Freigeist und Querdenkerin: Andrea Petkovic ist das neue Moderationsgesicht des ZDF-Sports

Andrea Petkovic startet am Sonntag ihre Laufbahn als Sport-Moderatorin. Vorerst nur als Nebenerwerb, denn Tennis möchte sie dann doch noch ein Weilchen selbst spielen

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 29.11.2019, 17:10 Uhr

Andrea Petkovic führt das deutsche Team an
© Getty Images
Andrea Petkovic

Vor ziemlich genau einem halben Jahr lieferte Andrea Petkovic bei den French Open noch einmal ganz großes Tennis. Es war einer jener verrückten Tage von und mit Petkovic, dieser etwas anderen Wanderarbeiterin im Branchenzirkus. Petkovic wandelte durch alle möglichen Höhen und Tiefen eines turbulenten Grand-Slam-Matches, sie stand in jenem Pariser Zweitrunden-Thriller gegen die Taiwanesin Hsieh Su-Wie nur zwei Punkte vor dem Turnie-Aus, bevor sie die Sache unter stürmischem Applaus der Fans noch irgendwie drehte. Eine Stunde später, in ihrer Pressekonferenz, kam Petkovic dann zu diesem emotionalen Schluss: „Es wird schwer, solche Momente zu ersetzen. Es war einer dieser Tage, wo du denkst: Mann, was hab ich doch für einen coolen Job.“

Doch Tennis, bei aller grenzenlosen Liebe und Leidenschaft, ist noch nie Petkovics ganzes Himmelreich gewesen. Und so darf man sich keineswegs wundern, wenn die quirlige, umtriebige und höchst eloquente Darmstädterin an diesem ersten Adventssonntag nun auf einmal, noch mittendrin in ihrer Profikarriere, als neues Moderationsgesicht der ZDF Sportreportage auf dem Bildschirm erscheint. Petkovic mag ja Herausforderungen, Petkovic liebäugelt auch schon länger mit dem Genre des Journalismus – und sie ist eine telegene Erscheinung, die wortreich Spannung und Aufmerksamkeit zu erzeugen vermag. „Ich stürze mich einfach rein in das Abenteuer. Ich bin neugierig, wie das alles wird“, sagt die 32-jährige.

Natürlich hat Petkovic auch Respekt vor der Aufgabe, nicht zuletzt, weil sie sich selbst nur zu gut kennt. Ihre – je nach Sichtweise – Schwächen und Vorzüge. „Ich darf mich nicht verquatschen. Und ich muss sehen, dass mir nicht spontan etwas Verrücktes rausrutscht“, meint sie. Ganz nebenbei suchte sie bis zuletzt streßgeplagt auch noch nach dem passenden Dress für die TV-Premiere, „auf den ersten Blick“ sei nichts Geeignetes im Kleiderschrank drin gewesen.

Thomas Tuchel als Wunschkandidat

Im großen, nicht selten komplizierten Beziehungsgeflecht des professionellen Sportbetriebs findet sich Petkovic jetzt sehr prominent in einer anderen Rolle wieder – als jemand, der selbst Athleten und Ereignisse einordnen muss, kritische Bewertungen abzugeben hat. Und dabei gleichzeitig noch ein Teil der professionellen Szene ist. Petkovic kann diese Gratwanderung allerdings intellektuell meistern, und sie ist noch nie dafür bekannt gewesen, ein Blatt vor den Mund zu nehmen oder jeglichen Klartext zu scheuen.

In jedem Fall paßt das Format der ZDF-Sportreportage, mit ihrer kontinuierlichen Spurensuche auch jenseits der Tagesaktualität, zu Petkovic und ihrem eigensinnigen, freigeistigen Charakter. Genau so wie die Sendung selbst spürte Querdenkerin Petkovic in der Vergangenheit – bei ihren journalistischen Ausflügen - auch gern mal Seltsames, Schrulliges und Spleeniges in der großen, weiten Welt des Sports auf. Einschließlich der faszinierenden, spannenden Bandbreite von Typen, die diese Welt bevölkern. Einen wie den Fußball-Lehrer Thomas Tuchel würde sie beispielsweise „liebend gern“ interviewen, der wäre ein „Traumkandidat“, sagte sie der „dpa“.

„Zwei Stunden Wozniacki, eine Stunde Weimarer Republik"

Petkovic ist seit ihrem Erscheinen auf der Tennisbühne, das inzwischen schon fast anderthalb Jahrzehnte zurückliegt, ein Liebling der Medien gewesen – in guten wie in schlechten Zeiten. Sie hatte aus eigenem Erleben stets mehr zu sagen als andere, ob nun als Greenhorn im Teenageralter, ob später als gestandene, gereifte, erfahrene Kraft im Tourbetrieb. Es hatte auch damit zu tun, dass sie sich lange Zeit gar nicht darüber im Klaren war, ob Tennis jemals ihr Brot-und-Butter-Beruf werden könnte. Petkovic hatte oft nebenher „was am Laufen“, wie sie selbst sagte: Ein Praktikum in der hessischen Staatskanzlei, als Roland Koch dort noch Regierungschef war. Ein Studium der Politwissenschaften, das dazu führte, dass Petkovic einmal bei einem Turnier in Miami ihren Tagesablauf so schilderte: „Zwei Stunden Wozniacki, eine Stunde Weimarer Republik. Zwei Stunden Jankovic, eine Stunde Kaiserreich.“

Später beschäftigte sich die einstige Weltranglisten-Neunte mit Philosophie, aber eben auch immer wieder mit dem Journalismus. Es war auch eine Therapie, um die Monotonie und den Streß des Tennis-Alltags abzumildern, die immer gleichen Reisen an die immer gleichen Standorte – das Herumjetten über Kontinente und durch Zeitzonen. Aus den üblichen Ritualen der Kolleginnen verabschiedete sie sich rasch, las lieber ihre Bücher, wenn die Meute zur Players Party und ins Blitzlichtgewitter schritt. Allerdings machte sie aus diesem Anders-Sein nie eine Religion, schuf keine offensichtliche Distanz. Denn andererseits war und ist Petkovic auch immer eine begnadete Teamspielerin, eine, die sich in viele aufwühlende Centre Court-Schlachten für Deutschland stürzte. Sie war regelmäßig die Wortführerin der DTB-Auswahl, eine Frontfigur, auch wenn ihre Freundinnen Angelique Kerber und Julia Görges sie schon in der Weltrangliste überholt hatten. 

Liebe zum Tennis

Petkovic Tennisleben war oft von Rastlosigkeit geprägt, von teils übermäßigem Ehrgeiz, von immer neuen Comebackanläufen. Vom Drang, mehr noch der Welt da draußen als sich selbst zu beweisen, „wie gut ich eigentlich bin“. Inzwischen aber sei sie so weit, „sich nicht dauernd Fragen zu stellen und Druck zu machen“, so Petkovic, „irgendwann passierte was Verrücktes für mich: Ich spielte Tennis nur noch in dem Bewusstsein, dass ich diesen Sport so wahnsinnig liebe.“ Sie habe auch Klarheit gefunden über ihr Profil: „Ich bin keine für den Schönheitspreis da draußen. Ich bin die Fighterin. Die Spielerin, die beißt und kratzt“, sagte sie, „es muss bei mir auf dem Court so eine Geschichte von Blut, Schweiß und Tränen sein.“

Ein bisschen zu bunt war es Petkovic auch geworden mit den Nebenschauplätzen, die sie gern als Gesprächspartnerin bei ihren Tennis-Reisen streifte. Sie erzählte zwar auch weiter über Gott und die Welt, über Musik, Politik, Kultur und Business, über die Grünen oder Science Fiction, aber halt nur noch in homöpathischen Dosen. „Ich hatte das Gefühl, in der Schublade der Exotin zu stecken. Als die etwas schräge Tussi“, sagt Petkovic.

Sie wird das mit dem gesunden Mix wohl auch vor der Kamera so handhaben, an den ersten beiden Adventssonntagen und dann immer mal wieder 2020 - sie wird den Blick über den Tellerrand werfen, den Sport im größeren gesellschaftlichen Zusammenhang beschreiben. Aber das Kerngeschäft auch nicht vernachlässigen: Daten, Zahlen, Fakten, ja, das 1:0 oder 15:0. Und bei alldem wird sie eins sein und bleiben: Die Immer-noch-Tennisspielerin, die Frau, die in ihrem Beruf noch anspruchsvolle Ziele hat, zum Beispiel, „auch mal wieder ein schönes Turnier zu gewinnen.“ Auch noch mit 32 Jahren.

von Jörg Allmeroth

Freitag
29.11.2019, 15:21 Uhr
zuletzt bearbeitet: 29.11.2019, 17:10 Uhr