"Das Leben am Existenzminimum geht an die Substanz"

Die Neu-Österreicherin redet im Gespräch mit tennisnet.com über ihr internationales Karriereende und die Pläne für die Zukunft.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 04.04.2011, 11:03 Uhr

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Julia Babilon hat im Alter von 26 Jahren ihre internationale Tenniskarriere beendet. Die 546. der Weltrangliste, zu ihren besten Zeiten rund 200 Plätze besser positioniert, erklärt im Gespräch mit tennisnet.com ihren persönlichen Teufelskreis aus Finanzen, fehlender Betreuung und Einsamkeit.

Frau Babilon, zuletzt war davon zu hören, dass Sie ihre internationale Karriere beendet haben. Stimmt das?

Weitestgehend, ja. Ich bin gerade nach Österreich gezogen, weil mein Vater schon seit Jahren in Klagenfurt wohnt und ich hier somit schon sozialen Anschluss habe. Der Wörthersee und die Berge bieten einem viele Möglichkeiten. Ich werde allerdings noch einige ITF-Turniere in der Region spielen um mein Ranking einigermaßen zu halten. Das ist die Vorraussetzung, damit ich weiterhin in Deutschland, den Niederlanden und eben hier in Österreich Liga spielen kann.

Sie sind erst 26 Jahre alt. Ist das nicht etwas früh?

Bei dem Gedanken an weitere Turniere habe ich Magenschmerzen bekommen. Es ist einfach nichts für mich, immer auf sich alleine gestellt zu sein. Zuletzt habe ich mich bei den Turnieren immer unwohl gefühlt.

Können Sie das näher erklären?

In Dubai, als wir mit ein paar Mädels bei Frank Scheunert umsonst wohnen konnten, habe ich mich richtig wohl gefühlt. Aber wenn man den Großteil des Jahres ohne Tourcoach in den billigsten Hotels wohnen muss und genau darauf achtet, dass das Essen nicht zuviel kostet, kann man keine Wohlfühlzone schaffen. Es ist nur noch ein Kampf – auf dem Platz und daneben.

Der für Sie nicht mehr zu gewinnen war?

Wenn man drei oder vier Mal im Monat fliegt kommen schnell Kosten von 1000 Euro zusammen. Dazu muss man das Training bezahlen. Die Preisgelder bei kleinen Turnieren reichen, wenn man Glück hat, für die Hotelkosten. Am Ende des Jahres ist nicht ein Cent mehr auf dem Konto und man lebt am Existenzminimum. Das geht an die Substanz, sodass ich die Reißleine ziehen musste.

Andere Spielerinnen können die Kosten durch Sponsorengelder ausgleichen oder werden von ihren Eltern unterstützt.

Meine Eltern haben nicht den finanziellen Background um mir den Sport zu finanzieren und einen Sponsor hatte ich zuletzt zu Jugendzeiten. Als ich mich dann nach der mittleren Reife entschieden habe auch noch mein Abitur zu machen, wollte er mich nicht mehr fördern. Von den Verbänden habe ich noch nie etwas bekommen.

Haben Sie sich auf die Suche nach neuen Geldgebern gemacht?


Ja, aber leider ohne Erfolg. In eine 26-Jährige will heutzutage auch keiner mehr investieren. Zudem merkt man in den Gesprächen, dass die Wirtschaftskrise immer noch nachwirkt. Zuletzt hat man ja auch bei der Mannschafts-Weltmeisterschaft in Düsseldorf gesehen, dass Geldgeber in Deutschland für den Tennissport nur nach langer Suche zu finden sind.

Zuletzt haben Sie auch für einige Monate mit Marc-Kevin Goellner als Trainer zusammengearbeitet. Hat er Sie nicht vom Weiterspielen überzeugen können?

Die Entscheidung ist unabhängig von seiner Arbeit gefallen. Er hat mich ohnehin super unterstützt und ich konnte viel von ihm lernen. Er hat überhaupt eine sehr professionelle Einstellung und tut viel für seine Schützlinge. Wenn es da irgendwo gehakt hat, war er immer bereit, Sonderschichten mit einem zu machen. Das war kein Lari-Fari, sondern immer sehr fokussiert und zielstrebig. Genau diese Unterstützung hätte ich auch auf den Turnieren gebrauchen können. Ein Trainer sieht einfach viel mehr als man selber während der Partie wahrnehmen kann.

Die beste Phase in Ihrer Karriere liegt schon eine Weile zurück. 2005 hatten Sie mit Platz 357 ihr Career High, konnten dann im folgenden Jahr auf Grund ihrer Verletzungsprobleme aber nicht ein Turnier spielen. War Ihr Körper auch ein Grund dafür, dass Sie nie in deutlich höhere Regionen gekommen sind?

Ich denke schon. Ende 2005 hatte ich beim Konditionstraining plötzlich Fußschmerzen. Wie man als junge Spielerin so ist, habe ich es erstmal ignoriert und mir eine Entzündung zugezogen. Die Probleme sind dann so groß geworden, dass mein Sprunggelenk fast durchgebrochen wäre. Bei der Operation wurde dann die Plantarfaszie eingekerbt und das entzündete Gewebe beseitigt, so dass ich fünf Wochen an Krücken gehen musste. Der Arzt meinte zu mir, dass ich gar keinen Leistungssport mehr machen werden kann. Zu dem Zeitpunkt konnte ich keine 20 Minuten auf meinen Beinen stehen und nicht mal Fahrrad fahren.

Dann wurde es aber doch wieder besser.

Genau. Aber als ich dann wieder fit war, habe ich mir mein Kreuzband gerissen. Wieder beim Konditionstraining, dieses Mal bei einem einfachen Split Step. Die Ärzte meinten hinterher, dass die veränderte Statik nach den Fußoperationen wohl die Ursache war. Meine Englischlehrerin hatte mit der alten Binsenweisheit „Sport ist Mord“ wohl doch recht.

Sie haben in ihrer Karriere fünf 10.000-Dollar-Turniere gewonnen. Was glauben Sie, was Sie ohne die Verletzungen und finanzielle Sorgen und dafür mit einem professionellen Umfeld hätten erreichen können?

Das ist natürlich schwer zu sagen, aber ich habe einige Spielerinnen schlagen können, die in den Top 100 standen. Leider fehlte immer die Kontinuität und ich hatte nie die Chance, Spielerinnen dieser Kategorie dauerhaft vor der Brust zu haben. Man hat mir immer eine gute Karriere vorausgesagt. Ich wäre unter die ersten 100 gekommen.

Konnten Sie die langen Verletzungspausen denn nutzen um sich beruflich fortzubilden?


Ja, ich habe eine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau gemacht, die ich 2009 beenden konnte.

Ein Bereich, in dem Sie auch in Zukunft tätig sein wollen?

Ich suche derzeit eine Stelle, die ich im Herbst beginnen kann. Im Moment habe ich ein paar Optionen und hoffe in Kärnten beim Fremdenverkehrsamt in der Werbung unterzukommen.

Und bis dahin stehen die Liga-Spiele an?

Zunächst werde ich im April noch ein Preisgeldturnier in Deutschland spielen und im Anschluss zwei Wochen mit Marc-Kevin Goellner in der Türkei bei einem Camp für Jugendliche als Trainer arbeiten. Im Mai gehen dann die Ligen los, die ich als zweites finanzielles Standbein gut gebrauchen kann.

Frau Babilon, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute.


Das Interview führte Nils Lehnebach.
(Foto: GEPA pictures / Felix Roittner)

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04.04.2011, 11:03 Uhr