French Open: Zverev lässt das New Yorker Trauma stoisch hinter sich, auch mit Hilfe von Trainer Ferrer
Alexander Zverev wusste bei seinem ersten Auftritt bei den French Open nicht nur auf dem Platz zu überzeugen, auch die Zusammenarbeit mit David Ferrer wirkte überraschend harmonisch.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
28.09.2020, 19:58 Uhr

Selbst hinter der Maske konnte man erahnen, wie zufrieden David Ferrer mit diesem Abend war. Und mit seinem Mann, mit Alexander Zverev. Es war Ferrers erster öffentlicher Auftritt als Trainer von Zverev, es war Zverevs erstes Sandplatzmatch in dieser verrückten, hochkomplizierten Saison – aber beim 7:5, 6:2, 6:4-Erstrundensieg des 23-jährigen Hamburgers gegen Dennis Novak (Österreich) am Sonntagabend bei den French Open wirkten Zverev und sein spanischer Supercoach (38) wie ein lang eingespieltes, perfekt harmonierendes und höchst effektives Duo. „Es ist einfach ein großes Vergnügen, mit David zusammen zu arbeiten“, sagte Zverev später, „wir verstehen uns fast blind.“ So, als gäbe es diese Allianz nicht erst seit dem Sommer. Sondern seit vielen Jahren.
Eisiger Wind fegte über den Roten Platz von Paris, Regen peitschte durch die Nacht. Es war ein Wetter, bei dem niemand freiwillig vor die Tür gegangen wäre, eher winterlich als herbstlich. Aber Zverev, der unglückselige US Open-Finalsieger, stand an diesem lausig kühlen Starttag mit einer Unerschütterlichkeit, mit einer Trotzigkeit und mit einer Gelassenheit auf dem durchweichten Hauptcourt, als nehme er die Elemente gar nicht wahr. Es war allerdings genau die Mentalität, die seinen neuen Übungsleiter und einstmaligen French Open-Finalisten Ferrer stets ausgezeichnet hatte in seinen noch nicht lang zurückliegenden Profijahren: Nämlich weiter, immer und immer weiter. „Ich bin froh, dass überhaupt wieder Tennis gespielt wird“, sagte Zverev später lakonisch zu diesem Abend, aber auch zum Großen und Ganzen in der Tenniswelt. Sich mit störenden Dingen zu beschäftigen, die er sowieso nicht ändern kann, ist seine Sache neuerdings nicht mehr.
Becker: "Positiv überrascht"
Dass er sich nun in Paris ähnlich stoisch und unbeeindruckt gab wie bei seinem Siegeslauf hinein ins New Yorker Grand Slam-Finale, verblüffte allerdings schon ein wenig. Denn im Roland Garros-Kühlschrank musste Zverev am ersten Spieltag nicht nur die grimmige Witterung ausblenden, sondern auch noch das Trauma seines Endspiel-Scheiterns gegen seinen österreichischen Kumpel Dominic Thiem bewältigen. Wie ihm das letztlich gelang, nötigte DTB-Herrenchef Boris Becker allerhand Respekt ab: „Das war nicht selbstverständlich nach den schlaflosen Nächten, die er nach den US Open gehabt haben muss.“ Er sei „absolut positiv überrascht“ von Zverev, so Becker, „er hat das getan, was man tun muss: Die Bedingungen zu akzeptieren, sich auf das konzentrieren, was zum Erfolg nötig ist.“
Was keineswegs selbstverständlich in Zverevs Karriere war. Aber in diesem Jahr mehr und mehr zu seinem Markenzeichen geworden ist. So wie er in New York unbeirrt von allen Höhen und Tiefen durchs Turnier marschierte, ein ums andere Mal seine Willenskraft in widrigen Situationen demonstrierte, so begann er nun auch die Pariser Herausforderung mit einer früher kaum gesehenen mentalen Festigkeit. Und diese Stabilität trägt auch zur neuen Effizienz von Zverev bei: Trotz eines 2:5-Rückstands im ersten Satz gegen den keineswegs leichten Gegner Novak marschierte der Hamburger in drei glatten Sätzen zum Auftakterfolg. Früher habe er in der Endphase der Topturniere schlicht „nicht mehr die Kraft gehabt“, um eine gewichtige Rolle zu spielen, sagte Zverev, „das musste und wollte ich unbedingt ändern.“ Man dürfe in den ersten Tagen bei einem Major-Wettbewerb nicht „Energien verschleudern.“
US Open abgehakt - Fokus auf French Open
Nach dem Scheitern in New York hatte sich Zverev daheim in Monte Carlo einfach mal in die Sonne gelegt und den Schmnerz nicht zwanghaft verdrängt, sondern akzeptiert: „Es ist nicht schön, wenn du der erste Spieler seit 70 Jahren bist, der einen 2:0-Satzvorsprung in so einem Finale vergibst.“ Dann, nach ein paar Tagen sportlicher Trauerarbeit und Faulenzens, kam mit der Ankunft Ferrers im Fürstentum auch neuer Elan – und die Angriffslust zurück.
Die frisch kooperierenden Partner machten sich an die Mission Roland Garros, und damit auch an die Bestätigung eines Trends aus dieser Saison 2020. Denn Zverev ist im laufenden Spieljahr ja auch höchst zupackend dabei, seine Grand Slam-Schwäche zu überwinden, das Straucheln auf den großen Bühnen. In Melbourne, im Januar, rückte er bei den Audtralian Open ins Halbfinale vor, in New York erreichte er das Endspiel – und nun plane er auch wieder einen Lauf „bis tief in die zweite Woche“, so Zverev, „am besten ins Finale.“ Gehe es ihm auch darum, die Kritik von Experten und Medien Lügen zu strafen, wurde Zverev gefragt? Nein, sagte er, das Wichtigste sei, sich auf sich selbst zu konzentrieren. Und sich zu beweisen, „dass man da ganz vorne hingehört.“ Zu den natürlichen Anwärtern auf einen Grand Slam-Titel.