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Henri Leconte – „John McEnroe hat meine Mutter beleidigt!“

Der französische Tennis-Held spricht über sein schwieriges Verhältnis zum heimischen Publikum und eine Beinahe-Schlägerei mit John McEnroe.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 02.06.2016, 11:35 Uhr

Henri Leconteist neben Mansour Bahrami und Landsmann Yannick Noah heutzutage vor allem als Spaßmacher auf der Senior-Tour unterwegs. Dennoch war der Franzose mit dem feinen Händchen auch als „seriöser“ Spieler erfolgreich und schaffte es 1986 bis auf Platz 5 der Welt.

Buhrufe im French-Open-Finale gegen Mats Wilander

Trotz Spaß und Erfolg: Bei seinen Landsleuten war Leconte nicht immer beliebt, im Gegensatz zuYannick Noah. Leconte galt als schlampiges Genie, sein Erfolg war den Franzosen nie genug. Als er 1988 das French-Open-Finale in drei Sätzen gegen Mats Wilander verlor, hatte er gegen Ende sogar das eigene Publikum gegen sich. „Bei der Pressekonferenz wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Ich war so beschämt, dass die Zuschauer mich ausgebuht hatten. Es war der Horror. Die Leute haben mich sogar vorm Matchende ausgebuht. Sie haben einfach nicht gesehen, was an Arbeit dahintersteckt, an körperlicher Arbeit, und wie man mental leidet“, erklärte Leconte in einem Interview mit der französischen Sportzeitung „L'Équipe“.

Einige Monate später, im Finale von Paris-Becy gegen John McEnroe, erging es ihm ähnlich. Hier musste Leconte schon beim Aufwärmen Buhrufe einstecken. „Sogar die Leute in den Logen riefen: ‚Versage, du Idiot!’“

Der Davis-Cup-Sieg 1991 brachte die Wende

Seine Beziehungzum schwierigen französischen Publikumbesserte sich erst beim Davis-Cup-Triumph 1991, als Leconte verletzungsbedingt in der Weltrangliste weit abgeschlagen war. „Yannick kam zu mir und sagte, dass sie mich fürs Doppel brauchen. Ich habe gemerkt, dass sich etwas verändert hatte und habe wie verrückt mit Patrick Camague trainiert, habe wieder gelernt aufzuschlagen und zu laufen. Beim Training in Neuchâtel habe ich alle weggeputzt“, so Leconte, der im Duell gegen die USA gegen Pete Sampras nach einer klasse Leistung in drei Sätzen siegte und an der Seite von Guy Forget auch den vorentscheidenden Punkt im Doppel holte.

„Mit Ayrton Senna hatte ich darüber gesprochen, was es bedeutet, ‚in the zone’ zu sein. Er sagte mir: ‚Du musst ruhig bleiben und nicht noch mehr versuchen.’ Daran dachte ich, als ich spielte. Du hast Angst, dieses Gefühl wieder zu verlieren. Wie beim Pferderennen: Du musst deine Hände immer an den Zügeln halten und nicht zu aufgeregt werden.“

„Mit Connors hat man keine Witze gemacht“

Stichwort „aufgeregt“: Der härteste Gegner seiner Karriere sei indesJohn McEnroegewesen. „Es war die Hölle, gegen ihn zu spielen, weil du nie wusstest, was dich erwartet", so Leconte. „Seine Haltung, sein Aufschlag, alles. Er hat das Match gestoppt. Er hat diskutiert. Er hat jeden beleidigt. Das war normal, das war John McEnroe. Es war Teil dieser Ära. Da hat man sich mit den Schulter beim Seitenwechsel gerammt. Je mehr du dich hast ablenken lassen, umso besser hat er gespielt.“ Den Grund für McEnroes Verhalten hat Leconte aber ausgemacht. „John ist sehr schüchtern, deswegen hat er gerne provoziert. Es war sein Weg, sich zu beschützen. Heute sind wir gute Freunde.“

Der fieseste Gegner hingegen seiJimmy Connorsgewesen. „Auf dem Platz hätte er seine Mutter und seinen Vater gekillt. Er war grausam und gemein.“ Außerhalb des Platzes sei er jedoch gut mit Connors klargekommen, auch wenn der Unterschied zu McEnroe deutlich war. „John hat gebrüllt, aber danach hat man darüber gelacht. Mit Jimmy hat man keine Witze gemacht.“

„Schlag nicht daneben, sonst kille ich dich!“

Seinen größten Streit habe er dennoch mit McEnroe gehabt, kurioserweise bei einem Schaukampf, so Leconte. „Er fing an, über einen Ball zu diskutieren. Dann hat er meine Mutter beleidigt. Ich bin über das Netz gesprungen und stand ihm gegenüber. Habe gesagt: ‚Schau, John, ich respektiere dich als Spieler, aber nach dem, was du gerade gesagt hast, kann ich das nicht. Du bist verrückt, aber ich bin noch verrückter als du. Komm, hau mir eine rein, nur zu! Aber schlag nicht daneben, denn dann kille ich dich!’“

McEnroe habe sich daraufhin beim Schiedsrichter beschwert. „Er ist übers Netz gesprungen, er ist disqualifiziert!“ Leconte daraufhin: „Halt's Maul, das ist ein Schaukampf!“ Dieser Moment habe das Verhältnis der beiden jedoch ein für allemal geklärt. „An diesem Tag hat John Respekt vor mir bekommen“, so Leconte.

von tennisnet.com

Donnerstag
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