tennisnet.comATP › Grand Slam › French Open

Jimmy Connors und die wohl denkwürdigste Aufgabe der Tennisgeschichte

Bei den French Open 1991 spielte Jimmy Connors ein unvergessenes Match gegen Michael Chang – mit bitterem Ende.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 02.06.2016, 10:50 Uhr

Jimmy Connors (USA)

Roger Federerhat in seiner Karriere viele Rekorde aufgestellt. Auf eine Leistung ist der „Maestro“ aber besonders stolz: dass er in den all den Jahren als Profi nie ein Match aufgegeben hat, das er begonnen hat. Den Rekord vonJimmy Connorsmit den meisten Siegen auf der ATP-Tour (1256 Siege) wird Federer höchstwahrscheinlich nicht knacken. Und da wären wir auch schon beim legendären „Jimbo“, der vor 25 Jahren, bei den French Open 1991, für die wohl denkwürdigste Aufgabe der Tennisgeschichte sorgte.

Duell der Generationen bei den French Open 1991

Die Beziehung von Connors zu den French Open war schwierig. Es ist das einzige Grand-Slam-Turnier, das er nicht gewinnen konnte. Connors holte 1974 drei seiner insgesamt acht Grand-Slam-Titel. Die Verantwortlichen der French Open erlaubten Connors nicht die Teilnahme in Paris, da er zu diesem Zeitpunkt nicht Mitglied der ATP war. Die Chance auf den ersten Grand Slam seit Rod Laver war damit vertan. Zwischen 1974 und 1978 nahm der US-Amerikaner nicht an den French Open teil, sodass er einige gute Chancen zum Karriere-Grand-Slam nicht wahrnehmen konnte. Im Jahr 1991 war Connors’ Glanzzeit längst vorbei und die Aussicht auf den French-Open-Titel ohnehin nur Utopie. „Jimbo“ war zum damaligen Zeitpunkt 38 Jahre alt.

Doch fabelhaft Tennis spielen konnte er immer noch. Die French Open waren erst sein fünftes Turnier im Jahr. Als Nummer 324 im ATP-Ranking ging Connors in die Sandplatzfestspiele in Paris und spielte sich nach Siegen gegen Todd Witsken und Ronald Agenor in die dritte Runde vor. Dort wartete LandsmannMichael Chang,French-Open-Sieger von 1989. In seiner Biografie „The Outsider“ blickte Connors auf dieses denkwürdige Match zurück. „Der Sand in Paris war damals unglaublich langsam, was bedeutete, dass ich mehr Bälle pro Punkt schlagen musste, was ich eine lange Zeit nicht getan habe. Und nun spielte ich gegen Michael Chang, der knapp 20 Jahre jünger war. Das Thermometer stieg über 37 Grad, als ich den roten Sand von Roland Garros betrat, um Chang gegenüberzustehen. Einem Gegner, der vorbereitet war, den ganzen Tag dort draußen zu sein und nach jedem Ball zu rennen, wenn nötig.“

„Wenn du aufgeben musst, dann tue es, wenn du führst”

Connors ging bis an die Schmerzgrenze und bot dem 19-jährigen Chang einen heldenhaften Kampf. Im vierten Satz machte der 38-Jährige erstmals in seiner Karriere schlapp. „Ich hatte keine Idee, wer ich war oder was ich getan habe. Ich war fertig – Erschöpfung, Dehydration, alles. Dinge halbherzig zu machen passt nicht zu meiner Persönlichkeit. Ein Pärchen in der Zuschauermenge machte eine Bewegung, um zu gehen. ‚Geht nicht’, sage ich zu ihnen. ‚Das ist noch nicht zu Ende’. Ich breakte Chang zum 5:4 und hielt meinen Aufschlag, sodass es 2:2 nach Sätzen stand. Nach 3:31 Stunden stand ich meinem zweiten Fünfsatzmach in zwei Tagen gegenüber. Verwundet und erschöpft schleppte ich mich aus meinem Stuhl. Ich wusste, dass ich so weit gegangen bin, wie ich konnte. Mein Rücken war eingerostet, meine Sicht verzerrt, mein Kopf drehte sich. Töte oder werde getötet? Welches Arschloch hat das gesagt?

Während all dieser Monate mit Schmerzen und Schweiß, die mich zu diesem Moment in Paris gebracht hatten, konnte ich nur an eine Sache denken: das Turnier, das mich definierte, die US Open. New York im September. Weiterzumachen gegen Chang wäre verrückt gewesen, alles aufs Spiel zu setzen, wofür ich gearbeitet habe. Wenn ich es vermassle und mich verletze, wäre es das für den Sommer gewesen und vielleicht für immer. Ich hatte keine andere Wahl. Das Publikum wollte mehr. Ich dachte mir: ‚Komm. Michael, zeig’, was du hast’. Chang servierte den ersten Punkt im fünften Satz. Ich attackierte ihn mit meiner Rückhand und schickte den Ball genau auf die Grundlinie, worauf er keine Antwort hatte. Nun war ich fertig. Langsam ging ich zum Schiedsrichterstuhl von Bruno Rebeuh. Der Spielstand zeigte 4:6, 7:5, 6:2, 4:6, 0:15 an. Wenn du aufgeben musst, dann tue es, wenn du führst.“

„Wenn ich sage, ich kann nicht mehr spielen, dann kann ich nicht mehr spielen”

Und so machte es Connors auch. „Mein Rücken schmerzt. Ich habe mir den Hintern aufgerissen. Wenn ich sage, ich kann nicht mehr spielen, dann kann ich nicht mehr spielen. Ich kann einfach nicht mehr spielen“, sagte er zu Bruno Rebeuh, der daraufhin sicherlich zur großen Überraschung von Chang und des Publikums das Match für beendet erklärte. „Bill Norris, ein ATP-Arzt und einer meiner Freunde auf der Tour, half mir vom Platz. Als wir vom Platz gingen, stampften die Pariser mit den Füßen, jubelten und klatschten. Dieser Ort rockte. Sie wussten, was sie gerade gesehen hatten, und ich möchte glauben, dass sie ‚Danke’ sagten.“, schildete Connors in seiner Biografie. Währen der diesjährigen French Open sprach Bruno Rebeuh über dieses besondere Match. „Niemand hat es bemerkt, auch ich nicht. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass er aufgeben würde, aber er war komplett leer. Er blieb in der Umkleide für zwei Stunden mit einem Tropf. Es war das Überreichen der Fackel zwischen dem jungen Chang und dem alten Connors. Er ging raus mit Standing Ovations. Es war ein bewegender Moment.“

Hier könnt ihr euch die letzten Minuten des Matches anschauen.

Connors hatte die richtige Entscheidung getroffen und den Fortlauf seiner Karriere und die Teilnahme an seinen geliebten US Open nicht aufs Spiel gesetzt. Denn drei Monate später erlebte er in New York einen unglaublichen Lauf, von dem die Tenniswelt noch heute ehrfürchtig spricht. Connors spielte denkwürdige Matches, erreichte im Alter von 39 Jahren sensationell das Halbfinale bei den US Open und verwandelte Flushing Meadows in einen Hexenkessel. Es ist eine Leistung, die in Connors’ Karriere fast noch mehr hervorsticht als seine acht Grand-Slam-Titel und seine 1256 Siege auf der ATP-Tour.

Hier geht es zur Geschichte mit dem unglaublichen Lauf von Jimmy Connors bei den US Open 1991.

von tennisnet.com

Donnerstag
02.06.2016, 10:50 Uhr