uns Besaitungsmaschinen. Die meisten Spieler auf dem Feld spielten mit unserem Produkt, vielleicht ohne zu wissen, dass es Babolat war. Erst seit wir Racquets herstellen, ist die Marke viel präsenter. Mit Schlägern, mit Bällen, mit Schuhen, mit Apparel. Viele Leute sind überrascht. Sie sagen: „150 Jahre?, Aber meine Eltern spielten ja gar nicht mit Babolat-Schlägern!“

Tennisnet: Die Entscheidung, Schläger zu produzieren, bedurfte wohl einer ähnlichen Vision wie Sie Ihr Großvater gehabt hat. War der Zeitpunkt des Einstiegs grundsätzlich günstig?

Babolat: Nein, nein, der Markt war nicht bereit. Ich sprach von der goldenen Ära des Tennis mit Björn Borg in den 80ern. Danach wurde Tennis, was es heute ist: ein Sport - und nicht eine Mode. Und der Tennis-Markt steckte in einer Krise. Ich erinnere mich daran, weil ich damals in der Firma war, dass die Trends von Racquetverkäufen bei minus 20 und minus 30 Prozent pro Jahr lagen.

Tennisnet: Hatte das einen bestimmten Grund?

Babolat: Die Racquets wurden nun aus Graphit hergestellt, sie brachen nicht mehr. Wir verkauften zwar Saiten. Die Leute aber spielten und hatten keinen Grund, ihre Schläger zu ändern. Und zu diesem Zeitpunkt hatte mein Vater die Intuition, zu sagen, okay, der Markt stabilisiert sich. Die Leute, mit denen wir gesprochen haben, sagten uns, dass sie uns für unsere Stärken lieben, aber wir müssen uns auch um unsere Stärken kümmern. Mein Vater aber ging das Risiko ein, dass wir von einem Acessoire-Hersteller und Partner aller Schlägermarken zu einem Konkurrenten wurden. Das führte auch innerhalb des Unternehmens zu Fragen: Wir sind die Könige der Saiten - aber bei Schlägern sind wir niemand! Zu jener Zeit bestand eine große Aufgabe auch darin, den Handel davon zu überzeugen, unsere Schläger in ihr Sortiment aufzunehmen. Andererseits haben wir aber immer noch Saiten für den gesamten Markt produziert.

“Die traditionellen Marken haben uns nicht ernst genommen”

Tennisnet: Zurück zu den Stars. Auch zu Boris Becker gibt es eine Beziehung …

Babolat: Ich erinnere mich, das war vor eineinhalb Jahren, als Boris Becker in Lyon in die Firma kam. Damals war er der Coach von Holger Rune. Wir haben Boris erzählt, dass wir an diesem Buch arbeiten. Und Boris meinte: Ich habe alles gespielt und alles gewonnen mit der VS-Saite, also ist es auch meine Geschichte. Und er hat das nicht nur gesagt, um uns nett zu sein. Und deswegen bin ich hier, weil es ein Teil von mir ist. Boris hat das gesagt, Björn hat das gesagt, alle Spieler, Martina Navratilova auch. Wir sind kein Sponsor, wir sind ein Equipment-Unternehmen. Beim Tennis sind Schläger und Bälle Teile deines Spiels. Wenn du ein Spieler oder ein Athlet bist, weißt du, wie wichtig es ist.

Tennisnet: Der Erfolg einer Schlägermarke ist untrennbar mit dem Erfolg von Spielern und Spielerinnen verbunden. Sie konnten noch im alten Jahrtausend richtig durchstarten.

Babolat: Die traditionellen Marken haben uns zunächst nicht als echte Gegner angesehen. Und als sie bemerkt haben, dass wir gut werden, war es zu spät. Das es ist ziemlich schnell passiert. Vier Jahre nach unserem Einstieg als Schlägerfabrikant und viele Jahre nach dem Sieg von Grand-Slam-Turnieren mit unseren Saiten, hatten wir Carlos Moya, der Roland Garros gewinnt. Mit dem Babolat-Racquet, mit dem Pure Drive. Ein Racquet, das auf für Anfänger geeignet ist. Und in jenem Jahr hatten wir mit Kim Clijsters und Fernando González auch noch die Nachwuchs-Wettbewerbe in Roland-Garros gewonnen. In zehn Jahren sind wir vom Nichts zum Nummer eins in der Welt der Tennisschläger.

Tennisnet: Was uns zu Rafael Nadal führt …

Babolat: Rafa hatte zwei Lieblingssportarten, Fußball und Tennis. Er wollte Fußball spielen. Dafür musste er aber nach Barcelona zur Fußballakademie. Da war er neun Jahre alt. Und noch nicht bereit, sich von der Familie zu verabschieden. Okay, dann wird es Tennis. Er kam mit seinem Onkel Toni in den Laden in Manacor, wo man die richtigen Racquets für Rafa gesucht hat, um das Spiel zu starten. Und der Laden gab ihm den Babolat Pure Drive. Rafa war ein guter Jugendlicher. Unser Trainer aus der Region sagte uns, dass ein guter Junge auf dem Weg sei. Ich glaube, wir haben ihm seinen ersten Vertrag im Alter von zwölf Jahren gegeben. Aber wir wussten natürlich nicht, wie er sich entwickeln würde. Viele Leute sagten, mein Sohn sei gut, er sei Weltmeister. Okay, vielleicht. Aber bei Rafa wurde das Talent sehr schnell offensichtlich.

Tennisnet: Wie ging es weiter?

Babolat: Rafa blieb in Spanien, wo junge Profis normalerweise mehr reisen. Und 2005 hat er Roland-Garros gewonnen. Das war fantastisch. Und für ihn, nach der Art, wie er spielte, haben wir den Aero entdeckt. Das ist ein Racket, das durch die Luft fliegt (Babolat imitiert die Vorhand-Schlagbewegung von Nadal). Nicht so, wie es traditionell war, sondern so, wie Rafa eben spielte. Wir haben ein eigenes Spin-Racquet entwickelt. Davor gab es eines für die Power, ein anderes für die Kontrolle. Aber eines für den Spin existierte nicht. Die Arbeit mit Rafa war für uns leicht: Weil er hat immer gesagt: mehr Spin, mehr Spin, mehr Spin! Rafa ist Teil der Tennisgeschichte, Teil unserer Geschichte. 

"Wir sagen allen Racquetsportlern: Willkommen, Leute!"

Tennisnet: Dominic Thiem hat auch mit einem Babolat-Schläger seine größten Erfolge gefeiert..

Babolat: Das sind zwei Babolat-Racquets, aber sie sind komplett unterschiedlich. Dominic hat mit dem Pure Strike gespielt, einem eher traditionellen Schläger. Dominic ist ein gutes Beispiel, weil es nicht so viele Spieler gibt, die von einem Racquet zu einem anderen wechseln. Es ist immer eine Balance zwischen Kontrolle und Kraft. Wenn man viel Kraft hat, verliert man die Kontrolle. Wenn man viel Kontrolle hat, verliert man die Kraft. Man muss die Balance finden. Dominic konnte das. Er hat zwei Mal gegen Rafael hier im Finale gekämpft. Er war der nächste Spieler, um ihn zu schlagen. Zum Glück ist ihm der große Coup in New York gelungen.

Tennisnet: Wie sieht Ihre Vision für die nächsten Jahre aus?

Babolat: Wir waren eine Accessory-Firma, vor allem im Tennis. Dann in die Schlägerproduktion einzusteigen, war eine große Veränderung. Das ist, was mein Vater angefangen hat, und das ist, was wir in den letzten 30 Jahren gemacht haben. Seit zwei Jahrzehnten ist es aber nicht nur Tennis, sondern auch Padel. Das wurde lange nur in Spanien gespielt, aber mittlerweile auch auf der ganzen Welt. Wir wollen dafür  keine Tennis-Compnay, sondern eine Padel-Company. Das ist der Grund, warum unsere Padel-Base in Madrid ist. Wir haben ein Team, das 100% Padel ist - unsere Padel-Leute kümmern sich nicht um Tennis. Dazu kommt: Wir haben eine verrückte Partnerschaft mit Lamborghini, um die Grenzen der Racquets zu überwinden. Und wir arbeiten schon lange mit Michelin zusammen. Auch wenn die kommenden Jahre für alle eine Herausforderung sind: Covid hat gezeigt, dass Racquetsport eines der besten Dinge ist, um die Menschen bei guter Gesundheit zu halten, physisch und psychologisch. Mit jemandem zu spielen oder in einer Gruppe von Leuten, ist nicht nur gut für deinen Körper, sondern auch gut, weil du mit Leuten und Freunden interagierst.  Wir sehen es nicht als eine Gefahr, dass die einfacheren Racquetsportler, wie Padel oder Pickleball einen einfacheren Zugang bieten als Tennis. Wir hatten letztes Jahr eine Diskussion mit unseren Freunden darüber, dass wir nicht gegen andere Sportarten kämpfen sollten. Wir kämpfen gegen Mittelmäßigkeit. Und Mittelmäßigkeit bedeutet, dass man auf dem Sofa sitzt, TV schaut und nichts macht. Aber wenn die Leute sich bewegen, sollten wir glücklich darüber sein und ihnen nicht sagen, dass sie einen bestimmten Sport nicht betreiben  sollen. Ich kenne Leute, die keinen Sport machen, die aber drei Mal die Woche mit ihrem Freund padeln. Das ist fantastisch. Wir sind froh, sie in den Racquetsportarten zu haben. Willkommen, Leute. Bleibt dran. Wir haben Lösungen, um euch glücklich zu machen. Das ist gut. Wir freuen uns darüber.

Tennisnet: Monsieur Babolat - vielen Dank für das Gespräch.

von Jens Huiber

Donnerstag
29.05.2025, 10:45 Uhr
zuletzt bearbeitet: 29.05.2025, 06:17 Uhr