Timea Bacsinszky – Sensation in Serena Williams’ „Schmierenkomödie“ verpasst

Im größten Spiel ihrer Karriere scheint Timea Bacsinszky bei den French Open um ein faires, anständiges und reelles Duell gebracht worden zu sein.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 04.06.2015, 23:59 Uhr

Von Jörg Allmeroth

Als sie noch einmal auf die Zuschauerränge schaute, ein, zwei Minuten nach dem bitteren Ende des Dramas, da konnte Timea Bacsinszky die Tränen doch nicht mehr zurückhalten. Übermannt von ihrer Enttäuschung, aber auch begleitet von tosendem Applaus der Pariser Tennisfans, verließ die von TurnierfavoritinSerena Williamsgeschlagene Schweizerin den Court Philippe Chatrier – und damit auch den Schauplatz eines bizarren French-Open-Tenniskrimis ohne „Happy-End“. Fast schon wie die verdiente Siegerin sah Bacsinzky aus, bei einer 6:4,-3:2-Führung mit Breakvorsprung im zweiten Akt, ehe alles weg- und zusammenbrach für die 25-Jährige: ihr Selbstbewusstsein, das couragierte Spiel, die Entschlossenheit bei den „Big Points“, zuletzt dann auch jegliche Nervenkraft.

Erkältung wird zum Staatsschauspiel

Niemand hatte Bacsinszky einen so starken Auftritt in der ersten Stunde der Partie zugetraut, aber noch weniger hätte irgendjemand geglaubt, dass sie die letzten zehn Spiele bis zum fatalen6:4,-3:6- und -0:6-Abschiedausnahmslos verlieren würde gegen die theatralische US-Amerikanerin. Gegen eine Serena Williams, die ihre angeschlagene Konstitution – sie litt unter einer Erkältung – zu einem Staatsschauspiel aufführte. Oder, wie manche Beobachter in den sozialen Medien meinte, zu einer „Schmierenkomödie“. Nun darf sie am Samstag gegen die TschechinLucie Safarova(7:5, 7:5gegenAna Ivanovic) versuchen, ihren 20. Grand-Slam-Pokal zu gewinnen. Und Bacsinszky? Sie präsentierte sich als großmütige Verliererin, verzichtete aufs Nachkarten, zeigte sich fast philosophisch: „Serena verdiente den Sieg. Solche Dinge passieren halt. Es ist am Ende nur ein Tennismatch.“ Williams sei durchaus Respekt zu zollen, „wenn sie so etwas schafft und nicht 100 Prozent fit ist“, so Bacsinszky, „ich weiß nicht, ob diese Posen zu ihrem Verhalten gehören. Ich kümmere mich nur darum, was auf meiner Seite des Netzes passiert, also um mich selbst. Ich muss meine Emotionen in diesen Top-Matches noch besser in den Griff bekommen.“

Um faires, anständiges und reelles Duell gebracht?

Allerdings hinterließ dieses größte Spiel in Bacsinszkys Karriere ein in vielerlei Hinsicht ungutes Gefühl – nicht zuletzt auch den Eindruck, um ein faires, anständiges und reelles Duell gebracht worden zu sein. Zwischenzeitlich wirkte es beinahe, als könne Williams, die beherrschende Spielerin dieser Epoche und 19-malige Grand-Slam-Siegerin, im nächsten Moment auf dem Court zusammenbrechen, umso mehr, da sie sich in scheinbarer Hilfsbedürftigkeit ein ums andere Mal auf ihren Schläger stützte wie auf einen Krückstock. „Ich habe alles, alles, alles immer wieder versucht. Aber es klappte lange Zeit nicht“, sagte Williams später, „wo ich dann die Energie für diesen Sieg hergenommen habe, weiß ich auch nicht.“ Tatsächlich mutete das finale Comeback der 33-jährigen Turnierfavoritin wie eine rätselhafte Wiederauferstehung und Wundertat an, immer vorausgesetzt, die körperlichen Beschwerden waren so gravierend wie geschildert und in der Mimik auf dem Court dargestellt.

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Evert: „Bacsinszky kann und muss stolz auf sich sein“

Fakt jedenfalls war, dass die Amerikanerin mit dieser durchaus bizarren Houdini-Nummer auch eine neue persönliche Rekordtat markiert hatte, nämlich in einem Grand-Slam-Turnier viermal nach einem 0:1-Defizit noch als Siegerin den Platz zu verlassen. Vor dem Spiel gegen Bacsinszky war ihr das auch bereits gegen die DeutscheAnna-Lena Friedsam, die WeißrussinVictoria Azarenkaund gegen ihre LandsfrauSloane Stephensgelungen. Bacsinszky konnte in der akuten Verbitterung noch längst nicht ihren Frieden machen mit diesen French-Open-Festspielen – doch dass sie dieses Turnier hocherhobenen Hauptes verlassen durfte, daran bestand kein Zweifel. Besonders vor dem Hintergrund, dass die Karriere dieser Hochbegabten vor zwei Jahren fast schon vorbei gewesen war, nun aber trotz der Halbfinal-Niederlage eine ungeheure und beinahe unwirkliche Beschleunigung erfahren hatte. „Sie kann und muss stolz auf sich sein. Auch wenn ihr das jetzt noch schwer fällt“, sagte die frühere TennislegendeChris Evert.

Drei, vier gute Spiele fehlten zur großen Überraschung

Und wie inspiriert und beseelt war Bacsinszkys Auftritt lange Zeit auch an diesem ersten sommerlichen Roland Garros-Tag: Punktgenau auf ihre Aufgabe war die 25-jährige fixiert, ließ sich auch von der wankenden und kränkelnden Serena nicht beeindrucken, spielte mit Power und Präzision ein nahezu perfektes Match bis zur 3:2-Führung im zweiten Satz. Nur noch zehn Minuten, drei, vier gute Spiele fehlten „Super-Timea“ („L’Équipe“) da, die Sensation war schon zum Greifen nah – und plötzlich wieder so weit weg, als Williams sich mit geheimnisvoller Willensleistung ins Duell zurückwuchtete. Bacsinszky gestattete sich ein paar Momente der Nachlässigkeit, der Unkonzentriertheit, und schon ergriff die Amerikanerin den Strohhalm, machte aus dem 2:3 binnen Minuten ein 6:3. Von diesem Konter und Wirkungstreffer erholte sich die Außenseiterin nie mehr, gab gleich das erste Aufschlagspiel im dritten Satz mit haarsträubenden Fehlern weg. Spiel um Spiel zog Williams weg, bis zur Nullnummer im Entscheidungsakt.

Hier die Ergebnisse von den French Open:Einzel,Doppel,Einzel-Qualifikation.

Hier der Spielplan.

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