Behörden erwägen Vorgehen gegen Rothenbaum-Sponsoring
Auch die ATP hat in ihrem Regularium vielseitig interpretierbare Vorstellungen von Wettanbietern als Turniersponsoren.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
23.03.2011, 11:34 Uhr

Von Nils Lehnebach
Es sind vielmehr die Gedankenspiele, die locken. Die locken, die reizen, die Vorfreude entwickeln. Day Session an einem Sommertag am Hamburger Rothenbaum. Das Wetter spielt mit, die warmen Sonnenstrahlen runden das Gefühl ab, das fast an Roland Garros erinnert. Statt Paul-Henri Mathieu, Pablo Cuevas oder Andrey Golubev spielen in einer Vorschlussrunde des größten deutschen Tennisturnieres Spieler einer anderen Kategorie. Juan Martin del Potro gegen Fernando Verdasco, vielleicht ein Robin Söderling.
Spieler, die nach dem Verlust des Status als Masters-Turnier 2008 nicht mehr in Hamburg zu sehen waren. Spieler, die in der Regel nicht melden, ohne diese Tat finanziell versüßt zu bekommen. Die German Open schienen wieder auf einem guten Weg zu sein, Spieler aus dieser Schublade anbieten zu können. Das Verkünden des neuen Hauptsponsors bet-at-home.com Ende vergangener Woche machte den Fans Hoffnung.
Rechtslage in der Schwebe
Ob der neue Sponsor auch wirklich zu Turnierbeginn noch mit seinem Schriftzug parat stehen darf, ist fraglich. Wieder einmal. Schon 2009 hatte man sich mit dem Wettanbieter geeinigt, ohne dabei das geltende Recht zu berücksichtigen. Das Hamburger Verwaltungsgericht stoppte den Deal mit Verweis auf das deutsche Glücksspielmonopol. Mittlerweile hat sich die Rechtslage allerdings geändert. Der Europäische Gerichtshof hat vergangenes Jahr entschieden, dass dieses Monopol gegen europäisches Recht verstößt. Seitdem ist die Rechtslage in der Schwebe, es gibt noch keinen neuen Beschluss.
Bis Ende des Jahres, so lautet die Aufgabe aus Brüssel, muss in Deutschland eine neue Rechtslage geschaffen werden. Die Ministerpräsidenten der Bundesländer beschäftigen sich damit, ein nächstes Treffen ist auf den 6. April terminiert. Branchenkenner gehen davon aus, dass es ein neues Modell gibt, bei dem die Wettanbieter Konzessionen beantragen müssen. Der Vorteil: Sie sind in Deutschland gemeldet und zahlen ihre Steuern hier.
Droht wieder neuer Ärger?
Doch bis in der Thematik ein Beschluss gefasst wird, ist die Rechtslage in der Schwebe. Eine Situation, die bei der zuständigen Finanzbehörde in Hamburg nicht für Untätigkeit sorgt. Der Vertrag sei wahrgenommen worden, man beschäftige sich nun mit der Lage. „Wir befinden uns in einer rechtlichen Grauzone. Wir gehen davon aus, dass das Werbeverbot weiterhin gilt und teilen die Rechtsauffassung nicht, dass das einfach so laufen kann.
Unsere Glücksspielaufsicht wird sich mit der Thematik eingehend beschäftigen und überlegen, welche Schritte eingeleitet werden müssen“, sagte Frank Reschreiter, Sprecher der zuständigen Behörde auf Nachfrage von tennisnet.com. Auch wenn eine Entscheidung nicht innerhalb von Tagen zu erwarten ist, droht dem Turnier am Rothenbaum und dem Veranstalter HSE offenbar neuer Ärger.
Ähnlicher Fall in Kiel
Einen ähnlich gelagerten Fall gab es vor wenigen Wochen in Kiel. Dort schickte die zuständige Behörde der europäischen Handball-Förderation EHF einen Bußgeldbescheid über 250.000 Euro. Der Verband hatte bei zwei Champions-League-Spielen in der Ostseehalle für ein Online-Wettbüro geworben. „Vor Gericht wird das wohl nicht durchkommen“, sagte ein Branchenkenner zu tennisnet.com.
Allerdings entscheidet bekanntlich nicht immer jedes Gericht gleich, nicht jeder Angeklagte hat das Durchhaltevermögen und den finanziellen Background um so eine Angelegenheit durchzustehen. Und auch mit langwierigen und kostspieligen Prozessen hat man beim DTB ja so seine Erfahrungen gemacht.
In Hamburg ist die Situation noch nicht so zugespitzt, sodass man sich zunächst um Ruhe bemüht. "Da sich die politischen Rahmenbedingungen seit 2009 verändert haben, sind wir davon überzeugt, dass sich der Vorgang aus 2009 nicht wiederholen wird”, sagte DTB-Pressesprecher Oliver Quante zu tennisnet.com. Gut möglich, dass er Recht behält. Möglich und wahrscheinlich ist aber auch, dass die Hamburger Finanzbehörde das nicht ohne weitere Schritte durchwinken will.
Wettanbieter als Sponsor auch in Kitzbühel
Irritierend, aber für das Hamburger Turnier kein weiterer Stolperstein ist das ATP-Regularium. Dieses besagt, dass Turnierveranstalter die Zuschauer nicht direkt oder indirekt dazu animieren sollen, auf der Anlage zu wetten. In Zeiten von internetfähigen Mobiltelefonen könnte man dies durch Werbemaßnahmen eines Wettanbieters durchaus als gegeben ansehen. Die ATP versteht diese Regel allerdings anders, auch bei anderen Turnieren wie in Kitzbühel sind Wettanbieter als Sponsoren präsent. „Die ATP ist über das Engagement von bet-at-home.com informiert. Abgesehen davon, dass auf der Anlage kein Wettangebot platziert werden darf, gibt es hier keine Einschränkungen”, erklärte Turnierdirektor Michael Stich auf Nachfrage von tennisnet.com.
Die Situation mit der ATP ist also klar, die Hamburger Behörden werden sicherlich in den nächsten Wochen von sich hören lassen. Dann wird sich entscheiden, ob in Zukunft am Rothenbaum Spieler der etwas höheren Klasse antreten werden oder ob man weiterhin auf Lokalkolorit mit Spielern wie Tobias Kamke und Julian Reister setzen muss.(Foto: GEPA pictures)
