Günter Bresnik: „Halte die Top 20 for Lilli Tagger nicht für ausgeschlossen“

Star-Coach Günter Bresnik ist mal wieder mit seinen Schützlingen zur Saisonvorbereitung auf Teneriffa. Und hat sich für ein Interview mit tennisnet ausgiebig Zeit genommen.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 09.12.2025, 06:58 Uhr

Günter Bresnik hat es mal wieder nach Teneriffa verschlagen, die dortige Saisonvorbereitung hat bei vielen Spielern und Spielerinnen fast schon so etwas wie Kultstatus. Legendär natürlich jene Jahre, in denen Bresnik seine Schützlinge Dominic Thiem und Ernest Gulbis mit dabei hatte, und Spielt wie Philip Kohlschreiber oder David Goffin noch dazugestoßen sind. Aktuell umfasst die Gruppe viele hoffnungsvolle Nachwuchsspieler, aber auch Österreichs Nummer eins bei den Frauen, Julia Grabher, oder Lukas Neumayer, der in dieser Saison vor allem im Davis Cup groß aufgezeigt hat. 

Wir erreichen Günter Bresnik nach der Nachmittagstrainingseinheit am Montag. Und nach wie vor ist kein Wölkchen am Himmel. 

Tennisnet: Herr Bresnik. Vor kurzem haben wir mit Jan de Witt gesprochen, der nach wie vor große Lust daran zu haben scheint, mit seinen Spielern zu den Turnieren zu reisen. Wie sieht das bei Ihnen aus? 

Günter Bresnik: Das Bedürfnis mitzureisen oder den großen Wunsch danach, den habe ich nicht. Den habe ich aber eigentlich nie gehabt. Am Anfang war das notwendig, dass man einfach mal das Handwerk lernt. Und das lernt man nur von den anderen, die richtig gut sind und die triffst auf der Tour. Das hat sich aber jetzt verschoben, weil auch die Arbeit vor Ort zu Hause oder die längere Trainingsarbeit weitaus wichtiger bei den meisten Spielern als die Turnierbetreuung. Es gibt aber definitiv Spieler, wo ich sagen kann: Wenn es für die von großem Vorteil und Nutzen wäre, würde ich da wieder mitfahren. Wie etwa bei Julia Grabher, Und für mich ist der Lukas Neumeier, das ist jetzt schon ein mehrjähriges Projekt, sicherlich einer, wo ich sagen kann, da würde ich sicherlich mitfahren, wenn der das braucht.  

Tennisnet: Neumayer hat vor maßgeblichen Anteil daran gehabt, dass Österreich unter die Top Acht im Davis Cup gekommen ist. Warum konnte sich Lukas gerade im Team so steigern? 

Bresnik: Ich muss sagen, ich war auch sehr von Jurij Rodionov überrascht. Der Lukas hat definitiv immer Lust, der hat ein sehr gutes Verhältnis mit den Melzers, sowohl mit dem Gerald als auch mit dem Jürgen. Der freut sich auf den Davis Cup. Es gibt Spieler, die das Gefühl haben, dass sich viel um sie dreht, dass die anderen sie unterstützen. Die passen alle zusammen, die streiten nicht wegen Prämien oder wegen solchen Dingen herum, sondern die teilen das gleichmäßig auf. Also diese Situation momentan, glaube ich, mögen alle Spieler, die dabei sind. Sonst hätte es solche Erfolge letztendlich gar nicht gegeben. Weil der Sieg gegen Ungarn alleine war eigentlich schon eine Riesenüberraschung. 

Tennisnet: Vor ein paar Tagen kam die etwas überraschende Meldung, dass Anastasia Potapova die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten hat. Ist das eine gute Nachricht für das österreichische Tennis? 

Bresnik: Ich habe selbst ein Schreiben verfasst, um zu bestätigen, was das für eine gute Sportlerin ist. Das ist ja unbestritten, Potapova war mal knapp an den ersten 20 dran, kann ausgezeichnet spielen, mit allen großen Spielerinnen mithalten. Ob es dem österreichischen Tennis was bringt, ist für mich fraglich, weil sich die halt doch mehr oder weniger das ganze Jahr auf Tour aufhält, bis jetzt glaube ich in Bratislava gewohnt hat. Grundsätzlich habe ich jetzt aus wirtschaftlichen Gründen nichts dagegen, wenn sich sehr erfolgreiche Leute aus dem Ausland in Österreich ansiedeln und die Steuern hier abliefern. Und für die Spieler oder für die Sportler oder Künstler ist es auch ein Vorteil, Also im Endeffekt ist das wahrscheinlich weder für Österreich noch für sie ein Schaden. 

“Lilli Tagger darf nciht ihr Umfeld wechseln”

Tennisnet: Erfreulich ist sicherlich die Entwicklung von Lilli Tagger. Wie schätzen sie diese ein? Es gibt ja Leute, die sagen, dass Lilli in zwei Jahren in den Top 20 steht. 

Bresnik: Das halte ich nicht für ausgeschlossen. Wenn man schöne Prognosen macht und Druck auf Leute ausübt, die kann mit dem sicherlich umgehen, der wird ihr keinen Schaden tun. Die ist für mich auch extrem weit für ihr Alter. Lilli spielt ein wunderschönes Tennis. Und hat auch ein für mich angenehmes Auftritt am Tennisplatz. Das ist jemand, dem schaut man gern zu. Denn es gibt Leute, die die Zuschauer in die Stadien holen und es gibt andere, die es vertreiben mit ihrer mieselsüchtigen Art. Also Lilli Tagger ist eine ausgesprochen erfreuliche, schöne und in Zukunft wahrscheinlich auch erfolgreiche Erscheinung auf dem Tennisplatz. Aber das sage ich eh schon seit Jahren. 

Tennisnet: Wie schätzen sie ihr Umfeld ein? 

Bresnik: Lilli muss gesund bleiben und die Einstellung, die sie jetzt hat, nicht ändern. Und ich hoffe auch nicht die Umgebung. Francesca Schiavone als Trainerin sieht das auch hier ein bisschen als ihr Meisterwerk. Die ist bei jeder Pressekonferenz dabei, bei jedem Training, beim Match. Sie ist nicht übertrieben euphorisch oder involviert oder feuert Lilli an. Schiavone sitzt wie ein Coach in der Bank und ruft nicht wie ein Kasperl herum. Solche Coaches gehen mir seit Jahren auf die Nerven - und Schiavone macht das nicht. Die ist eine wirklich abgebrühte, professionelle Spielerin und jetzt macht sie das gleiche im Trainersektor. Das ist, würde ich sagen, außergewöhnlich, dass sie da quasi schon beim ersten Schützling so erfolgreich arbeitet. 

“Für außergewöhnlihce Leistungen muss man außergewöhnlich trainieren”

Tennisnet: Mit Jakub Mensik und Jiri Lehecka sind aktuell auch zwei starke tschechische Männer, mit Karolina Pliskova eine ehemalige Nummer eins der Welt aus Tschechien auf Teneriffa. Was macht die Tschechen so stark? 

Bresnik: Die Tschechische Republik hat eine außergewöhnlich gute Tennis-Geschichte. Ich kann bei Jaroslav Drobny und Jan Kodes anfangen, aber spätestens Ivan Lendl und Miroslav Mecir waren stilbildend, Und de haben einfach eine Unzahl an guten Trainern, das darf man nicht vergessen. In Österreich haben in den 70er-, 80er-Jahren fast ausschließlich Tschechen die hohen Trainerämter besetzt. Und In jedem kleinen Klub, irgendwo in Niederösterreich oder vielleicht in ganz Österreich, hat es tschechische Trainer gegeben, die eine wunderbare, schöne, solide Technik und ein gutes, einfaches taktisches Konzept gelehrt haben. Wer hier der Karolina Pliskova beim Tennis zuschaut: Die Technik ist nach wie vor eine Augenweide. Und die war schwer verletzt, hat ein oder zwei Jahre fast nicht Tennis gespielt. 

Tennisnet: Es hat ein bisschen gedauert, bis wir heute zusammengefunden haben, eil Sie Ihr Handy ausgeschaltet hatten. Was Sie auch von den jungen Spielern hier verlangen - und nicht gut ankommt … 

Bresnik: Die werden wahnsinnig, wenn sie kein Handy haben, flippen komplett aus. Diese übertriebene Tendenz zum Digitalen ist verrückt. Nur durchs Erleichtern werden Dinge nicht besser. Meine Lieblingsgeschichte wird da immer der Rainer Schüttler bleiben. Die waren damals mit dem Dirk Hordorff in Kenia zur Saisonvorbereitung, da hat es eine Affenhitze von 40 Grad gehabt und sie sind auf der 400 Meter Bahn ihre Intervalle gelaufen. Und der Tipsarevic ist zum Schüttler hingegangen und sagt, du Rainer, warum hast du keine Kopfhörer auf und hörst Musik? Sagt Schüttler Warum, warum? Antwort: Weil dann geht es einfacher. Und der Schüttler: Und das will ich nicht. Ich werde nicht für schwere Aufgaben vorbereitet, indem ich es mir einfach mache. Da ist ja genau das Gegenteil der Fall. Wenn ich außergewöhnliche Leistungen erbringen möchte, dann muss ich mich auch außergewöhnlich stark machen. Und belastbar dafür machen. 
 

von Jens Huiber

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09.12.2025, 10:10 Uhr
zuletzt bearbeitet: 09.12.2025, 06:58 Uhr