Deutsche Profis setzen auf Gruppendynamik

An der TennisBase in Oberhaching trainieren die drei besten deutschen Herren zusammen.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 17.01.2012, 09:47 Uhr

Von Jörg Allmeroth aus Melbourne

Auf dem fernen Außenplatz 21 lieferte der Mann mit dem feinen Händchen eine selten gesehene Show. Zwei Stunden lang feuertePhilipp Petzschnerdie Bälle mit traumwandlerischer Sicherheit von seinem Schläger, ein Künstler, der sich bei seinem Handwerk auch von Sturmstärke 8 im National Tennis Center nicht bremsen ließ. „Es war das perfekte Match, eins der besten meines Lebens“, sagte der Wimbledon- und US-Open-Doppelchampion später, als er auf den grandiosen6:0, 6:0, 6:2-Sieggegen den Tschechen Lukas Rosol zurückblickte. Die magische dreifache Null hatte der im Rheinland lebende Bayer zwar zu seiner eigenen milden Enttäuschung knappstens verpasst, aber nicht einen „fast irreal starken Grand-Slam-Start“.

Herausbildung eines Kadergeistes

Petzschners australischer Tenniskracher kam keineswegs von ungefähr: Auch der notorische Einzelgänger, der jahrelang erklärtermaßen abseits aller Kollegen sein „eigenes Ding drehte“, gehört inzwischen zu den deutschen Profis, die ihr Glück im Kollektiv suchen und auch finden. In der Münchner TennisBase, betrieben vom bayrischen Landesverband, trainierte Petzschner in der Vorbereitungszeit für das neue Spieljahr eisenhart mit seinen Davis-Cup-MitstreiternFlorian MayerundPhilipp Kohlschreiber,gegen- und wechselseitig habe man sich „auf einen neuen Level hochgepusht“, sagt der gebürtige Bayreuther, „wenn du da einen Trainingssatz spielst, wird immer schnell Ernst draus. Du willst ja immer gewinnen.“ Was für Petzschner gilt, trifft fast noch mehr auf den sensiblen Augsburger Philipp Kohlschreiber zu: Nach einer verkorksten Serie 2011, in der er als Solist rund um die Welt tourte und mehr Pleiten als Siege in seine Bilanz festschrieb, kehrte der ehemalige deutsche Frontmann Hals über Kopf zurück in die Oberhachinger Trainingsgruppe. Konkurrenzkampf, aber in verträglichem, angenehmem Klima: „Das ist genau das, was ich brauche. Und was ich vermisst habe“, sagt Kohlschreiber, der in starker Form in die neue Serie startete.

So entwickelt sich gerade im deutschen Tennis - auch ohne ein Diktat des Zentralverbandes – eine Laboranordnung, die aus erfolgreichen Nationen wie Frankreich oder Spanien bekannt ist: Eine Zentralisierung der besten Spieler, an einem oder ganz wenigen ausgewählten Standorten. Die Arbeit in Elite-Trainingsgruppen, in denen sich die Stars zu immer besseren Leistungen antreiben können. Und die Herausbildung eines Kadergeistes, der beflügelnd wirkt für gemeinsame Davis-Cup- oder Fed-Cup-Einsätze. „Wir sind eine echte Mannschaft geworden“, sagt Petzschner, der sich lange überlegt hatte, ob er nicht wieder rund um seine Wahlheimat Pulheim Übungsmöglichkeiten suchen sollte. Nun ist er „mehr als froh“, in der Tennisschmiede geblieben zu sein, im Verbund nicht nur mit Kohlschreiber oder Mayer, sondern auch mit nachrückenden Talenten wie Kevin Krawietz oder Matthias Bachinger. Denn auch dies gehört zu den Effekten der Kraftbündelung: Junge Spieler zieht es wie magnetisch dorthin, wo die Besten arbeiten.

Stebe trainiert lieber in Offenbach

Auch der 21-jährige SchwabeCedrik-Marcel Stebe,der vielleicht hoffnungsvollste Kopf der schon nächsten Tennisgeneration, hat sich ja inzwischen einem Trainingscamp angeschlossen, nach längerer Lehrzeit in der Heimat sah er im Wechsel zur Schüttler/Waske-Akademie in Offenbach die lohnendere Perspektive. Dort hat Stebe nun erstklassige Trainingspartner aus aller Herren Länder zur freien Auswahl, manchmal schauen auch absolute Cracks wie der Serbe Janko Tipsarevic vorbei. „Das, was uns andere Länder vorgemacht haben in der Eliteförderung, kann ja nicht grundfalsch sein“, sagt der bayrische Tennisboss Georg Schmidbauer, „die Gruppendynamik setzt eben neue Kräfte frei.“

Bei den deutschen Damen hatte Andrea Petkovic die Konzentration der Spitzenspielerinnen befördert: Nach dem Wimbledonturnier 2011 lotste die gerade verletzte Anführerin des schwarz-rot-goldenen Fräuleinwunders das Nordlicht Angelique Kerber in den Offenbacher Trainingsstützpunkt – mit durchschlagendem Erfolg: Bei den US Open stürmte die wie verwandelte Kielerin sogar an ihrer Mentorin Petkovic vorbei ins Halbfinale. Auch die anderen deutschen Asse setzen längst auf Trainingsarbeit im Kollektiv: Im DTB-Stützpunkt in Hannover schwitzten Julia Görges, Sabine Lisicki und Anna-Lena Grönefeld in den ersten Vorbereitungswochen für die neue Saison gemeinsam auf dem Court. „Das alles schweißt die Mädels noch enger zusammen“, sagt Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner, „sie stellen sich in der Gruppe jeden Tag neu auf den Prüfstand, lernen voneinander. Was gibt es Besseres?“(Foto: Jürgen Hasenkopf)

von tennisnet.com

Dienstag
17.01.2012, 09:47 Uhr