Eric van Harpen über Andrea Petkovic - „Sie ist so ein Riesentyp“
Eric van Harpen, der Trainer von Andrea Petkovic, spricht über die Zusammenarbeit mit seinem Schützling.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
03.06.2014, 20:56 Uhr

Eric van Harpen (70) gehört zu den bekanntesten Tennistrainern der Welt. Der Holländer, der in den 60er Jahren bei Rot-Weiss Oberhausen als Torwart spielte, war als Coach u.a. für WimbledonsiegerinConchita Martinez(Spanien),Patty Schnyder(Schweiz) undAnna Kournikova
(Russland) tätig. Seit Anfang März arbeitet van Harpen als Trainer fürFrench-Open-Viertelfinalistin Andrea Petkovic.
Herr van Harpen, was hat Sie mit 70 Jahren noch einmal ins Profigeschäft zurückgezogen, an die Seite von Andrea Petkovic?
Eric van Harpen: In meinem Alter macht man nicht mehr alles mit. Es gab nicht viele Spielerinnen, für die ich zu einem solchen Job angetreten wäre.Ana Ivanovic,Lucie Safarova. Und eben Andrea. Spielerinnen, die das gewisse Etwas und Charakter haben.
Und wer hat diesen Deal eingefädelt?
Van Harpen: Barbara Rittner hat das vermittelt. Sie hat in ihrer eigenen Profizeit mal bei mir mittrainiert, als ich Conchita Martinez betreute. Sie schätzt meine Arbeit. Und sie war der Meinung, dass Andrea einen Impuls von außen brauchte, einen erfahrenen Trainer.
Wie läuft die Arbeit mit Petkovic?
Van Harpen: Ich habe eine fantastische Zeit mit mir. Sie ist so ein Riesentyp, eine wirklich faszinierende Person. Und sie verträgt eine harte Ansprache, das ist nicht unwichtig. Sie ist kein Sensibelchen. Manchmal macht sie etwas Verrücktes, dann sage ich: Was tust Du da
eigentlich gerade, bist Du irre. Aber sie versteht dann immer, wie ich es meine.
Sie waren schon immer für klare Worte bekannt, galten sogar als Schleifer in der Branche.
Van Harpen: Ach Gott, wissen Sie, das sind so Etiketten, die einem angeheftet werden. Ich finde, Direktheit gehört zu einer solchen Arbeit. Wenn ein Coach rumdruckst und nicht klarmacht, was er von einer Spielerin verlangt, hat es keinen Sinn. Und es ist wichtig, dass ein Profi sich auch professionell verhält und die Erfahrung eines Trainers nutzt. Wozu bezahlt ein Spieler einen Trainer, wenn er seine Anweisungen ignoriert - das gibt doch keinen Sinn.
Petkovic fällt, anders als etwa ihre einstige Schülerin Kournikova, nicht in diese Kategorie?
Van Harpen: Andrea ist absolut hungrig aufs Lernen. Sie will Tennis einfach noch besser verstehen. Noch mehr aus ihrem Potenzial machen. Werde ich mal deutlicher im Training, weiß sie, dass es ihr hilft. Sie ist dann überhaupt nicht eingeschnappt. Sie kann auch über sich selbst lachen. Kürzlich habe ich ihr mal gesagt: Du läufst rum wie Balu, der Bär. Da konnte sie sich nicht mehr einkriegen.
Petkovic sagt, sie genieße es, wieder im großen Tennis angekommen zu sein.
Van Harpen: Oh ja, das ist das Allerwichtigste für sie. Das Gefühl, wieder vorne dabei zu sein. Sie will nicht auf Platz 38 oder 42 stehen, sie will ins Licht, sie will zu den Besten gehören. Centre Court ist ihre Welt, nicht ein Außenplatz in der Pampa. Dass sie jetzt unter den letzten Acht in Paris ist, bedeutet, dass auch eine große Last von ihr abfällt. Ich freue mich unheimlich für sie, weil sie so ein lieber Mensch ist.
Die Pariser Erfolge bringen Sie in der Rangliste wieder nach vorn, unter die Top 20.
Van Harpen: Und das ist wichtig. Weil du in allen Setzlisten besser dastehst. In Madrid dieses Jahr traf sie gleich in der ersten Runde auf die Top-Ten-Spielerin Errani, schied aus und machte keine Punkte. Bei anderen Turnieren war sie erst gar nicht im Hauptfeld. Das wird sich nun ändern, da fällt das Leben gleich viel leichter, wenn du nicht sofort diese Hammergegnerinnen hast.
Was wollen Sie am Spiel Petkovics ändern?
Van Harpen: Sie muss ihre technischen Möglichkeiten noch viel besser einsetzen, flexibler werden. Sie spielt wie jemand, der das ganze ABC drauf hat, aber nur dreiviertel der Buchstaben benutzt. Es geht auch darum, die Marge der Punkte, die ins Feld gehen, zu erhöhen. Nicht unbedingt Prozenttennis, Sicherheitstennis. Aber mehr Kontrolle, mehr Souveränität. Ich habe ihr schon angedroht: Du bezahlst künftig zehn Euro für jeden Schlag, der im Netz landet. Außerdem soll sie aggressiver werden. Sie wartet oft einfach auf den Ball, bis der zu ihr kommt.
Petkovic wurde auch schon dafür kritisiert, zu eindimensional zu spielen.
Van Harpen: So hart kann man das keinesfalls sagen. Aber sie muss eben ihre großen Talente noch besser auf den Platz bringen. Ich sage zu ihr: Du bist superintelligent, aber zeig´ diese Intelligenz auch auf dem Platz. Ich bin erst dann zufrieden, wenn die Leute sagen: Mannomann, spielt die schlau, spielt die unberechenbar.
Sie wollen angeblich einen Spezialtrainer holen. Ziel: Petkovic noch schneller zu machen.
Van Harpen: Ja, darüber denke ich nach. Sie muss schnellere Schritte machen, zum Ball hin und ruckzuck wieder weg, tänzelnd, ganz flink. Das fehlt ihr noch.
Bis weit in diese Saison hinein hat Petkovic keine großen Punktepolster mehr zu verteidigen. Was ist noch drin?
Van Harpen: Paris gibt ihr Rückenwind, ganz sicher. Das Erreichen des Viertelfinals ist eine Ansage auch an die Konkurrenz vorne: Ich bin wieder da. Mit mir müsst ihr rechnen. Ich hoffe, sie kann diese größere Autorität dann auch einsetzen.
Das Gespräch führte Jörg Allmeroth in Paris.
