"Noch einmal Top 100"

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 27.05.2010, 14:12 Uhr

Während in Paris das große Tennis gespielt wird, bereitet sich Stefan Koubek in der Südstadt auf seine Bundesliga-Einsätze für Gleisdorf vor. Ein tennisnet.com-Interview.

Stefan Koubek ist 33 Jahre alt, seit 16 Jahren Tennisprofi, vor zehn Jahren war er die Nummer 20 der ATP. Im Mai 2008 unterzog er sich nach einem Bandscheibenvorfall einer karrierebedrohenden Operation – er war damals Nummer 62 im Computer. Am 28. Juli 2008 stand er zum letzten Mal in den Top 100, im darauf folgenden Oktober kehrte Koubek noch deutlich rekonvaleszent auf die Tour zurück. In der Stadthalle wurde er in Runde eins von einem Qualifikanten gedemütigt. Sein Trainer Günter Bresnik sagte damals: „Wenn Stefan noch einmal Top 100 wird, ist das mindestens eine so große Leistung wie seinerzeit die Top 20.“
Genau zwei Jahre nach der großen Operation kämpft Stefan Koubek ziemlich konret um das vielleicht letzte große Ziel seiner Karriere.


Derzeit liegst du auf Platz 117, in den letzten Wochen waren's Plätze wie 114, 115 … wenn du in Ramat Hasharon den Challenger gewonnen hättest, wärst du schon wieder Top 100.

Stefan Koubek: Erinner mich nicht! Ich ärger mich heute noch.

Du sitzt im Ruderboot, die Top-100-Küste ist zum Greifen nah … wann ruderst du endlich ans Ufer? Es sind doch seit Wochen nur ein paar Schläge ...

Scheinbar ist Ebbe. Gil auf 100 hat 523 Punkte, ich 434. Das ist schon ein Stück. Das ist der Turniersieg bei einem großen Challenger oder bald ein Finale bei einem 250er. Außerdem fallen mir in nächster Zeit die zweite Runde Wimbledon und das Semifinale von Oberstaufen raus. 45 und 27 Punkte, das ist für einen in meiner Region schon eine Menge.

Mit Verlaub: Für einen Stefan Koubek, der im Jänner aus der Quali heraus in die dritte Runde der Australian Open gekommen ist, ist das nicht außer Reichweite. Oder bist du nach dem Aus in der ersten Quali-Runde von Paris und beim Challenger in Alessandria gegen Alex Peya jetzt angeknackst?

Ich nütze meine Chancen in letzter Zeit nicht. Ich weiß nicht, wieviele Matches ich heuer knapp oder blöd verloren hab. Oder beides.

Da hätt ich ein paar im Angebot. Karanusic in Belgrad nach der dritten Australian-Open-Runde. Robert in Casablanca 5:7 im dritten. Luczak in Monte Carlo 4:6 im dritten. Gremelmayr in Ramat Hasharon. Jetzt Alex Peya. 6:3, 6:7, 6:7, beide Tiebreaks 6:8.

Danke für die Erinnerung, da kümmert sich einer um mein Selbstvertrauen. Keine von den Partien darf ich in Wahrheit verlieren. Das Match gegen den Alex war insgesamt fürchterlich. Vorher hat's auf Sand eh ganz gut geklappt, viel besser als letztes Jahr, aber in Italien war es einfach nur grauenhaft. Wind, staubtrockene und unebene Plätze, jeder Ball hat sich versprungen. Da kannst du keinen Ball angehen, das Spiel nicht machen, das ist kein Tennis. Ich spiel Tennis, weil es mir Spaß macht. Aber so macht es keinen Spaß.

Und Roland Garros? Dort sind die Plätze wie Tischtennistische. Deinen Gegner musstest du vorher googeln – dann hast du gegen ihn verloren.

Dass die Jungen alle spielen können, das weiß ich. Auch wenn ich sie auf der Straße nicht erkennen würde. Das ist eine andere Generation. Der ist zehn, fünfzehn Jahre jünger als ich. Mit dem wüsst ich wahrscheinlich nicht einmal, worüber wir reden sollen, wenn wir miteinander essen gehen. Das ist kein mangelnder Respekt vor denen, dass ich sie nicht kenn. Die leben ein bissl in einer anderen Welt.

War Benoit Paire in Paris wirklich so gut, wie du in deinem tennisnet.com-Tagebuch geschrieben hast? Er hat sich dann qualifiziert, aber gegen Olivier Rochus verloren.

Ich war eigentlich sicher, dass er den packt. Der Paire ist sehr gut. Wie ich in Wien zurück war, hab ich zum Günter gesagt: „Schau dir an, was aus dem wird. Entweder gar nix oder Top 20.“ Der ist ein Irrer, aber ein Riesentalent. Den haben sie aus dem französischen Verband rausgehaut, weil er bei keinem Training pünktlich war, weil er die Trainer nicht respektiert hat. Ein Wahnsinniger. Der hat einmal alle Schläger zerhackt, einfach weil er bei einem Turnier nicht mitspielen wollte.

Da gab's mal vor 15 Jahren einen Kärntner Jugend-Europameister mit ähnlichen Eigenschaften.

Ein bissl ähnlich schon. Aber der Kärntner ist Top 20 geworden. Und deppert ist er auch nicht mehr. Ich bin verheiratet und meistens pünktlich beim Training. Und Schläger zerhack ich auch kaum mehr welche.

Hand aufs Herz: Wird er wieder Top 100, der Kärntner?

Ja, das ist wirklich ein Ziel. Das wär schon was Besonderes. Nach so einer Operation in dem Alter das noch einmal schaffen, das wäre was, auf das man wirklich stolz sein könnte. Da ist mir egal, ob das die Leute draußen wahrnehmen. Für mich wäre das einer der größten Erfolge überhaupt.

Ist nicht die Motivation dafür besonders schwer, wenn du in der Südstadt auf deinen nicht ganz so geliebten Sandplätzen mit Martin Slanar Sparring-Sätze spielst, während Günter Bresnik mit dem 16-jährigen Dominic Thiem nach Roland Garros fliegt?

Gar nicht. Mir taugt der Kleine voll. Und ich weiß, dass es das Beste ist, was ihm passieren kann, dass bei seinem ersten Grand Slam der Günter dabei ist. Wie man Vorhand und Rückhand schlägt, das weiß ich ja mittlerweile schon ungefähr.

Was kann aus Dominic Thiem werden?

Der spielt wirklich gut, richtig zügig. Er ist halt noch 16, das ist sehr jung – da kann noch viel passieren. Aber es schaut wirklich gut aus bei ihm. Der hat das Talent, hat die Einstellung, hat das Umfeld, hat die Schläge. Dominic muss noch lernen, auf anderen Belägen als auf Sand gut zu werden. Von den Schlägen her ist das aber nur eine Frage der Zeit.

Du trainierst deswegen auf Sand, weil du dich auf die Liga in Deutschland und deine Bundesliga-Einsätze in Gleisdorf vorbereitest. Ist das nur eine Frage der Kohle?

Natürlich kriegst du dafür Geld. Und Tennis spielen ist mein Beruf, also spielt Geld eine Rolle. Aber in Gleisdorf, das taugt mir schon, wie sich der Herbert Jerich da reinhaut. Der will was auf die Beine stellen. Stell dir vor: Köllerer gegen Melzer in Gleisdorf – wenn der Jürgen in Paris verliert, was ja zur Zeit gar nicht sicher ist –, die bauen da extra eine Tribüne für 1000 Leute auf. Wie geil ist das denn? Da kommt das Tennis wieder zu den Leuten. Solche positiv Verrückten braucht das Tennis.

Während der Liga-Saison, die in Deutschland bis August geht, bist du an den Wochenenden ziemlich blockiert. Das heißt: kaum Qualis bei großen Turnieren. Sondern die nicht ganz so komfortable Challenger-Tour. Mit 33: Macht das Spaß?

Es wird härter. Einen oder zwei Challenger hintereinander drückt man durch. Aber vier, fünf in Serie, das ist mir ehrlich gesagt zu heavy. Mich dort aufreiben, das brächte niemandem was. Brauch ich auch nicht. Nach Oberstaufen hab ich bis Australien nicht mehr wahnsinnig viel zu verteidigen. Bis dahin hab ich also Zeit.




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Donnerstag
27.05.2010, 14:12 Uhr