tennisnet.com Turniere

IPL-Veranstalter Andre Begemann: "Es gab eine Solidarität in der Krise"

Ein couragiertes Trio steht hinter der „International Premier League“ (IPL) presented by Merkur: Der langjährige Davis-Cup-Spieler Andre Begemann (36/Lemgo), seine Frau Alessa sowie der Tennisprofi Julian Lenz (27) aus Gießen. Die Schaukampf-Serie, dotiert mit 150.000 Euro über fünf Wochen, gastiert seit Ende Juli bis vorerst zum kommenden Freitag in Halle/Westfalen - am Standort der NOVENTI OPEN, das weltweit bekannte ATP 500er-Rasenevent.

von PM
zuletzt bearbeitet: 18.08.2020, 13:40 Uhr

Julian Lenz, Alessa und Andre Begemann
© International Premier League
Julian Lenz, Alessa und Andre Begemann sind die Turnier-Initiatoren der „International Premier League“ presented by Merkur.

Das erklärte Motto der IPL-Serie lautet: „von Spielern für Spieler.“ Im Interview spricht Turnierdirektor Andre Begemann zusammen mit den beiden weiteren Initiatoren, Alessa Begemann und Julian Lenz, unter anderem über die Entstehung der Turnierserie für Frauen und Männer, weitere Veranstaltungspläne, die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Tennissport und die Gründung einer Spielergewerkschaft, die unabhängig von der ATP ist. „Die Tendenz zu dieser Interessenvertretung ist eindeutig. Auf der Tour werden zu viele Dinge von oben herab entschieden“, sagt Begemann.

Wie kam es eigentlich zu der ‚International Premier League‘, wer hatte die Idee dazu?

Andre Begemann: „Es war Ende April, als nach dem großen Lockdown der Trainingsbetrieb wieder begann. Julian und ich sind eher die Typen, die auch wirklich Matches spielen wollen, die das Ziel eines Wettkampfs brauchen. Das Trainieren wurde schon monoton, es kam einfach die Frage auf: Wofür machen wir denn das alles, wo ist die Perspektive? Mehr aus Jux haben wir uns dann mal gefragt, wie es wäre, wenn wir eine Kamera aufstellen und unser Training streamen. Eines Tages gingen wir einen Schritt weiter und haben überlegt: Warum stellen wir nicht selbst einen Event auf die Beine? Dann haben wir mal alles aufgeschrieben, was man aus unserer Erfahrung heraus für ein Turnier braucht. Und wir haben mit anderen Spielerinnen und Spielern geredet. Die Reaktion war überwältigend. Jeder hat gesagt: Wenn ihr das macht, sind wir dabei.“

Zunächst sollte es ja nur eine German Premier League werden, oder?

Andre Begemann: „Genau. Das hatte mit den damaligen, noch schärferen Corona-Regeln zu tun. Aber wir haben sowieso ein paar Dutzend Mal die Pläne ändern und umschreiben müssen, oft auch drei Mal am Tag. Es war ein fließender Prozess, man musste schon sehr flexibel sein. Bis dann eines Tages die International Premiere League in trockenen Tüchern war.“

Wie kam der Standort HalleWestfalen ins Gespräch?

Julian Lenz: „Halle ist ein wichtiger Schauplatz im deutschen Tennis. Und wir beide, Andre und ich, haben eine besondere Verbindung zu Halle.“

Andre Begemann: „Genau, Julian hat hier zusammen mit Dominic Thiem den Pokal beim Nachwuchsturnier (Anm.: Gerry Weber Junior Open 2011) geholt, und ich gewann das ATP-Doppel (Gerry Weber Open 2014) gegen Roger Federer im Finale. Es gibt halt eine tolle Infrastruktur, die kurzen Wege, die unkomplizierten Abläufe. Mit Ralf Weber hatten wir einen perfekten Partner. Wir konnten hier sehr effektiv die Hygiene-Regelungen umsetzen. Kurios: Es gab doch tatsächlich wieder einen Irrläufer: Eines Tages rief mich ein Spieler an und fragte, wo denn hier in Halle um Himmels willen das Turniergelände sei. Er war in Halle an der Saale….“

Welches Feedback bekamen Sie von den Spielern?

Julian Lenz: „Die ganze Truppe ist sehr glücklich über diese Turnierserie. Und über die Bedingungen, die sie vorfindet. Jeder freut sich, auf dem Platz zu stehen, im Wettkampf zu sein. Der Hunger auf Tennis ist sehr, sehr groß gewesen. Und hier wird nicht Larifari gespielt, das Niveau ist teilweise unglaublich hoch. Das Gute ist: Wir haben einen engen Draht zu den Spielern. Da existiert schlicht eine sehr gute Verbindung von Turnierorganisation zum Spielerfeld. Unser Motto haben wir auch gelebt: von Spielern für Spieler.“

Sie haben vielen Spielerinnen und Spielern auch erstmals wieder die Möglichkeit gegeben, Geld zu verdienen.

Julian Lenz: „Das war auch ein zentrales Anliegen. Wir wissen, dass die Top 100 bis 150 sehr gut bis ordentlich versorgt sind. Dass dahinter, aber sehr viele um ihren Beruf bangen müssen, wenn gar keine Einnahmen mehr da sind. Es war sehr wichtig, dass der Deutsche Tennis Bund einen ersten Impuls mit seiner Turnierserie gab. Und wir sind dieser Linie dann auch gefolgt, haben einem breiten Feld von Profis auf den Platz verholfen. Wir haben auch ganz bewusst das Feld erweitert, soweit es nur eben ging. Jeder, der in Frage kam und mitmachen wollte, sollte auch seine Chance bekommen.“

Andre Begemann: „Wir haben auch schon darauf geachtet, dass wir jenen Profis eine Plattform bieten, die vom Tennis leben wollen und müssen. Sonst wäre auch der sportliche Anspruch verwässert worden. Und doch gab es natürlich eine große Breite, von Leuten wie Jan-Lennard Struff und Philipp Kohlschreiber bis hin zu vielversprechenden Talenten, die erst am Anfang ihrer Karriere stehen. Es war eine spannende Besetzung.“

Sie haben bei Sponsoren und Partnern Geld für die ‚International Premiere League‘ einwerben müssen. Wie schwierig gestaltete sich die Finanzierung?

Andre Begemann: „Nun, wir haben da alle Kontakte aus unserem beruflichen Umfeld gebündelt und auch jeden angesprochen, von dem wir dachten: Der möchte jetzt auch wieder als Partner, Unterstützer und Förderer des Tennissports erscheinen. Und der einen Mehrwert für sich sieht durch diese Partnerschaft. Es gab große Unterschiede. Von denen, die sofort dabei waren. Bis zu denen, die es so schnell nicht entscheiden konnten und auch finanzielle Schwierigkeiten hatten.“

Alessa Begemann: „Es war für uns von Anfang an klar, dass die Suche nach potentiellen Partnern und Sponsoren eine Herausforderung darstellen wird. Wir haben uns die Arbeit daher konsequent aufgeteilt: Ich habe mir durch meine langjährige Erfahrung im Projekt- und Eventmanagement ein großes Netzwerk aufgebaut. Corona war da natürlich für viele eine Hürde. Viele müssen eben kürzertreten. So bekamen wir von potentiellen Sponsoren mehr als einmal die Antwort: Wir sind total tennis-begeistert, wir finden das Projekt toll, aber die Zeit ist für uns schwierig. Andererseits sagten auch viele: Ruft bitte nächstes Jahr wieder an, wenn ihr was Ähnliches vorhabt. Julian und Andre fokussierten sich auf die tennis-spezifischen Dinge, brachten aber auch ihr Netzwerk fürs Business mit ein. Deshalb haben wir uns besonders auf die Partner konzentriert, die seit vielen Jahren den Tennissport in der Gemeinschaft unterstützen und fördern.“

Wie war dort das Feedback?

Alessa Begemann: „Besonders bei diesem Projekt waren wir überrascht und dankbar, wie positiv unsere Ideen angenommen wurden. Besonders für die Gestaltung der Event-Konzeption war es entscheidend, dass wir so viel positive Rückmeldung erhalten haben. Dem Unternehmen Merkur sind wir seit vielen Jahren sehr verbunden. Sie bekannten sich von Anfang als Hauptsponsor zu unserer Veranstaltung. Ohne eine solche Zusage, wäre die Umsetzung in dem Umfang nicht möglich gewesen.“

Sind weitere Turniere in der Pipeline?

Alessa Begemann: „In den letzten Wochen haben uns schon ganz viele Sportler gefragt: Macht ihr demnächst noch ein Turnier? Die Resonanz ist echt stark. Wir haben tatsächlich auch diese Überlegung angestellt, auch mit Blick auf die Off-Season im Winter. Aber es gibt noch nichts Konkretes zu vermelden.“

Ist dieses Geschäft als Turnierveranstalter auch eine Perspektive für die Zukunft, für die Zeit nach der aktiven Karriere?

Andre Begemann: „Wir wollten alle mal in dieses Business reinschnuppern. Und testen, ob es uns gefällt. Das tut es, keine Frage. Deshalb ist schon die Überlegung da, sich da auch später zu engagieren. Ganz einfach, weil wir diese Branche aus dem Effeff kennen, aus dem Spieler-Blickwinkel. Wie erwähnt: Wir haben da auch eine andere Ansprache zu den Spielerinnen und Spielern, ein Verhältnis auf Augenhöhe. Denn das ist auch etwas, was auf der Tour fehlt: Das partnerschaftliche Miteinander. Zu viele Dinge werden von oben herab entschieden, ohne Konsultation der Menschen, die es betrifft. Das gilt für alle Spielerorganisationen.“ Für uns war es auch eine große Chance, die sich in dieser besonderen Zeit ergeben hat. Wir konnten im großen Stillstand plötzlich aktiv werden, uns präsentieren mit diesem Event. Im normalen Tour-Betrieb sind da die Schranken sonst geschlossen, da findest du keinen Zugang, keine Lücke. Bisher hat das Ganze jedenfalls viel Spaß gemacht. Und ich habe einen Namen für unsere neue Unternehmung gefunden: Fever Sports GmbH: Fieber für den Sport halt.“

Wie hat sich die Corona-Krise auf das Innenleben des Tennissports ausgewirkt: Ist der Zusammenhalt größer geworden? Oder driften die Welten auf der Tour weiter auseinander?

Andre Begemann: „Die Beobachtung bei der ‚International Premier League‘ war, dass die Spieler sehr eng miteinander verbunden sind. Dass es eine Solidarität in der Krise gibt. Gleichzeitig ist die Kluft zu den Funktionären größer geworden, von den Institutionen gab es auch sehr wenige Impulse und Ideen. Da ist viel Vertrauen verloren gegangen, weil viele Spieler dachten: Was tut denn mein Mit-Arbeitgeber eigentlich für mich in einer solchen Situation? Da ist schon eine große Entfremdung entstanden, da fehlt inzwischen absolut die Nähe zu den Spielern.“

Wird das dazu führen, dass sich eine Spielergewerkschaft bildet?

Andre Begemann: „Diese Tendenz ist eindeutig da. Die Tendenz zu einer Interessenvertretung, die unabhängig ist von der ATP. Darüber wird schon länger sehr intensiv in Spielerkreisen geredet. Aber Corona hat diesen Plänen wohl noch mal einen Schub gegeben. Das ist keine Revolte. Wir brauchen einfach eine neue Instanz, die effektiver reine Spielerinteressen vertritt.“

Wir haben in der Corona-Zeit auch Negativ-Schlagzeilen gehabt. Mit Disziplinlosigkeiten bei Events, mit Spielern, die sich mit dem Virus infizierten. Wie haben Sie Ihre Berufskolleginnen und -kollegen hier bei der IPL erlebt?

Julian Lenz: „Als sehr verantwortungsvoll, als Profis, die sich sehr bewusst waren, was ein Fehlverhalten für Konsequenzen haben würde. Alle haben sich wirklich an die Spielregeln gehalten. Wir haben auch immer wieder ermahnt, sich an das Hygiene-Konzept zu halten. Wir haben gesagt, was hier auf dem Spiel steht. Und das hat auch eindringlich gewirkt.“

Was dürfen wir von der Rest-Saison im Tennis erwarten?

Andre Begemann: „Wir müssen uns schweren Herzens damit abfinden, dass es noch einige Zeit keine vollen Stadien und die gewohnte Atmosphäre geben wird. Der Turnierkalender wird immer mal wieder verändert werden, und vielleicht ergeben sich auch neue Chancen auf Events wie die IPL. Es kann sein, dass ich persönlich erst wieder 2021 so richtig ins Tennis einsteige.“

Julian Lenz: „Mir geht es persönlich ähnlich. Durch Corona hatte ich ein wenig die Lust verloren, ganz einfach, weil mir die Wettkampf-Perspektive fehlte. Ich mache mir keinen Stress mit Turnier-Engagements. Es war jetzt einfach schön, mal Tennis in einer anderen Rolle zu erleben, als Mit-Gestalter dieses Events. Es hat Lust auf mehr gemacht.“

von PM

Dienstag
18.08.2020, 20:40 Uhr
zuletzt bearbeitet: 18.08.2020, 13:40 Uhr