Barbara Rittner – „Ich habe meine Traumrolle gefunden“
Barbara Rittner ist mehr als nur eine Trainerin für das deutsche Fed-Cup-Team.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
05.11.2014, 10:01 Uhr

Von Jörg Allmeroth
Wenn Barbara Rittner manchmal auf die moderne Tenniswelt schaut, kann sie sich nur wundern. Wer da so alles um die Stars und Sternchen umherschwirrt, diese Heerscharen von Beratern, die näheren und entfernteren Familienmitglieder, die Trainer, Assistenztrainer und Nebentrainer. Rittner akzeptiert das natürlich, die Zeiten sind halt so, aber sie selbst hat das alles nicht gebraucht in ihren zwölf Jahren auf der Tour. Die Bundestrainerin, die an allererster Stelle für das Entstehen eines zweiten deutschen Fräuleinwunders steht, schlug sich fast allein durch den Tennisdschungel, lernte früh, für sich Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu fällen. „Ich brauche keinen, der mir am Rockzipfel hängt“, hat Rittner mal als Motto formuliert. Noch weiter als in ihren turbulenten Profijahren hat es die inzwischen 41-jährige Leverkusenerin als Lehr- und Führungskraft im deutschen Damentennis gebracht. Seit sie vor einem Jahrzehnt als Chefbeauftragte begann, hat sie Karrieren gefördert und begleitet, die richtigen Talente mit Geld für die Aufbauarbeit versorgt. Und gleichzeitig geschafft, dass die DTB-Frauenabteilung die zerstrittenen Männer tief in den Schatten stellt und am Wochenende in Prag um den Fed-Cup-Titel gegen Tschechien kämpfen darf.
Dabei verwaltete Rittner einst selbst die traurigen Überreste goldener Centre-Court-Zeiten.Steffi GrafundAnke Huber, ihre Freundinnen, waren abgetreten, aber keine tatkräftigen Nachfolgerinnen in Sicht. So begann 2005 zunächst unbemerkt, indes höchst effizient die schwere Aufbauarbeit, die Geduldsanstrengung, der lange Marsch heraus aus dem Tränen- und Jammertal. Schon bei ihren ersten Sichtungen als Bundestrainerin war Rittner aufAngelique Kerber,Andrea PetkovicundJulia Görgesgestoßen – und auf dieses Trio setzte die Teamchefin bis hinein in die Gegenwart. „Es ist schon verrückt, welche Strecke wir alle zusammen gegangen sind“, sagt Rittner. Und genau so verrückt war, was Rittner da so alles zu ertragen hatte mit stoischem Gleichmut, besonders in den ersten Arbeitsjahren: Maßlose Spieleragenten, kratzbürstige Eltern, verrückte Trainertypen und natürlich auch Spielerinnen, die mal Heilsbringerinnen waren und im nächsten Moment schon der größte anzunehmende Sorgenfall. Rittner durchstand das auch mit jenem Schuss Naivität, mit dem sie einst in der großen DTB-Baustelle angetreten war: „Zum Glück weiß man nie, was alles schiefgehen kann.“
Millionendeal mit Porsche eingefädelt
Rittner war freilich viel mehr als nur einfach eine Trainerin für die wenigen Fed-Cup-Wochen im Jahr, auch mehr als nur die Vertraute und Anlaufstelle für ihre Spielerinnen im Fed-Cup-Team und in der Talentgruppe. Sie ist auch und vor allem eine begnadete Netzwerkerin, die bei Funktionären, Managern, Politikern und Journalisten für die Sache Damentennis trommelt. Es war fast rührend zu sehen, wie vor drei Jahren ein längst entlassener Geschäftsführer des Tennisverbandes irgendwelche Meriten aus dem großen Sponsorendeal zwischen Porsche und der Fed-Cup-Mädelstruppe für sich reklamieren wollte. Dabei war es ausschließlich Rittner gewesen, die den millionenschweren Kontrakt eingefädelt hatte, mit Fürsprache auch eines gewissen Sigmar Gabriel. Den SPD-Häuptling hatte sie einst bei Ex-Fed-Cup-Lenker Klaus Hofsäss in dessen Akademie auf den Berghöhen um Marbella getroffen, der SPD-Mann war für eine Trainingswoche da. Seitdem hält man Kontakt, schätzt sich, hilft sich auch, wo es geht. Gabriel, kein Wunder, will am Fed-Cup-Wochenende auch in Prag vorbeischauen bei Rittner und Co.
Wer Rittner bei ihren Missionen rund um die Centre Courts beobachtet, erlebt eine Frau, die jeden und alles in dieser Tenniswelt kennt, die mit den Großen der Branche auf Du und Du ist. Die aber auch hierzulande die Figuren, die sich erst noch nach vorne drängen müssen, weiter genauestens im Auge hat. Viele unspektakuläre Trainings- und Sichtungswochen schrubbt Rittner Jahr für Jahr ab, keine Begabung soll verloren gehen. Nichts entgeht so der Leiterin der deutschen Damenauswahl, jener Barbara Rittner, die 1991 selbst einmal vor der ganz großen Karriere zu stehen schien, als sie das Juniorenturnier in Wimbledon gewann. Als Solistin machte sie schließlich zwar nicht schillernd von sich reden, gewann zwei Turniere, rutschte einmal bis auf Platz 24 der Rangliste vor. Aber als Teamspielerin war sie schon damals gefragt, siegte 1992 an der Seite von Anke Huber und Steffi Graf im Fed Cup.
Ausgleichende Moderatorin und sensible Beraterin
Als Spielerin war Rittner eine Kämpferin, die aus ihren Möglichkeiten das Maximale herausholte, die Größere und Stärkere mit kluger Strategie und auch Psychospielchen zermürben konnte. Schon damals hätte man sich denken können, dass die hellwache Rheinländerin einmal die Idealbesetzung für eine Leitungsrolle sein würde – als Anführererin eines jungen, aufwärtsstrebenden Teams. Als eine Art „Mutter der Kompanie“, die sich in einem 24-Stunden-Job an praktisch 365 Tagen um ihre Schützlinge kümmert – als Seelentrösterin, als Kummerkasten, aber auch als ebenso sanfte wie strenge Erzieherin. „Ich habe meine Traumrolle gefunden“, sagt Rittner, „und ich bin froh, dass wir jetzt das Potenzial einlösen, das die Mädels haben. Wir brauchten die Enttäuschungen der letzten Jahre, um mit größerer Reife und Erfahrung ins Finale einzuziehen.“
Die Wertschätzung für Rittner hat nicht nur mit dem Ergebnis ihrer Bemühungen, sondern auch der Art und Weise zu tun, wie der Weg zum Ziel führt. Die 41-Jährige ist zwar auch eine ausgleichende Moderatorin und sensible Beraterin. Doch dass sie in dem verminten Terrain dieses eiskalten Geschäfts nicht vor klarsten Worten zurückschreckt und auch die Konfrontation mit Zeitgenossen nicht scheut, die an Nein-Sager nicht mehr gewöhnt sind, das rechnen ihr Freunde und Weggefährten hoch an. „Wenn man etwas für recht hält, dann muss man es auch tun“, nach diesem Lebensmotto von Hermann Hesse lebt sie. Und das hat dem deutschen Tennis gut getan.