"Habe zu mir selbst gefunden" - Seriensieger Oswald will aufs nächste Level

Der Vorarlberger nach seinem jüngsten Erfolgslauf im tennisnet.com-Interview.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 05.10.2011, 21:12 Uhr

Nach einem alles andere als erfolgreichen Frühjahr musste sich Philipp Oswald Anfang Mai mit Weltranglisten-Position 473 begnügen. Rund fünf Monate später zeigt die Formkurve des Vorarlbergers wieder steil nach oben und der Schützling von Joachim Kretz steht dank vier Future-Titeln seit Mitte Juni vor der Rückkehr in die Top 300. Im tennisnet.com-Interview spricht "Ossi" über den Umstieg von Future- auf Challenger-Ebene, die Vorteile eines Touring-Coaches und er verrät, welche Rolle die Selbstfindung in den Bergen bei seinem beeindruckenden Erfolgslauf der letzten Wochen gespielt hat.

Gratulation, Philipp! Deine Bilanz mit 14 Siegen aus den jüngsten 15 Matches kann sich sehen lassen. Wie hättest du reagiert, wenn dir vor zwei Monaten jemand diesen Lauf vorhergesagt hätte?

Ich hätte gesagt "geil, wo kann ich unterschreiben?"

Der Erfolsglauf kam also auch für dich überraschend?

Mit so einer Ausbeute hätte ich natürlich nicht gerechnet. Man muss auch sagen, dass ich in den meisten Matches Favorit war und die ganz großen Namen waren nicht wirklich dabei. Aber trotzdem habe ich endlich konstant meine Leistung abgerufen und habe einen guten Job gemacht.

Nach einem guten Saisonstart (Future-Finale in Deutschland) hattest du zwischenzeitlich ein Tief - wie erklärst du dir die Leistungsexplosion der letzten Wochen?

Ich hab mir im Juni - kurz vor und kurz nach dem Grunddurchgang der österreichischen Bundesliga - eine Auszeit genommen. Ich war alleine in den Bergen und habe zu mir selbst gefunden und mich von dem mir selbst auferlegten Druck ein bisschen gelöst. Beim ersten Future danach, hab ich gleich zugeschlagen. Ich denke, dass ich genau in dieser Zeit die Wende eingeleitet habe. Dann waren da ein paar Erfolgserlebnisse wie die drei Doppel-Challengertitel mit "Fisch"(Anm.: Martin Fischer)oder der Aufstieg mit SV Wacker Burghausen von der zweiten in die erste deutsche Bundesliga, und dann war noch das Final-Four-Wochenende...

... wo du ja nach Abwehr von Matchbällen gegen Martin Fischer und dem Sieg im entscheidenden Doppel Vater des Bundesliga-Titels warst. Der Knackpunkt, der dir den notwendigen Selbstvertrauensschub gebracht hat?

Das Wochenende war auf alle Fälle ein Super-Erlebnis und hat mir sicher eine ordentliche Portion Selbstvertrauen gegeben. Die Partie gegen Martin Fischer darf man nicht überbewerten, da war ich einfach der Glücklichere! Vor allem kennen wir uns so gut, dass es seltsame Ballwechsel gibt, weil wir beide schon wissen, was der andere macht. Außerdem ist es nicht angenehm, wenn man gegen seinen besten Kumpel in einem relativ wichtigen Match spielt. Das Doppel war dann dafür ein Highlight! Bei dem Gesamtscore von 4:4 zusammen mit „Slansky“(Anm.: Martin Slanar)den entscheidenden Matchball zu verwerten, das war einfach ein Weltklasse-Gefühl.

Den Schwung hast du dann auch gleich auf Future-Ebene mitgenommen. In Italien bist du von Joachim Kretz und in der Türkei von Stefan Lochbihler begleitet worden. Wie wichtig ist diese Turnierbetreuung für dich?

Mit den zwei Futures in Italien und den aktuellen drei Futures in der Türkei spiele ich fünf Wochen am Stück durch. Gerade in dieser Phase ist es enorm wichtig, gut betreut zu werden.

Wie schaut die Betreuung im Detail aus?

Mit "Jogi" hatte ich eine harte Woche in Brusaporto, da hatten wir abseits vom Tennisplatz lange und zehrende Gespräche, die mir aber sehr geholfen haben! "Jogi" versteht es so gut wie kein Zweiter, Tennis als Ganzes zu betrachten. Er ist uns allen einfach immer schon zwei Schritte voraus. Mit "Jogi" arbeite ich auf Turnieren immer am Fortschritt, sei es die Technik im Tennis, oder an meiner Organisation und Persönlichkeit. Mit "Lochi" habe ich einen erfahrenen Touring-Coach dabei: Er strahlt die Ruhe aus, hilft mir super bei den alltäglichen Abläufen am Tennisplatz und mit ihm trink' ich auch gerne mal einen Radler am Abend.

Wie unterscheiden sich die Wochen mit Touring-Coach von jenen, wo du alleine unterwegs bist?

Vom Umfang her unterscheidet sich gar nichts. Nur vereinfachen betreute Turniere meinen Tagesablauf deutlich. Wenn mal irgendwas nicht optimal klappt im Match, kann ich direkt danach mit meinem Coach am Platz arbeiten. Wenn ich alleine bin, muss ich mir zuerst jemand zum Spielen suchen. Ich bin auch immer über das Feedback von meinen Trainingseinheiten und meinen Matches froh, und da hör ich nur auf meine Coaches! Und natürlich hilft es auch im Match, wenn man weiß, dass jemand da ist für dich, der dir auch mal paar kleine Tipps reindeutet, wenn’s mal nicht so läuft.

In unserem letzten Interviewhast du erzählt, dass du heuer mit einem Mentaltrainer arbeiten möchtest. Haben sich da schon erste Erfolge eingestellt?

Es hat jetzt ein dreiviertel Jahr gedauert, bis wir eine vernünftige Lösung gefunden haben. "Jogi" hat für uns schon im Frühjahr den Kontakt zu einem sehr erfolgreichen Persönlichkeitscoach aus Deutschland hergestellt. Der liegt aber leider nicht in meiner finanziellen Reichweite. Dann sind wir jetzt über das Sportservice Vorarlberg zu Dr. Christian Uhl gestoßen. Mit ihm beginne ich nach der Stadthalle die Arbeit. Darum kann ich leider noch nichts Konkretes erzählen. Ich weiß nur, dass seine Referenzen absolut stimmen und ich ihn mir dank der Unterstützung des Sportservices leisten kann.

Du sprichst das Finanzielle an: In der letzten Saison ist dir dein Hauptsponsor abgesprungen - gibt es neue Sponsoren und Gönner, die dir die Finanzierung deiner Karriere erleichtern?

Die Finanzsituation hat sich in dem Sinn nicht geändert, also es gibt keine neuen Sponsoren und Gönner. Ich finanziere mich aus eigener Kraft mit Ligen und Preisgeldern und bewege mich da schon sehr am Limit. Ohne die Hilfe des VTV würde ich es mir nicht mehr leisten können, mit so einem professionellen Umfeld zu arbeiten. Auch der ÖTV kommt mir bei einer alten Vertragsgeschichte entgegen, da müssen aber noch einige Details geklärt werden.

Zurück zur sportlichen Gegenwart: Nach den jüngsten Erfolgen wirst du die Top 300 wieder knacken. Sieht man dich jetzt wieder öfter auch auf Challenger-Ebene?

Auf alle Fälle! Jetzt spiel ich noch die geplanten Futures hier in der Türkei zu Ende und dann geht’s ab zum nächsten Level!

In der Vergangenheit warst du schon mehrmals auf Future-Ebene sehr erfolgreich. Mit dem Durchbruch auf Challenger-Ebene hat's trotz vereinzelt guter Ergebnisse (Halbfinale Genf, 2009, Sieg über Kukushkin im Vorjahr) noch nicht geklappt. Was macht den Umstieg so schwierig?

Auf Challenger-Ebene gibt es keine leichten Aufgaben mehr. Als gesetzter Spieler bei einem Future musst du normalerweise noch nicht dein bestes Tennis in der ersten Runde zeigen, das ist bei den Challengern anders. Bei den Futures gehöre ich zudem schon zu den ältesten Spielern, bei Challengern bin ich irgendwo im Mittelfeld. In der Vergangenheit hat mir sicher auch die Konstanz gefehlt bei den Challenger-Turnieren. Ich habe sicher vereinzelt gute Leute geschlagen, aber dann auch wieder ein paar gute Chancen ausgelassen und dafür wirst du auf diesem Niveau sofort bestraft.

Du hast im Dezember davon gesprochen, dass es die „letzte Chance im Einzel“ ist. Wie siehst du die Situation jetzt?

Daran hat sich nichts geändert. So wie es aussieht, werde ich das Jahr in den Top 300 abschließen und es fehlen mir nur noch ein paar Plätze, um bei Challengern im Hauptfeld und bei Grand Slams wieder in der Quali mitspielen zu dürfen. Dann wird man sehen, wie ich mich nächstes Jahr auf diesem Niveau behaupte. Sollte ich wie 2010 eine Talfahrt hinsetzen, werde ich dann die Konsequenzen ziehen und mich auf das Doppel spezialisieren.

Die derzeitigen Ergebnisse lassen aber auf eine Fortführung der Einzel-Karriere hoffen. Wie sieht denn deine Turnierplanung für die kommenden Wochen aus?

Mein Rankingziel, das ich vor ein paar Wochen definiert habe, ist Platz 220 bis Ende November. Dafür brauch ich noch rund 80 ATP Punkte - um das zu erreichen, muss ich richtig gut spielen. Nach den Türkei-Futures werde ich eine Woche daheim im "Ländle" trainieren und dann zur Stadthallen-Quali fahren. Danach spiele ich noch die Challenger in Eckental, Ortisei und Salzburg. In Salzburg hab ich letztes Jahr von Edwin Weindorfer eine Wildcard bekommen, da werde ich auf alle Fälle mitspielen. Auch Qualifikation, das bin ich ihm noch schuldig.(Fotos: GEPA pictures)

Das Interview führte Bernt Baumgartner.

von tennisnet.com

Mittwoch
05.10.2011, 21:12 Uhr