Julien Benneteau – „Das französische Publikum hat keine Sportkultur“

Julien Benneteau übt im Zuge der French Open in Paris harte Kritik am französischen Publikum.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 08.06.2015, 10:15 Uhr

Nein, es ist definitiv nicht immer ein Vergnügen, gegen das französische Publikum spielen zu müssen. Julien Benneteau bleiben solche Erfahrungen als Lokalmatador natürlich erspart, der 33-Jährige weiß die Zuschauer bei Heimturnieren hinter sich, zumindest wenn es gegen einen Nicht-Franzosen geht. Obwohl also kein direkt Betroffener, übte der aus der ostfranzösischen Stadt Bourg-en-Bresse stammende Routinier, der die aktuelle Nummer 47 der Welt im Einzel und neun im Doppel ist, am Rande der French Open in Paris harte Kritik an der französischen Öffentlichkeit und damit auch seinen eigenen Fans.

Benneteau: „Es ist eine Schande!“

Der Anlass zu Benneteaus Wortspende? DassStan Wawrinkaim Halbfinal-Match gegen die letzte Hoffnung der Franzosen,Jo-Wilfried Tsonga, in der Schlussphase ausgepfiffen worden war. „Es ist eine Schande! Eine Schande!“, befand Benneteau gegenüber dem Hörfunksender „RMC“. Wawrinka war schon im November im Davis-Cup-Finale Frankreichs Spielverderber gewesen. „Er hat im Davis Cup nichts falsch gemacht“, erläuterte Benneteau jedoch klipp und klar. „Er hat eben gut gespielt und zwei Punkte für sein Land geholt, einen Punkt davon gegen mich. Es tut mir leid, aber das Publikum auf dem Court Philippe Chatrier ist nicht in der Lage, die Stärke eines Champions zu anerkennen, den Spirit eines Champions. Bei dem Spiel, das er(gegen Tsonga; Anmerkung)gemacht hat, ist es ein Skandal.“

„Wawrinka hat perfekt Haltung bewahrt“

Benneteau legte noch nach: „Es gibt im Publikum einen Teil, der einfach nicht in der Lage ist, den tollen Sieg Wawrinkas zu anerkennen, und sie begannen ohne Grund zu pfeifen. Der Kerl hat uns im Davis Cup geschlagen, weil er einfach besser war. Er hat nie was gegen Frankreich gesagt, gegen uns, das Publikum oder die Spieler. Hier hat er diesmal 3:45 Stunden gegen den besten französischen Spieler hart gekämpft. Es waren hier 15.000 Menschen gegen ihn und er sagte kein einziges Wort. Er hat dabei perfekt Haltung bewahrt. Wir haben ein Publikum, das keine Sportkultur hat“, machte Benneteau seinem ganzen Ärger unmissverständlich Luft und bezeichnete Wawrinka als einen „großen Champion“. machte Benneteau seinem ganzen Ärger Luft und bezeichnete Wawrinka als einen „großen Champion“. Dies, noch bevor sich„Stan, the Man“ am Sonntag sensationell den Titel in Roland Garros schnappen sollte.

Leconte geniert sich für französisches Publikum

Mit seinen Kritikpunkten war Benneteau keineswegs alleine.Henri Leconte, der bislang letzte Franzose im French-Open-Finale, stieß ins selbe Horn – nicht nur wegen der unnötigen Pfiffe gegen Wawrinka: „Ich geniere mich für das französische Publikum“, bekannte der 51-Jährige gegenüber der Zeitung „Le Parisien“. „Das sind die Fans auf dem Center Court bei den French Open. Zuerst haben wir uns gefragt, ob wir denn in Frankreich sind. Die Leute sind überhaupt nicht hinter Tsonga gestanden, der das wirklich benötigt hätte. Bei 5:4 im vierten Satz sind die Menschen aufgewacht und haben danach begonnen, Wawrinka auszubuhen und auszupfeifen. Das verstehe ich echt nicht. Das Match war toll, da waren keine Schiedsrichter-Fehler. Beide Spieler sind fantastisch gewesen. Es ist einfach schrecklich“, polterte der Ex-Weltranglisten-Fünfte. „Was haben sie denn erwartet? Vielleicht, dass Stan das Match verschenken würde? Du gewinnst und wirst dafür ausgepfiffen. Das ist einfach schlecht. Und ich dachte, ich habe das Schlimmste schon erlebt“, spielte er auf die eigene Niederlage im Finale 1988 an.

Djokovic sieht „wahrlich respektvolle Fans“

Freilich, Benneteau und Leconte äußerten ihre Meinung noch vor dem Finalsonntag – der die beiden in ihrem Urteil womöglich ein wenig besänftigt hätte. Schließlich blieb vom Endspiel ebenso hängen, wie die Fans dem unterlegenenNovak Djokovicbei der Siegerehrung durch eineinhalbminütige Standing Ovations Tränen in die Augen brachten – ein wundervoller, von viel Respekt und Wertschätzung geprägter Moment. Und so ist es wohl kein Wunder, dass die Sichtweise des Serben bedeutend anders aussieht: „Ich respektiere die Wertschätzung, die sie mir entgegenbringen. Das ist mehr oder weniger die gleiche Situation wie letztes Jahr bei der Ehrung zum Schluss. Das ist definitiv etwas, das mir noch mehr Motivation gibt, es weiter zu versuchen(den ersten French-Open-Sieg zu holen; Anmerkung)“, so der Weltranglisten-Erste. „Sie sind wahrlich respektvolle Fans, und ich danke ihnen sehr für die Emotionen, die ich auf dem Platz verspürt habe. Es war natürlich nicht leicht, da wieder als Finalverlierer zu stehen.“ Dass es sich um solch respektvolle Fans handelt, mag oftmals zutreffen, die wiederkehrenden gegenteiligen Fälle erfordern jedoch einen Zusatz: Solange es gegen keinen Franzosen geht…

(Text: MaWa)

Weitere Sportnachrichten findest duhier.

von tennisnet.com

Montag
08.06.2015, 10:15 Uhr