Jahreszeugnis Ons Jabeur: Künstlerin mit zarten Nerven - Zwei plus

Ons Jabeur hat das Jahr als Nummer zwei der WTA-Charts und zwei Titeln abgeschlossen. Und muss sich dennoch fragen, ob nicht noch mehr drin gewesen wäre.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 09.12.2022, 14:38 Uhr

In Wimbledon hätte Ons Jabeur den Titel holen sollen
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In Wimbledon hätte Ons Jabeur den Titel holen sollen

Wer der Spielidee von Ons Jabeur nichts abgewinnen kann, der hat Tennis nie geliebt. Aber wirklich nicht. Der Gedanke, den Slice nicht nur in höchster Not, sondern als wunderbares Stilmittel einzusetzen, ist ja bei Frauen wie auch bei Männern in den vergangenen Jahren immer mehr verschütt gegangen. Roberta Vinci hat früher den unterschnittenen Ball zelebriert, Monica Niculescu kann wahrscheinlich gar nicht anders, und Tatjana Maria schnitzt einfach, weil sie es kann. Ansonsten ist an dieser Front eher Ruhe.

Aber apropos Vinci und Maria: Beide spielen für das Jahr 2022 von Ons Jabeur eine Rolle. Denn auf dem Weg in ihr erstes Wimbledon-Finale besiegte die Tunesierin in der Vorschlussrunde Tatjana Maria. Um dann im Endspiel gegen Elena Rybakina zu verlieren. Und wie Vinci 2015 schaffte es Jabeur mit ihrem variablen Ansatz in das Endspiel der US Open. Musste sich dort aber Iga Swiatek geschlagen geben.

Jabeur gewinnt in Madrid und Berlin

Letzteres ist begründbar, Swiatek war mit deutlichem Abstand die beste Spielerin der Saison. Das Endspiel an der Church Road gegen Rybakina wird Ons Jabeur aber noch länger nachhängen. Denn wer weiß, ob sie noch einmal die Chance bekommt, das immer noch prestigeträchtigste Turnier im Tenniszirkus zu gewinnen (andererseits: warum eigentlich nicht?). Die jüngere Geschichte der Wimbledon-Finali ist ja bei den Frauen nicht arm an leicht überraschenden Ergebnissen - man denke nur an die zwei Pleiten von Serena Williams gegen Angelique Kerber 2018 und ein Jahr später gegen Simona Halep. Das 6:3, 2:6 und 2:6 gegen Rybakina kam aber wie aus heiterem Himmel. Vor allem nach dem gewonnenen ersten Satz für Jabeur.

Aber gut. Zu Buche stehen immerhin die Titel in Madrid (wo Swiatek nicht am Start war) und Berlin. Dazu weitere Endspiel-Teilnahmen in Rom (Niederlage gegen Swiatek) und Charleston (Niederlage gegen Belinda Bencic, die sie in Berlin im Endspiel dann bezwingen konnte).

Neben den Enttäuschungen in London und New York City hätte Ons Jabeur wohl zwei Matches gerne noch einmal gespielt: jenes in der ersten Runde von Roland Garros, wo sie mit 5:7 im dritten Akt gegen Magda Linette unterging. Und das Viertelfinale beim Heimturnier in Monastir gegen Claire Liu, das Jabeur ebenfalls in drei Sätzen verlor.

Alles in allem jedoch: Die Endabrechnung 2022 weist 47 Siege bei 17 Niederlagen aus, dazu ein Preisgeld von knapp fünf Millionen US Dollar. Das reicht locker zu einer Zwei plus.

von Jens Huiber

Samstag
10.12.2022, 08:05 Uhr
zuletzt bearbeitet: 09.12.2022, 14:38 Uhr