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"Es war extrem, unglaublich!"

Nachdem Martin Fischer in Israel das entscheidende fünfte Match für Österreich entschied, konnte er seine zuvor gezeigte Leistung gar nicht fassen.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 19.09.2010, 23:08 Uhr



„Das ist absolut unglaublich - ich muss es erst realisieren“, so die ersten Worte des heldenhaften Davis-Cup-Debütanten Martin Fischer. Kurz davor riss er die Arme empor, ließ das Racket fallen, wischte sich die Kappe aus der Stirn und blickte Richtung Himmel. Martin hat geweint – Sekundenbruchteile später wird er gefeiert, ist vom Team und den Betreuern umringt, bekommt auch das kaum mit.

Ich schließe mich den Gratulationen an:
„Es ist alles wie in Trance“, sagt er, blickt durch mich hindurch, wie zuvor durchs Hallendach, als "Fisch" im wahrsten Sinne des Wortes im Tennishimmel gewesen ist. Das Zerren um den Star beginnt. Auch israelische Fotografen wollen den Matchwinner in Jubelpose, man hängt ihm die österreichische Staatsflagge über die Schultern. Martin für Österreich, Österreich für Martin.

Der Interview-Marathon beginnt: Zuerst gibt der Sieger seine Sicht der Dinge im israelischen TV wieder, dann sind wir live in Sport am Sonntag dran. Mit Jürgen, mit Schilli, danach die Pressekonferenz in Englisch, dann Deutsch, das Radio-Gespräch folgt und er nimmt sich nach den Freudengesängen in der Kabine: "I got a feeling, that tonight's gonna be a good night", intoniert von unseren fantastischen Vier, Zeit zum Gespräch für tennisnet.com:

ich habe mich noch nie so gern geirrt wie diesmal…

Fischer: Ah ja, okay, ich bin nicht nachtragend.



Nein, ehrlich gesagt ist es immer noch unfassbar.



Ja, es ist natürlich sehr viel geredet worden im Vorfeld. Es ist viel diskutiert worden, wer wird spielen, wer wird die Nerven haben, dem Druck stand zu halten. Das war für mich nicht einfach, weil ich von außen her nicht der größte Favorit war. Aber Schilli hat mir das Vertrauen geschenkt und ich hab ihm gesagt: Wenn wir zwei da rein gehen und du stehst 100-prozentig hinter mir und vertraust mir, egal was passiert, dann können wir das schaffen. Ich denke, wir haben gezeigt, dass das extrem gut funktioniert hat.



Es war von vornherein klar, dass ich mich vorbereiten und darauf einstellen muss, komplett abzuschalten. Also wenn du anfängst, Bälle anzuzweifeln, zum Schiri zu laufen, dich aufzuregen, dann beginnt das Pfeifkonzert - das wollte ich, so gut es geht, vermeiden, keinerlei Angriffsfläche bieten in diese Richtung. Dennoch war's sehr schwer, mich zu fokussieren. Ich hab' einen Satz lang gebraucht, bin dann viel präsenter, aktiver geworden, nach vor gegangen. Sogar fast eine Flucht nach vorne angetreten und siehe da - es hat Wirkung gezeigt! Dann hab' ich gemerkt, dass ich ihm weh tun kann und nicht einmal so viel riskieren muss. Ich hab' dann sehr, sehr gut retourniert und es ist gelaufen. Dann kommt irgendwann das Gefühl, dass man gar nicht mehr aufwachen will, dass man einfach da drin bleiben will, in diesem Tunnel sozusagen. Das ist mir bis zum Schluss sehr gut gelungen.



Ich bin eingelaufen und der Start war alles andere als gut. Wenn du 0:4 hinten liegst und ein Best-of-five-Match spielst, merkst du auf einmal wie der Weg immer länger wird. Ich hab' einfach kein Mittel gefunden und mit Schilli gesprochen. Ich war doch zu passiv und wusste, dass der Weg nach vorne führen muss. Das war ein wichtiger Schlüssel, ein Zielfaden, an den ich mich super halten konnte. Auf einmal habe ich keine Rufe mehr gehört, hab alles ausgeblendet. Als sich das Spiel gedreht hat, bin ich mit den Emotionen aus mir hinaus gegangen. Das hat mich befreit und gepusht - ich war so richtig da. Danach hab' ich die Emotionen dann von der Bank gekriegt und auch auf der Bank gelassen. Wie man an den Stimmen merkt, haben die das hervorragend gemacht.



Ja, wahrgenommen, schon irgendwo, ganz entfernt. Aber wie gesagt, ich war so drin in der Partie, es war extrem.



Es war eigentlich witzig, weil ich das Break davor sehr, sehr gut gespielt hab' und ich gar nicht so nervös war in meinem „Tunnel“. Aber ich hab ganz genau gewusst: 5:2, jetzt könnt's gleich vorbei sein und dann der Smash - eine Auflage - die ich verhaut hab beim ersten Punkt… das war zum Vergessen. Aber es war unglaublich wichtig, dass ich dann gleich beim Returngame wieder da war, ihm gleich gezeigt hab, dass ich nicht wirklich schwitz', sondern dass das jetzt nur ein Ausrutscher war. Ich hab' auch der Menge gezeigt, dass ich zurück komme.



Das ist natürlich mit Abstand das Größte, was ich je erreicht hab. Jeder Tennisspieler träumt einfach davon, dass er bei 2:2 im Davis Cup einläuft und den entscheidenden Punkt holt. Da müssen wir nicht lang herumreden, das ist das Größte überhaupt und der größte Erfolg in meiner Karriere.



Oh, das ist eine interessante Frage. Obwohl die Frage, ob's einfacher ist, wenn 8.000 Leute für dich sind, als gegen dich, die stell ich mir eigentlich nicht wirklich. Aber ich denk' mir, es hat vielleicht doch geholfen, dass ich mir nicht zu viel überlegt hab', die Gesichter um mich ausgeblendet habe. Ich hab' zwar noch nie zu Hause Davis Cup gespielt, kann mir aber vorstellen, dass es bei einem Heimspiel spannender ist.



Danke, viel schlafen werden wir nicht. Der Flieger geht so zeitig, dass wir eh um zwei aufstehen müssten, also werden wir uns vermutlich gar nicht niederlegen. Zu viel feiern werd' ich nicht, schließlich geht's gleich weiter auf die Tour in die Türkei.



Das ehrt mich sehr, wenn ein Spieler vom Format des Jürgen so etwas sagt.



Na dann hoff ich einfach, dass er recht hat!

von tennisnet.com

Sonntag
19.09.2010, 23:08 Uhr