Rücktritt für Knowle kein Thema
Der heimische Routinier will noch im Laufe der Rasensaison wieder ins Turniertennis einsteigen und um seinen Platz in den Top 50 kämpfen.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
21.05.2011, 13:09 Uhr

Es ist wahrlich eine verkorkste Saison für Julian Knowle: Im Dezember zog sich der Doppel-Spezialist mitten im Aufbau für 2011 einen Leistenbruch zu, musste operiert werden und für die Australian Open absagen. Beim Davis-Cup-Hit gegen Frankreich im März wurde ihm Oliver Marach vorgezogen. Und im April erlitt der Vorarlberger einen Muskelfaserbündelriss im rechten Oberschenkel und – wie erst Dienstag diagnostiziert wurde – auch einen Sehneneinriss. Die Folge: Knowle steht ohne Partner Simon Aspelin da und kann nächste Woche auch in Paris nicht aufschlagen. Doch das alles ist für den 37-Jährigen kein Grund, das Handtuch zu werfen. Julian Knowle im Interview mit tennisnet.com.
Julian, du hast deinen Start bei den French Open leider absagen müssen. Was hat letztendlich den Ausschlag dafür gegeben?
Dass die Sehne am rechten, hinteren Oberschenkel eingerissen und das Ganze noch nicht ausgeheilt ist. Das Risiko wäre einfach zu groß gewesen, dass ich mir die Sehne bei Turnier- oder Wettkampf-Tennis noch mal oder noch weiter einreiße oder sogar gänzlich abreiße.
Ursprünglich war ja nur ein Muskelfaserbündelriss diagnostiziert worden. Hättest du mit diesem ohnehin auch nicht spielen können?
Dieser Sehneneinriss war schon ursprünglich dabei, den hab ich mir ebenfalls vor sechs Wochen in Casablanca zugezogen. Der ist bei ersten MRI nicht gesehen worden, weil man von der Position nicht so weit raufgegangen ist. Der Muskelfaserbündelriss war weiter unten, die Sehne aber ganz oben beim Ansatz eingerissen.
Für einen medizinischen Laien stellt sich da die Frage: War das ein ärztlicher Fehler?
Es macht von der Therapie her nicht viel Unterschied. Das einzige Problem ist der Zeitfaktor, eine Sehne verheilt viel langsamer. Für mich war es recht schwer zu orten, wo der Schmerz genau ist, ich konnte den Punkt nicht genau sagen, nur eine Region. Den Arzt trifft da für mich keine Schuld. Ich hätte in den letzten Wochen sowieso nichts Anderes gemacht.
Was bedeutet diese zusätzliche Sehnenverletzung? Wie viel schlimmer macht sie es?
Na ja, die Pause wird länger dauern als erhofft und geglaubt. Es ist aber so, dass ich relativ gut schon aus dem Stand spielen kann und alles, was mit ein, zwei Schritten erreichbar ist.
Wo herrschen dann noch genau die Probleme?
Wenn ich richtig nach vorne sprinten muss und wenn ich rutsche. Das Rutschen fällt ja auf Rasen weg, es geht also darum, alles in den nächsten zehn bis 14 Tagen zu stabilisieren, so dass alles gut ist und ich möglichst bald wieder ins Turniertennis einsteigen kann.
Stimmt es, dass du schon mit Kevin Anderson fix vereinbart hattest, Paris zu spielen?
Ja, das stimmt. Nachdem mir Simon Aspelin abgesagt hat, hab ich mal genauer geschaut. Doppelspieler werde ich so kurzfristig keinen finden. Darum hab ich mich gefragt, mit welchem Einzelspieler könnte es gut gehen? Wer hat noch Niemanden? Dann hab ich Kevin gefragt und er hat gleich zugesagt. Das ist jetzt leider ins Wasser gefallen. Aber ich weiß nicht mal, ob er selber überhaupt spielen kann, er hat sich in Rom im Einzel am Fußgelenk verletzt.
Wieviel und was hast du seit deiner Verletzung überhaupt trainieren können?
Ich spiele seit zehn Tagen aus dem Stand, langsam natürlich immer mehr, aber bisher war’s lediglich ein bisschen Schlagtraining. Davor war nur leichtes Laufen möglich und etwas im Ausdauerbereich zu machen. Ganz am Anfang hab ich nur Radfahren können.
Paris kommt also noch zu früh. Nach den French Open wirst du durch dein Vorjahres-Semifinale im Ranking nur noch um Platz 90 stehen, zuletzt warst du in diesen Regionen im Jahr 2001 zu finden. Ist das die kritischste Situation deiner Karriere?
Ich hab schon viele solche Situationen gehabt, bin schon sehr oft abgeschrieben worden und bis jetzt bin ich immer ganz gut zurückgekommen. Aber natürlich macht es dieser Rückfall nicht gerade leichter. Man muss allerdings das ganze Bild sehen: Wenn man seit November nur sechs Turniere spielen kann, dann kann man sich nicht erwarten, dass man unter den ersten 20 steht.
Was hat das alles jetzt für Folgen?
Es ist einfach eine verkorkste Saison. Man darf sich da jetzt aber nicht zu schade sein, zurück zu Challengern zu gehen. Einige World-Tour-Turniere werden im Sommer aber auch nicht so stark besetzt sein, da komm ich auch mit einem Ranking von 90 rein. Und wenn ich zwei, drei gute Turniere spiele, dann werde ich auch leichter wieder gute Partner kriegen. Aber natürlich wird das alles nicht ganz so einfach.
Wie sehr war es denn für dich ein Thema, sich eben diesen Rückschritt auf Challenger-Ebene mit 37 Jahren gar nicht mehr erst anzutun?
Gar nicht. Ich hab nicht einmal eine Sekunde daran gedacht, aufzuhören. Ich glaube, dass ich so gut bin, dass ich, wenn ich fit bin, rasch wieder von den Challengern zurück auf die ATP-Tour kann. Dann wird sich zeigen, was noch geht.
Wie sieht jetzt die Marschroute für die nächsten Tage aus?
Ich mache im Moment jeden zweiten Tag eineinhalb Stunden Schlagtraining. Und ich bin jeden Tag in Therapie bei Freddy Siemes, dem Davis-Cup-Physiotherapeuten. Übernächste Woche hab ich dann wieder einen Termin beim FC-Bayern-Arzt Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, dann werden wir sehen, wie’s ausschaut.
Ist ein Wimbledon-Start nach derzeitigem Stand in Gefahr?
Nein, den sehe ich nicht in Gefahr. Es ist auch diese Woche viel weitergegangen. Aber es ist natürlich bitter, dass nicht genug weitergegangen ist, um in Paris spielen zu kommen, das ist einfach noch eine Woche zu früh – eine Woche später wär’s vielleicht schon gegangen. Ich wollte ja eigentlich spielen, aber Dr. Müller-Wohlfahrt hat gesagt nein, das ist zu gefährlich. Mit dem zweiten MRI, das dann den Sehneneinriss gezeigt hat, war dann ohnehin klar, dass es keinen Sinn macht.
Gibt es noch irgendwelche Pläne, die du für die weitere Saison hast? Hast du ein paar Partner in Aussicht oder ist das alles noch unklar, mit wem du wo spielen wirst?
Das ist alles noch unklar. Ich glaube, dass ich einfach von Woche zu Woche schauen muss. Mit einem Ranking um 90 ist es halt schwer, jemanden Guten zu finden, der auf Fulltime-Basis spielen will. Ich hoffe, dass ich heuer noch halbwegs reinkomme und unter den Umständen möglichst gut spielen werde.
Was ist denn heuer noch realistisch? Wie sehen deine Ziele aus?
Wenn ich das Jahr noch irgendwie unter den Top 50 beende, dann wäre ich schon sehr froh. Ich hab heuer erst 90 Punkte vom Zagreb-Halbfinale zu Buche stehen, das heißt ich brauche wohl noch fast 1500 Punkte. Das wird schwer werden, muss aber sicher das Ziel sein.
Richtig schwere Verletzungen hattest du in den letzten Jahren ja nicht. Worin siehst du jetzt die Gründe für diese plötzliche Häufung? War die andere Vorbereitung heuer bei Michael Oberleitner vielleicht etwas zu intensiv?
Das ist alles schwer zu sagen. Wenn ich in den letzten Jahren was hatte, dann – abgesehen von der Lungenentzündung, die mich im Vorjahr fünf Wochen gekostet hat – eigentlich nur Faserrisse, das aber recht regelmäßig. Ich hab erst in der Woche vor dem Davis Cup gegen Frankreich extra noch eine Blutuntersuchung machen lassen in Hinsicht auf Muskelfaserrisse. Da ist zwar ein Mangel von einigen Spurenelementen festgestellt worden, aber sonst nichts Dramatisches. Wenn ich wüsste, woran das alles jetzt liegt, wäre mir viel geholfen.
Kommt einfach erschwerend dein für einen Tennisprofi fortgeschrittenes Alter hinzu?
Mein Alter lässt sich natürlich nicht abstreiten. Ich hab halt über einen langen Zeitraum, viele, viele Jahre den Körper ans Limit gefordert. Dass das dann vielleicht mal nach hinten losgeht, kommt wohl auch dazu. Und wenn ich sechs Wochen nicht spiele, fange ich auch nicht dort an, wo ich aufgehört hab. Je älter man wird, desto schwerer wird das alles. Aber Jammern hilft jetzt nichts. Wenn man sich dazu entscheidet, es noch mal anzugehen, dann mit 100 Prozent. Und genau das will ich machen. Ich spiele immer noch zu gerne Tennis und hänge an diesem Sport.
Das Gespräch führte Manuel Wachta.
(Foto: GEPA pictures)
