tennisnet.comATP › Grand Slam › French Open

French Open 2020: Rafael Nadal - Seriensieger als Weltmeister der Tiefstapelei

Rafael Nadal peilt bei den French Open 2020 seinen 13. Titel im Stade Roland Garros an. Unter neuen, für ihn wahrscheinlich erschwerten Bedingungen.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 27.09.2020, 08:58 Uhr

Sind es die Bälle? Rafa ist vor den French Open 2020 leicht skeptisch
© Getty Images
Sind es die Bälle? Rafa ist vor den French Open 2020 leicht skeptisch

Der Weltmeister der Tiefstapelei war mal wieder in Bestform. Rafael Nadal, der Champion auch des krassen Understatements, hatte die gewohnt abwiegelnden, beschwichtigenden, dämpfenden Phrasen im Gepäck, als er am Wochenende zum üblichen Medienpalaver vor den ersten Ballwechseln von Roland Garros erschien. Die French Open 2020? „So schwierig nie.“ Der Termin im aufziehenden Herbst? „Es ist sehr, sehr kalt. Es wird eine extreme Herausforderung.“ Die neuen Bälle? „Zu schwer. Ein großer Nachteil für mich.“ Die eigene Favoritenrolle? „Gibt es nicht. Das wird der härteste Weg zum Titel überhaupt für mich."

Nadal klingt nie wie der Mann, der er in Wahrheit ist. Auch nach zwölf erfolgreichen Pokalmissionen unterm Eiffelturm beruhigt sich der inzwischen 34-jährige Matador am liebsten, indem er seine Chancen und Perspektiven klein redet. Aber auch in diesem ganz besonderen Jahr, in dem die Welt des Tennis und die Welt überhaupt auf den Kopf gestellt ist, geht bei der Kür des Sandplatzkönigs kein Weg an ihm vorbei – am besten Spieler in der Spezialdisziplin dieses Sports. „Erst kommt Rafa, dann kommt lange, lange Zeit nichts. Und dann kommen andere, die den Titel gewinnen können“, sagt Dominic Thiem. Der 27-jährige Österreicher ist nicht irgendein Marktteilnehmer im Profitennis, der seine Einschätzung formuliert. Sondern der aktuelle US Open-Sieger. Und der Mann, der nach allgemeiner Brancheneinschätzung der kongeniale Erbe Nadals bei den Rutschpartien ist.

Nadal zuletzt mit Titel-Hattrick

19 Jahre nach dem Gewinn der ersten fünf Weltranglistenpunkte beim ATP-Turnier von Sevilla ist Nadal der machtvollste Sandplatzspieler aller Zeiten geworden. Kein Profi hat jemals einen einzelnen Grand-Slam-Wettbewerb so beherrscht wie der bullige Mallorquiner die French Open, 93 von 95 Matches hat er gewonnen im Stade Roland Garros, draußen im Westen der französischen Hauptstadt. Jenseits seines 30. Geburtstages legte er zuletzt noch einmal einen sauberen Hattrick hin, mit Finalsiegen über Stan Wawrinka (2017) und Thiem (2018 und 2019).

2020, unter den herausfordernden Corona-Bedingungen, könnte Nadals Anlauf zum nächsten Triumph schwerer werden. Aber auch nach seinem nicht ganz unerwarteten Patzer in Rom, der Viertelfinal-Niederlage gegen den wuseligen Argentinier Diego Schwartzman, ist er weiter der haushohe Favorit – nicht zuletzt wegen des Best-of-Five-Modus bei den Grand Slam-Wettbewerben. „Solange Nadal Tennis in Paris spielt, wird es im Tennis nichts Schwereres geben, als ihn dort über drei Gewinnsätze zu schlagen“, sagt der zweimalige French Open-Gewinner Jim Courier (USA). Was sich in Rom noch als Nachteil erwies, die fehlende Wettkampfpraxis und die erweiterte Turnierpause, könnte sich in Paris noch als Plus erweisen, bei den erwartet zähen und langwierigen Auseinandersetzungen auf den herbstlich schweren Courts.

Verzicht auf die Grand-Slam-Blase in New York

Rund 200 Tage lang hatte Nadal im Zuge der Corona-Pandemie pausiert und sich nach dem Lockdown auch fürs Profitennis weitestgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, man hörte und sah nicht viel von ihm. Und wenn man betrachtete, wie andere von Skandälchen zu Problemchen herumstolperten und sich blamierten, war diese Stille um den bloß auf dem Court lautstarken Fighter auch sehr wohltuend. Die Terminhatz im Spätsommer und Herbst beantwortete der Mallorquiner dann auch auf seine Weise: Obwohl in New York, bei den US Open, die Titelverteidigung für ihn anstand, verzichtete er auf die Reise ins Ungewisse, in die Grand-Slam-Blase. Er begründete die Entscheidung mit der „Vorsicht“, die er angesichts der Zustände in Amerika walten lassen wolle. Der eigentliche Hintergrund lag allerdings auf der Hand: Nadal fokussierte seine ganzen Grand Slam-Anstrengungen auf Paris, dort rechnet er sich nun die weitaus besseren Chancen aus.

Seit er 2005, gerade 19 Jahre alt geworden, zum ersten Mal den „Coupe des Mousquetaires“ in die Höhe reckte, nach einem Finalsieg gegen den Argentinier Mariano Puerta, ist der Matador zum Schrecken und Spielverderber für ganze Spielergenerationen unterm Eiffelturm geworden. Allein vier Mal gewann Nadal im Pariser Finale gegen seinen größten Karrieregegner und Freund Roger Federer. Paris 2020, es könnte nun auch zum historischen Moment für Nadal werden: Gewinnt er, zieht er zum ersten Mal in seiner Karriere nach Grand-Slam-Titeln mit Federer gleich. Beide hätten dann 20 Pokale in ihrem Trophäenschrank stehen – und für Nadal ist, anders als für den 39-jährigen Federer, das Ende der Jagd noch nicht in Sicht.

Hier das Einzel-Tableau der Männer

von Jörg Allmeroth

Sonntag
27.09.2020, 11:40 Uhr
zuletzt bearbeitet: 27.09.2020, 08:58 Uhr