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Gilbert Schaller im Interview

Der 42-jährige steirische Ex-Profi im Interview unter anderem über die Strafe des wegen mutmaßlicher Wettmanipulation lebenslang gesperrten heimischen „Bad Boys“, die einerseits äußerst hart, andererseits absolut notwendig gewesen sei.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 04.06.2011, 11:23 Uhr

Da Jürgen Melzer nach einem Todesfall in seiner Familie kurzfristig absagen musste, war am Donnerstagabend Gilbert Schaller der größte Stargast aus der heimischen Tennis-Szene beim Mercedes-Benz Sport-Talk im k47-keyclub vienna. Zu diesem waren auchOliver Bierhoff(Teammanager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft), Bernd Mailänder (Safety-Car-Pilot in der Formel 1 und früherer DTM-Rennfahrer) und aus dem Tennis-Bereich Philipp Petzschner (Wimbledon-Doppelsieger mit Melzer im Jahr 2010) und Edwin Weindorfer (Turnierdirektor MercedesCup in Stuttgart) erschienen. tennisnet.com unterhielt sich mit dem amtierenden ÖTV-Sportdirektor Schaller über dessen bevorstehenden Abschied als Davis-Cup-Kapitän, seinen Nachfolger – und über die lebenslange Sperre von Daniel Köllerer.

Herr Schaller, wie geht es Ihnen mit der Entscheidung, als Davis-Cup-Kapitän am Ende des Jahres zurückzutreten, mit ein paar Tagen Abstand?

So wie vorher!(lacht)Das war keine Bauchentscheidung, sondern durchdacht. Ich freue mich dafür umso mehr auf den letzten Davis Cup, weil ich unbedingt als eine Weltgruppen-Nation das Amt übergeben möchte, das ist das große Ziel.

Wann haben Sie gemerkt, dass es vielleicht besser so ist, zurückzutreten? Hätte sonst die Nachwuchsarbeit zu sehr unter ihren weiteren Tätigkeiten gelitten?

Ich hätte auf jeden Fall mehr Kompromisse eingehen müssen. Ich stehe jetzt seit mittlerweile einem Dreiviertel-Jahr mehr auf dem Tennisplatz als davor, da hätte ich sonst wohl noch mehr Abstriche machen müssen.

Wie wohl haben Sie sich selbst in der Rolle des Davis-Cup-Kapitäns gefühlt? Es gab ja häufig die Kritik, dass Sie auf der Betreuerbank zu ruhig sind. Hätte es da einen etwas emotionaleren Typen gebraucht?

Ich bin mir dieser Kritik bewusst. Aber ich weiß auch, dass es sich dabei nur um die Meinung Anderer handelt. Miloslav Mecir ist ebenfalls ein sehr ruhiger Typ – in der Slowakei hat sich aber niemand darüber beschwert. Wenn es darum ginge, auf der Bank herumzuspringen, dann wäre er wohl nur ein Jahr lang Davis-Cup-Kapitän gewesen. Er ist es aber seit dem Debüt der Slowakei 1994.

Worauf kommt es dann bei diesem Job an?

Mir ist immer die Arbeit mit den Spielern am Wichtigsten gewesen. Und die ist immer positiv verlaufen.

Hat es nicht gerade da punkto Kommunikation Kritikpunkte gegeben? Und zwar nicht von außen.

Ja, die Spieler haben sich in der Vorbereitung mehr Kommunikation gewünscht. Beim Duell gegen Frankreich hat es schon zwei Monate davor so viele Gespräche gegeben, da kann sich niemand beschweren.

Warum hat es dann die Kritik gegeben?

Da wird von den Medien oft was missverstanden. Ich kann die Kritik der Spieler ja einerseits verstehen, natürlich möchten sie so rasch wie möglich Bescheid wissen, ob sie spielen oder nicht, damit sie ihre Turnierplanung darauf abstimmen können. Aber ich möchte mir diese Entscheidung lieber aufheben und mir die Spieler eine Woche vor Ort im Training ansehen, um mir ein Bild zu machen, wen ich aufstellen werde. Das ist so die vernünftigste Lösung – davon liest man aber nie was in den Medien. Ich hab den Spielern schon mehrmals gesagt „Ihr könnt das immer kritisieren, aber daran wird sich nichts ändern“.

Sind Sie mit den Spielern vor ihrem letzten Auftritt als Kapitän schon in Kontakt getreten?

Abgesehen davon, dass ich sie von meinem bevorstehenden Rücktritt informiert hab, nicht. Wir kennen noch nicht mal den Gegner, also laufe ich den Spielern jetzt sicher nicht nach, ich sehe sie ohnehin bei den Grand-Slam-Turnieren. Jetzt ist bezüglich des Davis Cups für uns ein wenig die tote Zeit, aber das wird sich rechtzeitig wieder ändern.

Sie sind seit 2007 Captain. Wenn Sie ein wenig zurückblicken: Was waren aus ihrer Sicht die großen Highlights?

Die Siege in der Weltgruppen-Relegation gegen England 2008 und gegen Israel im Vorjahr.

Welcher Erfolg war der emotionalere?

Der in Israel. In England und besonders in Wimbledon ist das Publikum doch sehr gediegen. In Israel war das hingegen ein echter Hexenkessel, dazu war es am letzten Tag meine eigene Entscheidung, Martin Fischer im entscheidenden fünften Spiel aufzustellen. 90 Prozent der Leute haben gemeint, ich kenne mich im Tennis nicht aus – aber der Martin hat’s geschafft.

Auch ein bisschen eine Genugtuung für Sie gegenüber ihren Kritikern?

Ja, schon ein bisschen.

Was die Suche nach ihrem Nachfolger betrifft: Inwiefern wollen Sie sich da beteiligen? Oder halten Sie sich da gänzlich raus?

Da hab ich nichts zu sagen. Ich hab gegenüber ÖTV-Präsident Dr. Ernst Wolner lediglich meinen Wunsch geäußert, dass die Spieler in diese Entscheidung eingebunden werden. Das Präsidium soll das gemeinsam mit ihnen entscheiden.

Wen hielten Sie denn für den besten Kandidaten?

Schwierig zu beantworten. Ich denke, es sollte jemand sein, der selbst Davis Cup gespielt hat, der von seiner Persönlichkeit her gegenüber den Spielern ausreichend an Glaubwürdigkeit besitzt, der besonders in heißen Situationen den Spielern etwas mitgeben kann – das ist dann in Österreich schon mal ein sehr kleiner Kreis.

Wer würde Ihnen da einfallen?

Ein Stefan Koubek zum Beispiel, der noch sehr jung ist, allerdings – das muss man auch klar sagen – noch keine Coaching-Erfahrung besitzt. Thomas Muster wäre natürlich super, aber er verfolgt zurzeit andere Interessen. Alex Antonitsch wäre natürlich auch ein Kandidat, hat aber schon klargestellt, dass das für ihn kein Thema ist. Und ein Julian Knowle wäre in Zukunft ein Thema. Er hat heuer ein echtes Seuchenjahr, wird jedoch sicher noch mindestens zwei Jahre Vollgas auf der Tour geben.

Wie sehr ist die mangelnde Coaching-Erfahrung von Koubek ein Problem?

Es kann schon eines sein. Aber das Wichtigste ist, denke ich, ob ihn die Spieler im Team in einer Führungsrolle sehen, das ist die erste Frage. Die zweite Frage ist, ob er ihnen seine Erfahrung mitgeben kann und die Spieler sein Coaching annehmen.

Wann wird die Entscheidung über ihren Nachfolger voraussichtlich fallen? Noch hat man Zeit, oder?

Ja, noch ist genug Zeit da. Ich hätte aber kein Problem damit, wenn er beim Davis Cup im September schon dabei wäre, gleich ins Team integriert wird und danach übernimmt, damit für einen fließenden Übergang gesorgt wäre.

Ihr Team für die bevorstehende Relegation stellt sich derzeit ziemlich von selbst auf.

In der Tat. Wenn der Länderkampf nächste Woche wäre, dann wäre es schlecht, weil Jürgen Melzer noch verletzt ist, sonst wäre es klar, dass er nominiert wird, dazu Andreas Haider-Maurer, Martin Fischer und Oliver Marach. Aber es ist noch viel Zeit bis dahin.

Einer, der sich noch zu einem Thema machen hätte können, ist nun aus dem Rennen: Daniel Köllerer. Wie haben Sie seine lebenslange Sperre auf internationaler und nun auch nationaler Ebene erlebt?

Ich weiß schon seit längerem, ich glaube seit über einem Jahr, von den Nachforschungen um ihn. Von zwei aktiven Spielern, davon einer aus dem Ausland, weiß ich von Dingen, die da vorgefallen sind – das muss einfach sanktioniert werden. Ihm keine Strafe zu geben, wäre absolut unglaubwürdig gewesen.

Haben Sie demnach also keineswegs das Gefühl, dass jemand vielleicht Unschuldiger zum Handkuss kommt?

Nein, das Gefühl hab ich nicht.

Ist die Strafe auch in diesem Ausmaß gerechtfertigt?

Die Geldstrafe steht wohl in Relation zu seiner Sperre. Insgesamt ist die Strafe ein echter Hammer. Daniel und ich, wir hatten vielleicht nicht das beste Verhältnis, aber ich hab ihn als Spieler immer akzeptiert. Mir ist richtiggehend die Gänsehaut gekommen, als ich von dem Urteil erfahren hab.

Und zwar warum?

Wegen der Folgen, die diese Strafe hat. Daniel wird nie wieder Turniertennis spielen können, darf auf der Tour auch nicht als Coach arbeiten. Er ist von einem Tag auf den anderen dazu gezwungen, sich ein völlig neues Betätigungsfeld zu suchen. Ich kann gut mitempfinden, wie hart das sein muss. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn man mir früher gesagt hätte, ich darf nicht mehr Tennis spielen.

Stellt sich nicht die Frage, ob eine lebenslange Sperre nicht aus disziplinären Gründen schon viel früher hätte erfolgen müssen?

Es sind früher sicher viele halbherzige Entscheidungen getroffen worden. Das ist Daniel jetzt irgendwo auf den Kopf gefallen. Wenn die ATP und auch der ÖTV früher konsequenter durchgegriffen hätten, dann wäre es dazu vielleicht gar nie gekommen. Wenigstens kann ich mir selbst nicht vorwerfen, ihm gegenüber nicht konsequent gewesen zu sein.

Weil?

Wir hatten vor dem Davis Cup 2009 in Chile eine Vereinbarung. Ich wollte ihn nominieren, aber er hat sich damals in Umag gegenüber Julian Knowle und damit dem Team respektlos verhalten. Er hat damit unsere Vereinbarung gebrochen und seinen Part nicht eingehalten, ich hab ihn daher auch nicht einberufen.

Wie groß ist der Verlust von Köllerer fürs österreichische Tennis?

Schwer zu sagen. Ich hab ihn in Italien heuer bei den Futures beobachtet, er hat dort richtig gut gespielt. Ein Tennisspieler, wie ich ihn dort gesehen hab, ist ein Verlust. Aber das zweite, was einem zu Daniel immer gleich einfällt, ist ein großes Aber…

Die meisten Spieler werden „Crazy Dani“ wohl nicht vermissen, oder?

Daniel hat auf der Tour nur wenige Freunde. Und das hat er sich selbst zuzuschreiben. Es gibt natürlich immer Jemanden, den man nicht so mag. Im Fall von Daniel war die Häufung aber schon sehr eklatant.

Und ist auch Gilbert Schaller einerseits erleichtert?

Nein. Es handelt sich um einen guten Spieler, der weg ist. Ich bin ein ewiger Optimist, ich hab bis zuletzt gehofft und daran glauben wollen, dass er sich einkriegt. Das hat sich jetzt wohl erübrigt.

Das Gespräch führte Manuel Wachta.


(Foto: GEPA pictures/ Christian Ort)

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