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French Open 2021: Stefanos Tsitsipas - Sonnengott mit harter Arbeitsmoral

Stefanos Tsitsipas kann am Freitag (live bei ServusTV und in unserem Liveticker) einen neuen Meilenstein in seiner Karriere setzen. Bei einem Sieg gegen Alexander Zverev bei den French Open stünde der Grieche erstmals in einem Grand-Slam-Endspiel.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 10.06.2021, 14:14 Uhr

Stefanos Tsitsipas möchte in sein erstes Grand-Slam-Finale
© Getty Images
Stefanos Tsitsipas möchte in sein erstes Grand-Slam-Finale

Im Universum der Sozialen Medien präsentiert sich Stefanos Tsitsipas nur allzu gerne wie ein lässiger Sonnengott: Mit wehender Mähne und freiem Oberkörper spricht der Tennis-Weltklassespieler in den aufwändigen Clips zu seinen Jüngerinnen und Jüngern, dekorativ stellt er dabei auch die ausgebildeten Muskelpakete zur Schau. „Wild und frei“ (Wild and free) ist das Lieblingsmotto des jungen Mannes, der auf den ersten oberflächlichen Blick eher wie ein Beachboy, ein Surfguru oder ein Bodybuilder daherkommt. Aber meist geht es dem nominell fünftbesten Tennisspieler der Welt als Influencer um Themen jenseits des Sports, so spricht er in der Pose des nachdenklichen Philosophen beispielsweise auch schon mal über die Vermüllung der Meere, den Klimawandel oder die Umweltzerstörung in der Amazonas-Region.

Tsitsipas hat einiges zu verkünden, er hat ein ausgeprägtes Sendungsbewußtsein genau so wie einen selten lahmenden Mitteilungsdrang. „Wenn du groß denkst, kannst du auch Großes erreichen“, diesem Credo fühlt sich der Aufsteiger im Leben wie im Sport verhaftet, ein Charakterkopf allerdings, der, ganz profan, im steuerarmen Monte Carlo eine zweite Heimat gefunden hat. Und der damit in dem kleinen Fürstentum am Mittelmeer praktisch ein Nachbar des Kollegen ist, dem er heute in Paris auf dem Centre Court den Spaß verderben will. Tsitsipas kontra Alexander Zverev lautet das Grand Slam-Halbfinale, eines der wichtigsten Spiele in der Karriere der beiden NextGeneration-Könner. Ein Match, das Spannung, Spektakel, Drama verspricht, womöglich über die volle Distanz. „Ich fühle mich bereit, hier den Weg bis zum Ende zu gehen“, sagt Tsitsipas, der im persönlichen Vergleich mit 5:2 gegen den deutschen Hünen führt.

Tsitsipas und Zverev kommen sich im Laver Cup näher

Tsitsipas und Zverev sind sich nicht in herzlicher Abneigung verbunden, sie gewannen sogar schon einmal Seit´ an Seit´ in der europäischen Auswahl beim Tennis-Kampf der Kontinente – dem sogenannten Laver Cup, einem vergnüglichen Showwettbewerb der Branchenstars. Dicke Freunde allerdings sind der 22-jährige Grieche und der 24-jährige Deutsche auch nicht, ab und zu gab es auch schon mal bleihaltige Luft zwischen den ehrgeizigen Youngstern. So etwa beim Masters-Turnier in Kanada vor drei Jahren, bei dem Zverev nach seiner schmerzhaften Niederlage gegen den jüngen Griechen die Qualität der Partie abschätzig als „absolute Katastrophe“ geißelte. Tsitsipas war nicht amüsiert und konterte im kleinen Kreis schließlich trocken, auch Verlieren sei eine Kunst. 

Tsitsipas erscheint auf den ersten Blick wie ein Lebemann, der auch mal Fünfe gerade sein läßt. Gerade in den Anfangsjahren im Wanderzirkus ließen sich viele, auch etablierte Kräfte, von der Hippie-Anmutung des Newcomers blenden, glaubten, es fehle ihm am nötigen Ernst, an der nötigen Konsequenz für eine strahlende Karriere in der eisenharten Konkurrenzwelt. Doch hinter Tsitsipas´ Aufstieg steckt hartes Arbeitsethos, Willensstärke, auch enormes Durchsetzungsvermögen. Spätestens mit seinem WM-Sieg 2019, bei dem er den Titel von Zverev erbte, waren die Zweifler und Pessimisten eines Besseren belehrt, es war der frühe Durchbruch für den Kreativkünstler, der sich in der Weltspitze etablierte und besonders gegen die Stärksten immer wieder bemerkenswerte Siege festschrieb. 

Wilander lobt den Griechen

Ganz wie bei seinen außersportlichen Aktivitäten, die zwischen Klamauk, Nonsens, Ernsthaftigkeit und politischem Bekennermut changieren, ist Tsitsipas auch auf den Courts nur schwer festzulegen – er sei da „im besten Sinne ein Mann mit vielen Gesichtern“, sagt der schwedische Ex-Nummer 1-Spieler Mats Wilander, „er hat in jedem Moment viele Optionen, hat stets das Zeug, dich zu überraschen und auf dem falschen Fuß zu erwischen.“ Sein Mentor, der Akademiebetreiber und Serena Williams-Coach Patrick Mouratouglu, sagt über Tsitsipas: „Er hat das Gesamtpaket, um die Tenniswelt zu erobern. Er ist cool, er ist kreativ, er hat fast immer die richtige Lösung für ein Problem.“ Allerdings leidet er unter einem Phänomen, das viele der artistisch-vielseitigen Spieler kennen, das Phänomen, sich zwischen vielen Optionen aus dem eigenen Schlagarsenal entscheiden zu müssen. „Manchmal“, sagt TV-Experte Boris Becker, „führt das dazu, dass du deine Linie verlierst – und dann das Spiel.“

Tsitsipas und Zverev sind beide mit glänzenden Resultaten und einer verheißungsvollen Sandplatzform nach Paris gekommen. Nichts überrascht an diesem Halbfinalduell der beiden Ü25-Spieler, die im Vorfeld beide ein Masters-Turnier auf Sand gewannen (Zverev in Madrid, Tsitsipas in Monte Carlo). Tsitsipas siegte jüngst auch in Lyon, direkt vor den French Open, es war eine weitere Bestätigung dieses insgesamt guten Tennisjahres, das mit einer Halbfinalteilnahme bei den schwierigen Australian Open begonnen hatte. „Sehr zufrieden“ sei er bisher mit der Saison, sagt der 22-jährige, „aber es darf durchaus noch weiter aufwärts gehen.“ Am besten gleich in Paris, mit dem Einzug ins erste Grand-Slam-Finale.

Hier das Einzel-Tableau in Roland Garros

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