"Kohli" letzter Mohikaner - Aus für Görges und Reister

Philipp Kohlschreiber ist einziger Deutscher in Paris. Julia Görges und Julian Reister lernten von den Topstars.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 28.05.2010, 16:53 Uhr

Von Jörg Allmeroth, Paris

Er ärgerte und piesackte den Meister aller Klassen genau einen Satz und 40 Minuten lang. Doch die Tenniswelt wurde nicht auf den Kopf gestellt an einem strahlend schönen Sonnentag, an dem die wundersame French Open-Expedition des Nordlichts Julian Reister dann doch zu Ende ging – gegen einen Roger Federer, der, einmal in Schwung gekommen, die Partie der dritten Runde mit kühler Konsequenz und beeindruckender Souveränität 6:4, 6:0 und 6:4 gewann.

Während Reister bei seinem traumhaften Rendezvous mit dem Weltranglisten-Ersten auch ohne Erfolgserlebnis einen gewinnenden Eindruck hinterließ, blieb Philipp Kohlschreiber nun als einziger DTB-Profi bei den Grand Slam-Festspielen unterm Eiffelturm zurück: Der deutsche Frontmann arbeitete sich mit einem solide erkämpften 7:6 (7:5), 6:3 und 7:5-Pflichtsieg über den Südtiroler Andreas Seppi in die dritte Runde vor.

Kohlschreiber schafft sein Minimalziel

Minimalziel also erreicht für Kohlschreiber, der sich nun aber schon am Samstag einer überaus schweren Aufgabe gegen den Weltranglisten-Neunten Fernando Verdasco (Spanien) zu stellen hatte. Als letzte deutsche Damenspielerin schied derweil Julia Görges aus, 1:6 und 1:6 abgefertigt von einer unbarmherzig guten, titelverdächtig starken Serena Williams. Federers größter Titelrivale Rafael Nadal zog gegen den Argentinier Horacio Zeballos mühelos 6:2, 6:2, 6:3 in die dritte Runde ein.

Federer im Rücken, „ein Grummeln im Bauch und ein bisschen Angst vor der ganzen Situation“ – so hatte Reister, der deutsche Überraschungsmann dieser French Open 2010, den Court Suzanne Lenglen um Viertel nach Eins betreten. Doch seine anfänglich übergroße Nervosität schüttelte der Reinbeker ab, nachdem er gleich im ersten Aufschlagspiel einen 0:40-Rückstand wettgemacht hatte und noch 1:0 in Führung ging.

„Da habe ich ein klein wenig aufgeatmet. Da war das allerschlimmste Flattern vorüber“, sagte Reister hinterher, „aber ganz zufrieden bin ich nicht mit mir.“ Bis zum 4:4 hielt der 24-jährige Spätzünder gut mit, brachte Federer mehr als einmal ins Schwitzen – aber als es dann auf die Zielgeraden des ersten Satzes ging, verschärfte der Titelverteidiger das Tempo und die Entschlossenheit. Reister verlor den Aufschlag zum 4:5 und schnell danach auch diesen ersten von drei Akten.

Reister vom Meister überrumpelt

Im zweiten Satz ging dann plötzlich alles viel zu schnell für Reister, der von einem in den sechsten bis siebten Gang schaltenden Federer hoffnungslos überrumpelt wurde. Binnen 18 Minuten waren sechs Spiele gespielt, alle für Federer und keins für Reister. „Man merkt schon, dass Federer eine ganz andere Hausnummer ist als alle anderen. Ich hoffe, dass ich noch mal in meiner Karriere die Gelegenheit zur Revanche kriege.“

Doch der Norddeutsche kämpfte sich noch einmal zurück in die Partie, hielt den Zweikampf in Satz drei offen. Das logische Ende war freilich nicht zu vermeiden, Federers Sieg, der nach einem vergebenen ersten Matchball mit Doppelfehler dann nach einer Stunde und 32 Minuten fixiert war. „Gut gemacht, gutes Spiel, gutes Turnier“, gab der Schweizer seinem Gegner am Netz noch mit auf den Heimweg, und das war ja auch die Wahrheit.

Kohlschreiber tat sich schwer mit dem kapriziösen Sandplatzexperten Seppi, einem Mann, der seinem Gegenspieler keinen Rhythmus gibt und gern zwischen Genie und Wahnsinn umherschwankt. Erst nach dem gewonnenen Tiebreak im ersten Satz spielte der Augsburger, hier an Platz 30 gesetzt, mit mehr Sicherheit und brachte zunehmend Druck und Risiko in seine Schläge. Schnell holte sich Kohlschreiber Satz zwei und wendete auch im dritten Durchgang einen 3:5-Rückstand zum 7:5 – Game over damit für Seppi.

Und Kohlschreiber? „Ich hatte nur ganz wenige Tiefen in diesem Spiel, bin sehr zufrieden“, sagte er, „auch gegen Verdasco rechne ich mir eine Chance aus.“ Immerhin hatte Kohlschreiber den Spanier vor Jahresfrist im hitzigen Davis Cup-Duell in Mallorca besiegt.

Görges fühlt sich ernst genommen

In der Frühschicht auf Court Suzanne Lenglen hatte Deutschlands letzte Tennis-Mohikanerin, die Bad Oldesloerin Julia Görges, kräftig Prügel von Branchenführerin Serena Williams bezogen: Nach 55 Minuten war dieses kurze Vergnügen auch schon vorbei, ohne dass Görges irgendwelche bleibenden Eindrücke hinterlassen hätte. „In der Form sind auch schon ganz andere gegen sie unter die Räder gekommen“, befand die 21-jährige, „da ging nicht viel.“ Dass die Weltranglisten-Erste hochkonzentriert und weitgehend fehlerfrei gespielt habe, wollte die Fed Cup-Spielerin als Anerkennung verstanden wissen: „Sie hat mich schon ernst genommen.“

Doch die Partie zweier ungleicher Rivalinnen verlief eher wie eine unfreiwillige Trainingsstunde – mit Einbahnstraßentennis in Richtung Görges. Einen Breakball konnte sich die Deutsche denn auch nicht erspielen, die beiden Ehrenpunkte wirkten eher wie kleine Präsente der haushoch dominierenden Turnierfavoritin. „Sie ist nun mal die beste Spielerin dieser Zeit zusammen mit Henin und Scharapowa. Und eine klar verdiente Nummer eins“, sagte Görges, genau so wie die anderen deutschen Damen letztlich nur eine Randfigur im großen Grand Slam-Spiel. Leider auch jene Andrea Petkovic, die ihre große Chance zum internationalen Durchbruch verpaßte, als sie vier Matchbälle gegen Titelverteidigerin Swetlana Kusnetsowa ausließ.




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