Durchbruch für Sirene Azarenka

Die Weißrussin ist nach dem glatten 6:3, 6:0-Sieg im Finale der Australian Open die neue Nummer eins im Damentennis.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 28.01.2012, 13:18 Uhr

Von Jörg Allmeroth aus Melbourne

An den großen Einfallswegen zur Rod Laver Arena boten fliegende Händler an diesem drückend schwülen Samstagabend ganz neue Utensilien fürs Fanvolk an: Ohrenschützer, Ohrenstöpsel und sogar geräuschunterdrückende Kopfhörer waren für den Stöhn-Gipfel von Melbourne zu haben, für das lautstarke Damenfinale der Australian Open zwischenVictoria AzarenkaundMaria Sharapova.Doch lange mussten die mehr oder weniger empfindlichen Augen- und Ohrenzeugen im Stadion die Kreischattacken der beiden Sirenen nicht ertragen: Schon nach einer Stunde und 22 Minute war alles vorbei auf der Hauptbühne des Grand-Slam-Spektakels „down under“, mit einemwenig erregenden 6:3, 6:0-Kantersiegder jungen Weißrussin Azarenka.

Champagnerduschen und Friseur für den Trainer

Für die besonders heftig quiekende und aufschreiende 22-Jährige war es der erste richtig große Karrieretag, denn neben dem Premierenerfolg bei einem der vier Major-Turniere durfte die lebenslustige Spitzenspielerin auch noch den bahnbrechenden Sprung auf Platz eins der Weltrangliste feiern. „Jetzt gibt es reichlich Champagnerduschen“, kündigte das Partygirl der Szene schon mal für den Rest der Sommernacht von Melbourne an, „außerdem bestelle ich für meine Trainer einen Friseur. Die müssen sich alle die Haare blond färben lassen. Das war die Wettschuld für den Fall, dass ich gewinne.“

An der großen Sause und haarigen Veränderungen bestand in einem unspektakulären Finale schon früh kein Zweifel: Zu dominierend, zu präzise und nervenstark präsentierte sich Azarenka in ihrem ersten Grand-Slam-Endspiel gegen die etablierte Sharapova. Nach einem 0:2-Rückstand gewann die Weißrussin zwölf der nächsten 13. Spiele, nach dem 3:3 in Satz eins ging Sharapova sogar völlig leer aus. „Es war einer dieser Tage, an denen du besser gar nicht aufgestanden wärst“, sagte die bestbezahlte Sportlerin des Planeten hinterher mit einem Schuss Galgenhumor. Dass sie sich nach den Jahren der Verletzungsqualen und einem drohenden Karriereende selbst wieder in erstaunliche Reichweite eines Grand-Slam-Titels gespielt hatte, konnte für die Blondine in der Nacht des 13. Turniertags nicht mal als kleiner Gewinn gelten: „Der Sieg zählt alles. Das ist die Realität.“ Selbst die Höchststrafe eines zu null verlorenen Satzes blieb der zwar unermüdlich kämpfenden, aber restlos unterlegenen Sharapova nicht erspart.

Noch keine Hackordnung im Damentennis

Azarenkas Sieg ist für Brancheninsider keine wirkliche Überraschung. Die herausragende Athletin mit dem etwas burschikosen Auftritt galt nach Grand-Slam-Siegen bei den Junioren, auch in Melbourne 2005, als Star der Zukunft, doch Nervenschwäche und Versagensängste bei den Top-Wettbewerben verhinderten bis zu diesem 28. Januar 2012 den großen Durchbruch. Vor elf Monaten spielte die damals auch noch verletzte Weißrussin sogar für ein paar Tage mit ihrem Rücktritt aus dem Tennisbetrieb, ehe sie einen langen Marsch begann, der nun beim ersten Major-Turnier dieser Saison auf dem Thron endete. „Sie ist zum ersten Mal unter Druck und im Fokus der ganzen Tenniswelt an ihrer Aufgabe gewachsen, hat keinerlei Schwächen gezeigt“, lobte die legendäre US-Altmeisterin Chris Evert die 22-Jährige, für die Australien scheinbar zum Land des Lächelns wird. Auch ihren ersten Titel im Erwachsenentennis hatte Azarenka einst in Brisbane geholt, an der Ostküste des Fünften Kontinents.

Eine klare Hackordnung im Damentennis ist allerdings auch nach dem Durchmarsch von Azarenka zum ersten Grand-Slam-Triumph nicht auszumachen. In der allgemeinen Unübersichtlichkeit des weiblichen Tourgeschäfts gibt es gerade vier verschiedene Grand-Slam-Siegerinnen, die auch noch allesamt jeweils ihren ersten Titel gewonnen haben: Neben Azarenka sind das die Chinesin Li Na (French Open), die Tschechin Petra Kvitova (Wimbledon) und die Australierin Sam Stosur (US Open). „Wohin die Reise führt, kann keiner sagen. Es gibt nicht mehr die eine überragende Spielerin, vor der sich alle anderen fürchten“, sagte Martina Navratilova am Samstag, eine Frau, die mit 18 Major-Titeln in einer Ausnahmekarriere selbst mal eine solche Dominatorin gewesen war.(Foto: Jürgen Hasenkopf)

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Samstag
28.01.2012, 13:18 Uhr