Der Mann, dem die Frauen vertrauen

Der Schweizer ist der neue Mann an der Seite von Andrea Petkovic.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 25.05.2011, 10:39 Uhr

Von Jörg Allmeroth aus Paris

Auch in den turbulentesten Momenten des Erstrundenspiels von Andrea Petkovic in der Stierkampfarena von Roland Garros verzog der Mann mit dem breitgezogenen Scheitel keinerlei Regung. Heinz Günthardt (52), ehemaliger Weltklassespieler und gefragter Tennistrainer, ist bekannt dafür, seine Emotionen eisern unter Verschluss zu halten. Am Pokertisch wäre der verschwiegene Eidgenosse ein Ass, jener weitgereiste Experte, dem die Frauen der Branche gern vertrauen.

So wie Steffi Graf vor fast schon zwei Jahrzehnten. So wie danach Jennifer Capriati, Jelena Dokic oder Ana Ivanovic, die serbische Schönheit mit dem etwas unberechenbaren Charakter. Oder wie jetzt Andrea Petkovic, die neue deutsche Tenniskraft. Der sportliche Beraterjob ist ganz nach dem Geschmack von Günthardt, der nicht in der allerersten Reihe stehen muss, sondern dezent, diskret und diplomatisch vorsichtig im Hintergrund seine Fäden zieht. „Dem Heinz kann man nichts vormachen. Der sieht alles, der hat ein Radarauge“, sagt Paris-Auftaktsiegerin Petkovic über den Tennis-Weltenbummler, der 1985 gemeinsam mit dem Ungarn Balasz Taroczy den Doppeltitel in Wimbledon holte.

Günthardt und Graf: Eine Erfolgsliaison

Günthardt ist geübt in der Erledigung heikler Tennis-Fälle, bewegt sich selbst in dem schwierigen Interessensgeflecht von Spielerin, Familie, Agenten und Sponsoren mit selbstverständlicher Souveränität. Den Königsjob im Wanderzirkus übernahm er schon früh in seiner Karriere, die Allianz mit Championspielerin Steffi Graf. „Es war ein Privileg, mit ihr zusammenarbeiten zu dürfen“, sagt Günthardt, „es war auch für mich eine Zeit des dauernden Lernens.“ Die letzten zwölf von 22 Grand Slam-Titeln Grafs fielen in die Partnerschaft mit Günthardt, auch jene unter Schmerzen und Tränen erkämpften Trophäen in der Spätphase dieser einmaligen Laufbahn.

Gefragt war dabei auch eine Qualität, die alle schätzen, die je mit Günthardt zusammenarbeiteten: Seine unbedingte Loyalität, seine Geradlinigkeit, sein stets klarer Kurs ohne Abweichungen. „Er hat fest zu mir gestanden, als vieles andere zusammenbrach“, sagte Graf einmal über ihren Coach. Sein Zweitberuf im Hause Graf war, Schweiger zu sein. Verbindliche, freundliche Statements abzugeben, ohne viel zu sagen. Damit kann man in der außergewöhnlichen Welt der Superstars weit kommen.

Günthardt feilt an Details

Günthardt ist ein Typ, dessen geschultem Blick einfach nichts entgeht. Genau wie schon zu den Zeiten als Dienstleister für Steffi Graf krempelte der 51-jährige auch später nicht das komplette Spiel seiner Teilzeit-Chefinnen um, etwa von Capriati oder Ivanovic. Günthardt feilt an Details, führt neue Übungen ins Trainingsprogramm ein, kümmert sich auch um die mentale Kraft der Spielerinnen. „Er weiß genau, wann man wie mit welchem Schlag punkten sollte“, sagt Petkovic über den neuen Mann an ihrer Seite.

Eingefädelt hatte den bemerkenswerten Deal in der Winterpause Günthardts älterer Bruder Markus, der Turnierdirektor des Stuttgarter Porsche Cup und langjährige Vertraute von Impresario Ion Tiriac. Günthardt, der Ältere, will Petkovic als eine Art Markenbotschafterin seines Millionenspiels im Schwabenland aufbauen, dazu braucht die deutsche Frontfrau aber anhaltend Siege und Titel – und eben einen ausgeschlafenen Experten wie Bruder Heinz, der das bisher noch etwas unsortierte Umfeld der Touraufsteigerin professionalisiert. Porsche, so heißt es, beteilige sich auch an den Kosten des Beraters Günthardt.

Günthardt, der Tausendsassa

Günthardt kann die auf acht Jahreswochen angelegte Allianz gerade noch in seinem gut gefüllten Terminkalender unterbringen. Denn der drahtige Anfangs-Fünfziger ist ein vielseitiger und viel umworbener Zeitgenosse, der erst im letzten Dezember bei seinem Heimatverband Swiss Tennis einen Beratervertrag unterzeichnete. Außerdem ist der ehedem so stille Günthardt inzwischen auch ein Mann der Medien geworden, der für das Schweizer Fernsehen regelmäßig aus aller Welt Spiele kommentiert. Früher saß er auch für Eurosport am Mikrofon, gefiel mit erhellenden Einsichten in den Tourzirkus und Ansichten über dessen Hauptdarsteller. „Mir macht es Spaß, vielseitig zu sein“, sagt Günthardt dazu. Petkovic und er werden demnächst wohl auch im schweizerischen Leistungszentrum in Biel trainieren, dort hätte dann auch Petkovic ihre Ruhe vor allen medialen Nachstellungen.

Mit Petkovics angestammtem Trainer Petar Popovic kommt sich Günthardt ganz und gar nicht in die Quere. „Er ist noch ein junger, ehrgeiziger Coach, der sich bei Heinz auch einiges abschauen kann“, sagt Petkovic, „wir profitieren alle von dieser neuen Aufstellung.“ Und der Spaß kommt auch nicht zu kurz. Seit Günthardt bei gemeinsamen Trainingstagen im April in Offenbach, im Zentrum des Hessischen Tennis-Verbandes, ein paar neue Übungen einführte, ist der Schweizer sozusagen immer präsent. „Wenn Petar und ich jetzt irgendwo diese Übungen machen, sagen wir immer: Jetzt machen wir den Heinz“, sagt Petkovic, „und dann geht das Gelächter los.“(Foto: Jürgen Hasenkopf)

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