French Open: Dominic Thiem - Subtiler Gruß an uns Daenerys-Jünger?
Dominic Thiem hat gegen Casper Ruud phasenweise außerirdisches Tennis gespielt. Teilt der US-Open-Champ am Ende aber gar eine Leidenschaft mit uns Normalsterblichen?
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
03.10.2020, 09:15 Uhr

Wie hat es schon Dr. Evil in einem der im Nachhinein betrachtet gar nicht mal so großartigen Teile der „Austin Powers“-Reihe auf den Punkt gebracht? „Need the info.“ Genau. So geht es all jenen Berichterstattern auch, die es in die digitale Bubble der French Open 2020 geschafft haben, vor ein paar Wochen in New York City war es nicht anders. Unter normalen Umständen würde der geneigte Schreiberling sich den Trainingsplan der für ihn interessanten SpielerInnen organisieren, dem unterschätzten Gewerbe des Kiebitzes nachgehen, und von Court 17 im Trainingscenter „Jean Bouin“ Informationen mitbringen, die man für Geld nicht kaufen kann (auch, weil sie nix wert sind).
So aber tummeln sich bei (technisch exzellent funktionierenden) virtuellen Pressekonferenzen zahlreiche Edelfedern im Home Office, die um die Gunst des real existierenden, aber nur selten sichtbaren Moderators buhlen, um diese eine, die alles entscheidende Frage an den Helden oder die Heroin des Tages stellen zu dürfen. Je später im Turnier, umso größer wird die Heerschar von uns Keyboard-Artisten: Wer sich beim lapidaren Erstrunden-Sieg von Dominic Thiem gegen Marin Cilic noch vornehm zurückgehalten hat, hebt nach dem beeindruckenden Erfolg gegen Casper Ruud seine virtuelle Hand und geht verbal derart steil, dass Thiem mindestens so konzentriert kontern muss wie in der Anfangsphase gegen den Norweger.
Alleine: Die wirklich entscheidende Frage fällt nicht. Weil der Verfasser sich zu spät in die Essensausgabe eingereiht hat, kein Krümel an Thiem-Wortspenden mehr übrig war.
Dominic Thiem in der Tradition von Jon Snow
Dabei hatte Dominic Thiem in seinem On-Court-Interview mit Cedric Pioline eine Ansage gemacht, die von King´s Landing bis zur Nachtwache hoch im Norden Angst- und Kälteschauer über viele (zu) behaarte Männerrücken gebracht hätte: „Winter is coming.“ Das lässt niemanden aus dem Clan der Starks, nun ja, kalt, so eine Aussage weckt bei allen Aficionados von „Game of Thrones“ Begehrlichkeiten, und nicht zuletzt den inneren Tyrion Lannister, der sich für schlauer als den Rest der Welt hält, nur um immer wieder auf´s Neue herauszufinden, dass dies der Welt herzlich Wurst ist.
Was wissen wir also über Dominic Thiem? Früher einmal, da hat er sich mit Jan-Lennard Struff über eine deutsche TV-Serie detailliert austauschen können. „Alarm für Cobra 11“ könnte es gewesen sein, wenn die Erinnerung nicht täuscht. Der Weg von deutschen Autobahnen nach Winterfell ist zwar steinig, aber für jemanden, der wie Jon Snow durch das Tableau in New York gepflügt ist (edel, fair und erfolgreich; ja, Spoiler-Alert, wie der gute Jon ist auch der gute Dominic von den Toten wieder zurückgekommen, im Endspiel gegen Sascha Zverev), keine Unmöglichkeit.
Naomi Osaka - die stärkste Frau der Welt
Gerne hätte man also nachgefragt, an wen die subtile Botschaft gerichtet war: An Team Daenerys, das durch leichte Verwerfungen der Drachenkönigin in der letzten Staffel zahlenmäßig geschrumpft sein könnte? An Team Sansa, die wie Naomi Osaka 2018 in New York aus einer zurückhaltenden Position heraus zur stärksten Frau der Welt geworden ist? Oder aber an Team Hound, für das jedes andere Ergebnis als ein zwei- bis dreifaches 6:0 einer persönlichen Beleidigung gleichkommt?
Man weiß es nicht, vielleicht kommt ja noch einmal die Gelegenheit, der Sache auf den Grund zu gehen. Vielleicht hätte man aber auch nur genauer hinhören sollen: Genau genommen hat Dominic Thiem auf dem Court Philippe-Chatrier nämlich gesagt „The Winter is coming.“ Ein Wort Unterschied zwar nur, aber was für einer! Denn damit hätten weder die Starks, die Lannisters oder die Targaryans etwas anfangen können.
Hier das Einzel-Tableau bei den French Open