French Open 2022: Nadal, Djokovic - Gedanken zu Nummer 59
Was für eine Nacht, was für ein Match, was für ein Sieger. Das Viertelfinale zwischen Rafael Nadal und Novak Djokovic bei den French Open 2022 war das Highlight des bisherigen Tennisjahres.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
01.06.2022, 07:52 Uhr

Von Jens Huiber aus Roland Garros
Wenn die Nächte lang und schon fast wieder zum Tag werden, dann häufen sich ziemlich viele verschiedene Eindrücke an. Ein wahlloser Überblick über einen unvergesslichen Abend in Roland Garros.
- Egal, wen man vor dem Match auf der Anlage getroffen hat, die Vorhersage für den Abend war: Nadal wird möglicherweise einen Satz gewinnen. Das Match ganz sicher nicht ….
- War es das erste Mal überhaupt in Roland Garros, dass Rafael Nadal nicht als Favorit ins Rennen gegangen ist?
- Kälte hin oder her: Schon mit dem allerersten Spiel haben Nadal und Djokovic das Publikum und sich selbst auf Temperatur gebracht.
- Der Respekt zwischen den beiden ist enorm. Und auch die Wachsamkeit. Es wird keine Energie auf Nebenschauplätzen vergeudet. Nicht gehadert (ok: Djokovic war mit seiner Rückhand beim ersten Satzball im vierten nicht happy). Ganz selten ein Abdruck überprüft.
- Wo kommt die Geschwindigkeit bei den Aufschlägen von Djokovic her? Das ist eine ganz sparsame, unspektakuläre Bewegung. Mit erstaunlicher Wirkung. Auch am Abend mit langsamen Bällen.
- Rafael Nadal wird von den Fans in Roland Garros nicht bloß geliebt. Er wird vergöttert. An der Stirnseite ganz oben unter den Kabinen für die TV-Reporter ist ein Lautstärkenmesser aufgebaut. Bei Nadal-Punkten geht der regelmäßig über 100 Dezibel hinaus.
- Es sind in erster Linie junge Männer im circa gleichen Alter wie Nadal (nur nicht in derselben körperlichen Verfassung), die bei den Punkten vom Matador am meisten Radau machen. Und eine Gruppe von weiß gekleideten Fans, die offenbar für jede Night Session Tickets gelöst haben. Und mit Trompeten gekommen sind.
- Ist Ion Tiriac der größte Tennisfan mit dem besten Sitzplatz aller Zeiten?
- Dass der Ausgleich von Djokovic zum 3:3 im zweiten Satz nach einem unglaublichen Hin und Her nicht das ganze Match gedreht hat: auch ein Beleg dafür, wie mental stark Nadal ist.
- Schiedsrichter Damien Dumusois ermahnt Nadal früh wegen Zeitspiels. Und sagt danach die Spielstände einfach ein bisserl später an.
- Rafa hat, wie immer, vier Handtücher an den Seitenbanden drapiert. Ja: „drapiert“. Nach Benutzung werden die Handtücher wieder einmal gefaltet und ordentlich zurückgelegt.
- Zum wiederholten Mal bietet Djokovic in ganz großen Matches seinen Gegnern wie aus dem Nichts etwas an. Das war so bei Olympia gegen Alexander Zverev, bei den US Open gegen Daniil Medvedev. Und auch diesmal im vierten Satz, wo Djokovic eigentlich der fittere Spieler war.
- JournalistInnen sind auch nur Menschen. Und Tennisfans. Die Presseplätze sind ab dem ersten Punkt besetzt. Dieses Match kann man sich aber auch im Stehen mit Blick durch zwei Fotografen anschauen.

- Bitte keine Diskussionen über das Best-of-Five-Format. Das macht den Tennissport so besonders.
- Das Match hat im Mai begonnen. Und ist im Juni zu Ende gegangen. Was am Ende gar nicht so überraschend war.
- Was auch immer der Grund dafür ist, dass Nadal bei seinen Pressekonferenzen ein Kapperl trägt: Irgendwie macht ihn das kleiner. Was gut ist. Sonst würde sein Charisma den Presseraum sprengen.
- Größe auch nach dem Match. Djokovic: „Ich habe heute gegen einen besseren Spieler verloren.“ Nadal: „Ich habe noch nichts gewonnen. Das war nur ein Viertelfinale.“ Aber was für eines!