"Ich habe von Spielerinnen immer mehr gelernt als sie von mir"

Seit Mitte April betreut Sascha Bajin die Französin Kristina Mladenovic. Während einer Presserunde gibt der Deutsche Einblicke in seine Entscheidungsfindung, philosophiert über den Stellenwert der Eltern und erklärt, warum Teamsportarten für ihn nichts sind.

von Nikolaus Fink
zuletzt bearbeitet: 05.05.2019, 10:11 Uhr

Sascha Bajin betreut Kristina Mladenovic
© Getty Images
Sascha Bajin

Wie läuft es bislang mit Kristina Mladenovic?

So weit, so gut. Ich bin sehr glücklich. Sie ist eine sehr harte Arbeiterin. Die Familie hat mich mit offenen Armen empfangen. Ich kenne sie schon seit einiger Zeit, bin aber über viele Dinge positiv überrascht. 

Mladenovic hat erwähnt, dass Sie bereits nach der Trennung von Serena (Williams, Anm.) kurz vor einer Zusammenarbeit standen. Was hat sich seither verändert?

Um ehrlich zu sein, weiß ich das nicht so genau. Das ist schon eine Weile her, aber es stimmt: Wir haben schon damals gesprochen. Ich hatte dieses Mal glücklicherweise einige Optionen – auch von der ATP-Tour –, habe aber gefühlt, dass ich Kiki von allen am meisten weiterhelfen kann. Es ging nicht um das Geld, da hätte ich bei anderen viel mehr bekommen. Ich habe einfach geschaut und gedacht: Wem kann ich mit meinem Wissen am meisten weiterhelfen und was fordert mich heraus? Ich habe nämlich noch nie mit so einer Spielerin zusammengearbeitet. Sie unterscheidet sich sehr von Naomi (Osaka, Anm.), Serena und sogar Caroline (Wozniacki, Anm.). Das war mein gedanklicher Vorgang.

Mladenovic hat oft betont, dass sie keinen Coach braucht, der sie rund um die Uhr betreut. Wie konnten Sie sie überzeugen, dass sie so jemanden doch braucht?

Ich habe sie von nichts überzeugt! Ich fühle mich einfach geehrt, da sie in den vergangenen zwei bis drei Jahren keinen Trainer hatte. Das war für mich sehr interessant. Wenn sie mir dann sagt "Ich will dich wirklich" und es bereits einmal den Wunsch gab, mit mir zu arbeiten, ehrt mich das. Ich weiß nicht, warum sie vorher keinen hatte. Ich bin glücklich, dass ich es jetzt bin.

Die neue Aufgabe ist eine große Herausforderung, da Mladenovic bereits in den Top Ten stand und sich seither mit Verletzungen und mangelndem Selbstvertrauen plagte. Wie ist es, von Naomi Osaka zu jemandem zu wechseln, der die Siegermentalität erst wieder erlernen muss?

Als ich mit Naomi anfing, stand sie auch um Platz 67. Sie hatte damals auch nicht dieses "Mindset". Das ist, was ich jetzt mit Kiki kreieren will. Wir reden viel und ich will, dass sie versteht, was ich auf den Tisch bringen will. Dankbarerweise stimmen wir fast bei allen Sachen überein. Sie soll dem ganzen Prozess trauen und nicht über Sieg oder Niederlage nachdenken – einfach damit sie versteht, was sie machen muss. Um erfolgreich zu sein, muss sie mir vertrauen. Bislang funktioniert das sehr gut.

Was wollen Sie auf den Tisch bringen?

Ohne ihre Schwächen zu sehr verraten zu wollen, wissen ohnehin alle Spielerinnen, dass ihre Rückhand nicht der großartigste Schlag ist. Sie hat eine unglaubliche Vorhand. Ich habe mit Serena acht Jahre lang zusammengearbeitet – wenn ich etwas kann, ist es, jemandem eine Rückhand beizubringen. Das ist die eine Sache. Der Prozentsatz beim Aufschlag ist etwas niedrig. Das ist etwas, woran ich auch mit Naomi und Caroline immer gearbeitet habe. Ich habe von Spielerinnen immer so viel gelernt – mehr als sie von mir. Jetzt arbeiten wir vor allem an Aufschlag und Rückhand. Im Großen und Ganzen geht es auch um die Struktur ihres Spiels. In gewissen Match-Situationen gab es da einige unnötige Dinge und ich will ihr jetzt klarmachen, warum sie etwas zu einer bestimmten Zeit machen soll oder nicht. Das ist es eigentlich.

Können Sie erklären, warum die Zusammenarbeit mit Osaka endete? Sie gewann zwei Grand Slams und war weiterhin auf dem Weg nach oben. 

Es gab ein paar Differenzen. Es war ihre Entscheidung und das respektiere ich. Wenn sie – unabhängig von Erfolg oder nicht – fühlt, dass eine Trennung besser ist, dann ist das ihre Entscheidung. Ich respektiere ihre Entscheidung und wir sind immer noch Freunde. Es war bei Caroline gleich. Wir hatten eine großartige Saison mit sieben Endspielen und hatten noch einen Deal für ein Jahr. Sie wollte nicht mehr weitermachen und das ist okay. 

Es gab ein paar Differenzen.

Sascha Bajin über dir Trennung von Naomi Osaka

Ist es schwierig, im Team Mladenovic einen Platz zu finden?

Nein, absolut nicht. Ich erzähle das sehr häufig: Ich war oft in der Situation, dass ich mit jemandem zusammengearbeitet habe, bei dem die Eltern involviert waren. Mein Vater war auch mein Coach. Niemand wünscht mir mehr Glück als mein Vater und meine Mutter. Manchmal ist es der falsche Weg, aber der Zweck kommt immer aus dem Guten. Ich schätze die Meinung der Mutter sehr. Sie hat ihre Tochter auf Platz zehn der Weltrangliste gebracht, das Gleiche gilt für den Vater. Sie verstehen Sport, sind Athleten und niemand versteht Kiki besser als ihre eigenen Eltern. Ich nehme das Feedback ernst. Ich bin kein Coach, der Mutter und Vater nicht dabeihaben will. Ich will sie inkludieren, weil ich denke, dass sie in ihrem Leben sehr wichtig sind. Besonders bei Leuten, die so lange an ihrer Seite waren, kann ich so viel über Kiki lernen.

Mladenovic hat im Winter ihre Aufschlagbewegung geändert. Werden Sie diese verändern oder beibehalten?

Die Aufschlagbewegung ist gut. Wir haben viel darüber geredet. Ich weiß nicht, wie viele Videos ich auf meinem Handy habe – es ist beinahe schon voll. Im Leben geht es um Timing. Die Saison ist zur Hälfte um, da kann ich nicht dies und das verändern. Das Schöne an Kiki ist, dass uns beiden klar ist, woran wir arbeiten müssen, um uns zu verbessern. Das ist ein gutes Problem. Es geht jetzt darum, dass ich jetzt die richtigen Felder auswähle und gewisse Dinge für später speichere. Beim Service verändern wir aber nichts. Es wurde schon viel besser – dank der Mutter.

Mladenovic ist auch eine großartige Doppelspielerin. Das könnte ein Problem sein, wenn sie auch eine Spitzenspielerin im Einzel werden will. Sollte sie weniger Doppel spielen?

Warum ist das ein Problem? Ich denke, dass das eine persönliche Sache ist. Ich habe mit Kiki darüber geredet und fühle, dass uns das Turnier in Istanbul perfekt auf jenes hier vorbereitet hat. Es geht wie gesagt um das Timing. Es muss zur richtigen Zeit passieren. Sie wird nicht in jedem Turnier Einzel, Doppel und Mixed spielen. Ich denke aber, dass man vom Doppel viel profitieren kann. Man trainiert bereits im Wettkampf das, was man im Training geübt hat – allerdings etwas entspannter. Istanbul haben wir jetzt sogar mit einem Titel verlassen – das ist ein wunderbares Gefühl. Egal, ob Doppel oder Einzel. Ich sehe da kein Problem.

Ich denke, dass man vom Doppel viel profitieren kann.

Sascha Bajin

Sie haben gesagt, dass Sie Struktur in ihr Spiel bringen und die Rückhand verbessern wollen. Sollten Sie das schaffen: Was ist möglich für Mladenovic?

Ich will nicht eingebildet klingen, aber ich beginne nicht mit Spielerinnen zu arbeiten, wenn ich nicht wahrlich daran glaube, dass sie jede Gegnerin schlagen können. In diesem Jahr gab es bei den ersten 18 Turnieren 18 verschiedene Siegerinnen. Kiki könnte mehr als nur eine davon sein. Ich sage nicht, dass sie jetzt dies und das gewinnen wird. Ich habe ihr gesagt, dass wir zu Turnieren fahren und ich unsere Flüge für Sonntag vorbuche. Ich will nicht, dass sie über das Viertelfinale nachdenkt. Wir fahren dorthin, um zu gewinnen. Wir nehmen es Runde für Runde, respektieren jede Gegnerin, aber gleichzeitig denke ich, dass sie sich vor niemanden fürchten muss. 

Sie haben erwähnt, dass Wozniacki ebenfalls nach einer großartigen Saison die Partnerschaft beendete. Das scheint des Öfteren zu passieren. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Ich weiß es nicht. Wir hatten einen guten Lauf und es ist nichts passiert. Vielleicht wollte sie frischen Wind oder etwas anderes. Ich kann das für sie nicht beantworten. Es ist nicht so, dass ich mich nach eineinhalb Jahren langweile. 

In vielen Teamsportarten ist es so, dass der Trainer die Spieler kontrolliert. Da gibt es im Einzelsport eine ganz andere Dynamik. Finden Sie das Coaching im Tennis schwierig?

Nein. Ich liebe diesen Teil unseres Sports. Ich liebe das "One-on-one". Ich liebe es, Veränderungen zu sehen oder dass eine Person für Niederlagen verantwortlich ist. Teamsportarten haben mich nie fasziniert. Ich habe zwar Fußball gespielt, weil ich aus Deutschland komme. Aber wenn mein Freund einen schlechten Tag hatte, ich einen großartigen und wir verloren, war ich sauer. Umgekehrt gilt das auch. Ich mag es, wenn jemand Verantwortung für jemanden übernimmt und ich nehme diese Verantwortung ernst. Für mich ist es einfacher, mit einer Person zu arbeiten als zehn oder elf Menschen zu kontrollieren.

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Sonntag
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