Carina Witthöft – Die Entdeckung der Saison
Carina Witthöft startet auch bei den French Open mit einer starken Leistung ins Turnier.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
26.05.2015, 11:16 Uhr

Von Jörg Allmeroth
Als das spektakuläre Wimbledon-Turnier des Jahres 2013 begann, rückte nicht gleich eine gewisse Sabine Lisicki in den Blickpunkt, sondern eine ganz andere, völlig unbekannte Deutsche. Doch nach drei schwer erkämpften Qualifikationssiegen stand auf einmal Carina Witthöft als eine der jüngsten Teilnehmerinnen überhaupt im Hauptfeld der Offenen Englischen Meisterschaftenn – und spielte natürlich, Los und Schicksal wollten es so, gegen die 42-jährige Veteranin Kimiko Date-Krumm (Japan), eine Frau, die noch mit Steffi Graf gemeinsam auf dem Tennisplatz gestanden hatte. „Es war, als wäre ich gegen meine eigene Mutter angetreten“, sagt Witthöft. Damals war sie selbst die Nummer 194 der Weltrangliste und bezahlte noch richtig Lehrgeld bei der 0:6,-2:6-Niederlage gegen die schlaue Altmeisterin Date-Krumm.
Knapp zwei Jahre später ist Witthöft zwar immer noch auf einer Art Entdeckungstour im großen Wanderzirkus der Tennisprofis, aber selbst auch die deutsche Entdeckung der Saison 2015: Nicht mit Riesenschritten, aber stetig und beharrlich rückt die inzwischen 20-jährige Hamburgerin immer weiter nach vorn in der Hackordnung des Welttennis, angetrieben von mächtig Ehrgeiz, Fleiß und Durchsetzungswillen im harten Profirevier. „Ich habe große Ziele, und die verfolge ich konsequent“, sagt die Blondine, die nach einem 6:3,-7:5-Sieg gegen die Tschechin Katerina Siniakova in die zweite French-Open-Runde marschierte und dort auf die 2012er-Finalistin Sara Errani aus Italien trifft. Eine äußerst knifflige Herausforderung für Witthöft, aber auch ein Spiel mit leichtem Überraschungspotenzial für das Nordlicht, das selbst immerhin schon auf Platz 56 der Tennis-Hitliste geführt wird.
Selbstbewusstsein in der Zweiten Liga
Von denen, die in der zweiten Reihe des deutschen Frauentennis stehen, also hinter dem Establishment der Fed-Cup-Spielerinnen umAndrea Petkovic,Angelique Kerber,Sabine LisickiundJulia Görges, hat Witthöft in den letzten Monaten den größten Schritt nach vorne gemacht - und sich fast schon in die erweiterte Weltspitze vorgespielt. „Carina hat den nötigen Biss und Mumm, sie ist keine, die Kompromisse in ihrer Karriere macht“, sagt Bundestrainerin Barbara Rittner, die selbst hin und wieder als Nebencoach bei Witthöft einspringt. Schon bei den Australian Open hatte Witthöft zu Jahresbeginn überzeugt, war mit ihrem Drittrundeneinzug neben Achtelfinalistin Görges die einzig erfreuliche Erscheinung im deutschen Gastspielensemble gewesen.
Während es bei anderen deutschen Talenten zu viel störende Nebengeräusche gab - Trainerwechsel, familiäre Reibungen – und oft auch strategische Fehlentscheidungen bei der Turnierplanung, läuft das Projekt Profitennis im Hause Witthöft auf gleichmäßigen Touren, gleichmäßig hoch, ohne Überdrehung. Um sich das nötige Selbstbewusstsein zu holen, wechselt Witthöft auch immer mal wieder in die Zweite Liga hinab, weg von der großen Tour, zu ITF-Turnieren. Erst kürzlich gewann sie ein 100.000-Dollar-Turnier in Frankreich, nahm, wie sie sagte, „ordentlich Rückenwind“ für den heißen Tennis-Frühling und – Sommer mit.
Witthöft in der Wohlfühloase
Unterstützt wird Witthöft dabei von ihrer ganzen Familie, in der alle vom Tennisfieber erfasst sind, kein Wunder, betreiben Vater Kai und Mutter Gaby doch um die Hansestadt zwei Tennis-Ausbildungsstätten. Dass sie neuerdings bei den großen Matches und bei den Big Points noch besser und entspannter spiele, habe auch mit dem Einfluss ihrer Mutter zu tun: „Sie beschäftigt sich viel mit mentalem Coaching. Und hat mir sehr stark geholfen.“ Auch ihr Freund Philipp ist im Betreuerteam eingespannt, als Fitnesstrainer. „Für mich ist es wichtig, Menschen um mich zu haben, denen ich vertrauen kann“, sagt Witthöft, „Menschen, denen auch ich wichtig und wertvoll bin.“
Mit den „schnellsten Beinen seit Steffi Graf“ (Fed-Cup-Chefin Rittner) hatte sich auch die 21-jährigeAnnika Beckschon einmal für höhere Aufgaben im Welttennis empfohlen, doch nach bemerkenswerten Anfangserfolgen auf der Tour folgte ein schleichender Absturz fast übers ganze Jahr 2014 und in den ersten Monaten der laufenden Spielserie. Nach der Trennung von Coach Robert Orlik setzte die French-Open-Juniorensiegerin des Jahres 2012 nun am passenden Ort ein Ausrufezeichen,schlug zum Grand-Slam-Auftakt die kriselnde ehemalige Weltranglisten-Zweite Agnieszka Radwanska (Polen) in drei Sätzen. Und zwar mit Tennis, das nicht nur aus Abwarten auf gegnerische Fehler, sondern eigenem Vorwärtsdrang und ideenreicher Offensivkraft bestand. „Es reicht nicht, nur den Ball reinzuspielen“, befand Beck trocken, „ich hoffe, dass die Zeit der Frustrationen jetzt auch mal zu Ende ist.“
Hier die Damen-Ergebnisse von den French Open.