Formschwächen, Petkovic-Krise – die schwere Personalsuche für das Finale
Die deutsche Teamchefin Barbara Rittner hat drei Wochen vor dem Fed-Cup-Finale gegen Tschechien noch viel Arbeit vor sich.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
16.10.2014, 12:10 Uhr

Von Jörg Allmeroth
Eigentlich sollte im Nominierungs-Countdown für das Fed-Cup-Finale schon letzte Woche alles klar sein für Barbara Rittner. In Linz wollte die Bundestrainerin ihren Auswahlspielerinnen intern die Entscheidung verkünden, wer zum Aufgebot beim Saisonhöhepunkt am 8. und 9. November in Prags O2-Arena gehören würde – und wer nicht. Doch dann änderte Rittner notgedrungen ihre Meinung und ihren Zeitplan, weil sie schlicht noch nicht das Gesicht des eigenen Teams kannte, jedenfalls abseits der von ihr als gesetzt aufgestellten SpitzenfrauenAngelique KerberundAndrea Petkovic: „Ich bin noch nicht so weit“, sagte Rittner damals. Und: „Es ist die schwerste sportliche Entscheidung meines Lebens.“
Lisickis Aus gegen eine Unbekannte
Im Idealfall hätte Rittner in den letzten Tagen noch einmal einen heißen Schlussspurt in der Casting-Show für das Porsche Team Deutschland erlebt, ein Vorspielen der Kandidatinnen beim WTA-Turnier in Luxemburg auf hohem Niveau. Doch was Rittner dann erlebte, war eine unwillkommene Ernüchterung, die den immer noch nicht abgeschlossenen Ausleseprozess als komplizierte Qual der Wahl erscheinen ließ: Die zuletzt verletzteJulia Görgesscheiterte bei ihrem Comeback in Runde eins an der US-Amerikanerin Varvara Lepchenko – und dann auch noch gleich im Startspiel mit Fed-Cup-KolleginAnna-Lena Grönefeldim Doppel, obwohl das Duo an Platz zwei der Setzliste stand.
Andrea Petkovic, die Fed-Cup-Wortführerin und verlängerter Arm Rittners im Team,sorgte mit einem tränenreichen Auftakt-Knockout gegen die blasse Französin Pauline Parmentier aus den falschen Gründen für internationales Aufsehen. Und dann meldete sich auch nochSabine Lisickimit einerbitteren Zweitrunden-Pleite gegen die auf Platz 145 der WTA-Hitparade eingestufte Tschechin Denisa Allertova aus dem Großherzogtum ab, nicht ohne eine denkwürdige Erklärung für ihr Scheitern gegenüber einem Reporter des Portals „ran.de“ abgegeben zu haben: „Meine Gegnerin war gut auf mich vorbereitet, ich nicht auf sie. Ich kannte sie nicht.“ So blieb als Lisickis einzig nachhaltiges Erfolgserlebnis bei ihrem Luxemburger Gastspiel der Abend der Players Party übrig – dort war die gemeinsam mit Comedian-Freund Oliver Pocher erschienene Berlinerin zur elegantesten Erscheinung der Festivitäten gekürt worden.
Handgelenksblessur oder doch mehr?
Kein so schöner Blick ergab sich allerdings auf die momentane Gesamtverfassung des deutschen Teams und auf die Spielerinnen, die Rittner bei den US Open nach einem eher diskreten Auftritt noch gemahnt hatte: „Es muss jetzt noch einiges passieren, es muss eine Leistungssteigerung her, sonst kriegen wir da in Prag die Brause.“ Passiert war nun auch einiges, aber zu wenig Erfreuliches, abgesehen von dem Turniersieg Lisickis in Hongkong. Dafür stand auf einmal auf der Soll-Seite eine äußerst verunsicherte Andrea Petkovic, deren Psyche schwer angeknackst war – waren es allein Probleme mit einer Handgelenksblessur und die allgemeine Überlastung, wie Vater Zoran Petkovic im „Bild“-Gespräch erklärte? Oder steckte doch mehr dahinter? Selbst Trainer Eric van Harpen tappte im Dunkeln, was sich bei seiner Arbeitgeberin gegenwärtig abspielte: Seit dem demütigenden Erstrunden-Aus von Petkovic in Linz hatte der erfahrene Holländer keinen weiteren Kontakt mehr mit der Weltklassespielerin, die damals direkt nach der schmerzlichen Niederlage die oberösterreichische Metropole Hals über Kopf verlassen hatte. „Ich hoffe, es geht ihr gut“, sagte van Harpen. Und fügte hinzu: „Barbara Rittner wird die Mädels schon aufrichten in der Woche vor dem Finale.“
Tatsächlich musste Rittner ihre größten Hoffnungen aber mehr denn je auf die Kielerin Angelique Kerber richten, die sich nach einem auch nicht berauschenden Herbst zu einer Erholungspause nach Polen zurückgezogen hatte – dort wollte Kerber Kraft tanken für das WTA-Finale in Singapur, bei dem sie bisher als erste Ersatzspielerin aufgeboten ist, und natürlich auch für das Fed-Cup-Endspiel mit dem Porsche Team Deutschland. „Wenn ich Angie und Petko eine Woche lang bei der Truppe habe, kriege ich die immer klar für ein Match“, sagt Rittner. Das soll sich auch dieses Mal nicht ändern, hofft die Chefin des Teams: „Andrea wird fit und belastbar sein. Dafür werden alle im Team und die Stimmung in Prag sorgen.“ Schwierigkeiten hin, Probleme her, eine trotzige Kampfansage an die tschechischen Gegnerinnen formulierte die Leverkusenerin schließlich noch: „Unser Teamgeist, unser Kampfgeist werden stark sein. Und die Vorfreude auf das Match ist groß geblieben.“
