Lorenzo Musetti exklusiv: Kurzfristig Turniersieg und Top 50, mittelfristig die ganz großen Titel
Lorenzo Musetti hat 2021 einen ersten Durchbruch auf der ATP-Tour geschafft. Aktuell ist der junge Italiener knapp außerhalb der besten 50 der Weltrangliste zu finden. Gegenüber tennisnet.com erklärt der 19-Jährige aus Carrara seine kurz- und mittelfristigen Ziele.
von Michael Rothschädl
zuletzt bearbeitet:
21.02.2022, 14:16 Uhr

Wie aus dem Nichts war Ende 2020 da plötzlich dieser junge, stilsichere Italiener mit der unwiderstehlichen einhändigen Rückhand und einem Namen, der hängenbleibt: Lorenzo Musetti. Elegant und locker schaltete der Italiener im September 2020 mit Kei Nishikori und Stan Wawrinka zwei vormalige absolute Weltklassespieler aus, erreichte beim ATP-Masters-1000-Event von Rom sein erstes Achtelfinale auf der ATP-Tour – und spielte sich kurzerhand ins Rampenlicht.
Der bislang größte Erfolg des heute 19-Jährigen sollte rund ein halbes Jahr später folgen, als Musetti in Acapulco – beim ATP-500-Event von Mexiko – die Vorschlussrunde erreichte. Und mit Diego Schwartzman erstmals gegen einen Mann aus den besten 10 gewinnen konnte. "Letztes Jahr war wirklich unglaublich, weil ich das überhaupt nicht erwartet habe. Ich war nur überrascht", sagt Musetti heute. Die Entwicklung des Manns aus Carrara hielt seither freilich nicht inne – mittlerweile liegt der Italiener gefestigt unter den besten 100, nur wenige Plätze von den Top 50 entfernt.
Musetti und das Djokovic-Match in Paris
Ganz ohne Schönheitsfehler kommt aber auch diese, noch so junge Erfolgsgeschichte nicht aus. Der Ursprung der ersten kleineren Krise des Italieners? Ein höchst kurioser. Zeitsprung in den Juni 2021: Erstmals geht es für den jungen Musetti auch auf Grand-Slam-Niveau hoch hinaus – Goffin, Nishioka und Cecchinato haben das Nachsehen, der Italiener steht erstmalig in der Runde der letzten 16. Und darf sich dort mit der Nummer eins der Welt, dem zu diesem Zeitpunkt zweifelsohne besten Tennisspieler auf dem Planeten messen. Mit Novak Djokovic.
Zwei Sätze, zwei Tiebreaks, um exakt zu sein, später liegt der 19-Jährige mit 2:0-Sätzen in Front. Und eine Sensation in der Luft. Doch dann ein Bruch. Wenige Minuten später folgt die Ernüchterung, Musetti gelingt nur noch ein Spielgewinn, Ende des fünften Satzes zieht der Italiener die Reißleine und gibt beim Stand von 0:4 auf. Ein Verhalten, das nicht ohne Kritik bleibt. Und das für Musetti jedenfalls einen zähen Negativlauf einläuten sollte. Fünf Turniere in Serie muss der 19-Jährige ein Erst-Runden-Aus einstecken, ehe bei den US Open gegen die Nummer-385 der Tenniswelt endlich wieder ein Sieg gelingt.
Alles in allem positiver Saisonstart 2022
Eine harte Zeit, wie Musetti nun auch gegenüber tennisnet.com betont: "Im letzten Jahr hatte ich einige Probleme abseits des Platzes. Ich habe begonnen, mit einem Psychologen an der mentalen Komponente zu arbeiten, der mir dabei half, meine Gefühle auf und abseits des Tennisplatzes zu verstehen." Nachsatz: "Es ist sehr wichtig für mich, auch in diesem Bereich fit zu sein." Der Lohn lässt auf sich warten, in Rotterdam und Pune schafft es der Weltranglisten-57. zum Saisonstart 2022 hintereinander ins Viertelfinale. Ein Befreiungsschlag.
Vorangegangen war dem nämlich eine Vier-Satz-Niederlage in der ersten Runde der Australian Open. Das Auftaktturniere in Adelaide zuvor hatte ebenfalls bereits geendet, bevor es überhaupt so richtig losgegangen war. "Es war kein einfacher Start für mich in Australien, aber ich habe nicht schlecht gespielt. Deshalb habe ich einfach weitergearbeitet und dann sind die Ergebnisse in Rotterdam gekommen", betont Musetti mit etwas Abstand. Diese Woche kommt es für Musetti beim ATP-500-Event von Dubai zum Rematch mit Djokovic.
Tennis-Hype in Italien
Ansporn und Inspiration findet der Italiener indes unter vielerlei Adresse. Besonders aber im eigenen Land. Berrettini, Sinner, Sonego, Fognini und natürlich er selbst: Gleich fünf Italiener sind unter den besten 60 der Tenniswelt zu finden. "Wir pushen uns gegenseitig zu Höchstleistungen. Außerdem denke ich, dass dieser Umstand auch für das Davis-Cup-Team sehr gut ist", sagt Musetti. Auch die Popularität des Tennis in seiner Heimat steige mit diesen Leistungen: "Die Fans in Italien sind jetzt wesentlich stärker involviert." Das war auch bei den ATP-Finals in Turin – mit Beteiligung von Berrettini und Sinner – offensichtlich.
Inspiration findet sich aber auch unter den Gleichaltrigen – vor allem mit Felix Auger-Aliassime und Jannik Sinner gilt es für den 19-Jährigen Schritt zu halten: "Ich hoffe, ich werde mich ihnen so oft wie möglich anschließen und ja, Jannik und Felix sind beide in den Top 10, also versuche ich, an sie ranzukommen", so Musetti. Zusammen mit Carlos Alcaraz seien das überhaupt jene Herren, die "die Zukunft des Tennis sind", wie der Italiener erklärt.
Bodenständige Ziele beim Shootingstar
Wie man Musetti unter Genannten erkennt? Zweifelsfrei durch seine Rückhand, die auch der Italiener selbst als seine große Stärke sieht: "Wahrscheinlich ist die einhändige Rückhand mein bester Schlag. Ich habe sie immer ganz natürlich gespielt und ich mag es sehr, den Drop Shot mit dem Slice durchzumischen", so der Italiener, für den sich der Schlag schlichtweg „natürlich“ anfühlt. Und daher rühre auch die Konstanz.
Angesprochen auf seine Ziele bleibt der Shootingstar dann aber (positiv) überraschend bodenständig, in diesem Jahr soll der nachhaltige Sprung unter die Top 50 gelingen. Dafür fehlen derzeit sieben Plätze. Ein Titelgewinn würde die Saison zu einer sehr guten machen. Langfristig will sich der 19-Jährige dann aber ganz oben festsetzen: "In den kommenden fünf Jahren würde ich gerne Teil der Top 10 in der Weltrangliste sein und um einen der großen Titel kämpfen."
Das Interview mit Lorenzo Musetti wurde schriftlich durchgeführt.
