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Luca Vanella vom Sandplatz-Exot zum König der roten Asche

Luca Vanella hat am Donnerstag Abend als erster Italiener der Geschichte die HTT French Open gewonne...

von Claus Lippert
zuletzt bearbeitet: 06.06.2025, 23:18 Uhr

Luca Vanella hat am Donnerstag Abend als erster Italiener der Geschichte die HTT French Open gewonnen, und sich nach seinem HTT Wimbledontitel im vergangenen Jahr die zweite HTT Grand Slam Trophäe seiner Karriere gesichert. Der 22jährige kämpfte am Centercourt des UTC La Ville im finalen Duell zweier HTT-French-Open-Endspiel-Debütanten den serbischen Shootingstar Uros Bigic nach 3:34 Stunden Spielzeit in fünf Sätzen mit 4:6, 6:2, 3:6, 6:2, 6:1 nieder, und feierte – man mag es kaum glauben – seinen allerersten Sandplatz-Titel auf höchster HTT-Ebene. Für Uros Bigic hielt das von viel Faszination geprägte Tennismärchen rund um seine Person hingegen kein Happy End bereit. Ein Bericht von C.L

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Sandplatz-Exot Luca Vanella jetzt auch HTT-König der roten Asche

Sie haben acht Tage lang großartiges Sandplatztennis gespielt, die Konkurrenz beeindruckt und Zuschauer vor Ort wie HTT-Fans daheim gleichwohl begeistert. Bei der abschließenden Siegerehrung aber offenbarten Luca & Uros doch auch noch so manche Schwäche. Bei glamourösen Zeremonien nach großen Event haben die aktuellen HTT French Open Finalisten noch reichlich unausgeschöpftes Potential. Schüchtern präsentierte Rhetorik bei den Siegeransprachen, zaghaft ins Knallen gebrachte Sektkorken, sei’s drum, die beiden können eben andere Dinge entschieden besser, und zwar den erfolgreichen Umgang mit einem Tennisracket in Händen. Darauf kommt*s ja letztlich auch an, und am Ende des zweiten HTT Grand Slam Events des Jahres, können beide Spieler auf einen wunderbaren Turnierverlauf zurückblicken. Luca Vanella war quasi als Sandplatz-Exot an den Altmannsdorfer Ast gereist. Zwar hatte er im Sommer 2017 als 14jähriger mit seinem Challenger-Erfolg bei den OTC Open erstmals auf sich aufmerksam gemacht, danach aber auf roter Asche keine nennenswerten Ergebnisse zu bieten. In seiner ganzen Karriere brachte es der Italiener auf überschaubare vier Hauptbewerbs-Einzelsiege auf Sand inkl. den HTT French Open 2024. Und auch heuer tat sich der amtierende HTT Wimbledonsieger und auf schnellen Belägen hoch gehandelte 22jährige schwer. Schon zum Auftakt mühte sich Vanella gegen den kroatischen Newcomer Bruno Novakovic in die zweite Runde. Im Viertelfinale gegen Serbiens Vuk Jovanovic benötigte Vanella nach 0:4 Rückstand im dritten Satz sogar “das Wunder vom Hinterhof”, ehe er im Halbfinale gegen Rene Gräflinger auch schon mit dem Rücken zur Wand stand. Der manchmal exzentrisch wirkende und meist impulsive, vorallem aber spielverliebte Sizilianer, er lernte während der 34. HTT French Open Auflage auch das Kämpfen.

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Bigic mit 2:1 Satzführung dicht vor seinem ersten HTT Major Erfolg

Und er avancierte am Ende des über die volle Distanz von fünf Sätzen gegangenen großen Finales nach 3:34 Stunden Spielzeit auch zum Sandplatz-Experten. Dabei hatte der frühe Abend für die Nummer 2 der Setzliste so gar nicht nach Wunsch begonnen. Im ersten Satz marschierten Vanella und Bigic zunächst im Gleichschritt bis 4:4, ehe Serbiens neuer Jungstar mit einem furiosen Finish den ersten Satz an sich reißen konnte. Bei 3:4 machte Bigic alle 12 Punkte der letzten drei Games, und die in Best of Five Matches nicht unwichtige 1:0 Satzführung. Nicht unwichtig, und im Nachgang auch großer Kritikpunkt der eigenen Match-Analyse von Uros Bigic, war das vierte Game des zweiten Satzes, in dem Serbiens Shootingstar bei einer 2:1 Führung mit zwei Break-Gelegenheiten zum 3:1 eine Riesenchance ausgelassen hatte. Ein wenig konsterniert, ließ Bigic Federn, und gab ohne weiteren Spielgewinn den zweiten Satz mit 2:6 aus der Hand. Wie knapp es in einem HTT Grand Slam Finale zugehen kann, wie fokussiert man als Spieler permanent über lange Zeit sein muss, bekam Luca Vanella in Durchgang Nr. 3 zu spüren. Ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit mit einem Doppelfehler und ein Blackout mit drei unforced errors, zu Null kassierte Italiens HTT Frontman das entscheidende, weil einzige Break des dritten Satzes zum 3:5.

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Bigic nach 10:07 Stunden Spielzeit in den drei letzten Matches des Turniers im Finish des Finales ohne Chance

Vanella lag also erneut mit einem Satz zurück, während sein 15jähriger Gegner nur mehr einen Schritt – sprich einen Satz – für den ganz großen Karriere-Triumph zu gehen hatte. Doch das Blatt sollte sich noch einmal wenden. Vanella begann zu Beginn des vierten Heats von der Grundlinie aggressiver zu spielen, während sich bei Bigic die Strapazen der vergangenen drei Matches nun deutlich bemerkbar machten. Immerhin verbrachte der physisch durchaus starke 15jährige in den drei letzzten Matches des Turniers abartige 10:07 Stunden auf dem Platz. 3:22 Stunden gegen Jelinek, 3:11 gegen Roman und 3:34 im Finale gegen Vanella, irgendwann mussten die Akkus des Youngsters auf Reserve laufen. Zwei Breaks und zwar zum 3:0 und am Ende zum 6:2 sorgten für den Satzausgleich, womit zum vierten Mal in Serie nach 2022, 2023 und 2024 sowie zum insgesamt sechsten Mal in der Open Ära ein HTT French Open Finale über die volle Distanz von fünf Sätzen lief. Dort im Entscheidungssatz haderte Bigic wieder mit drei ungenützten Spielbällen zum möglichen 1:1, und wurde insgesamt auch Opfer seiner logischer Weise noch mangelnden Routine was Best of Five Matches angeht. Das ist doch eine ganz andere Kragenweite als jedes Best of Three Spiel, sowohl was das Körperliche, aber auch die mentale Komponente betrifft. Die permanent hohe geistige Anforderung in so einem Spiel, geht irgendwann auch einmal auf die körperlichen Kräfte. Und während Vanella bereits sein viertes Best of Five Match auf HTT Major-Niveau absolvierte, ging bei Bigic bei dessen Best of Five Premiere im Finish gar nichts mehr.

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Massenhaft Drop Shots als probate und siegbringende Taktik

Außerdem agierte Vanella in den letzten beiden Sätzen vermehrt mit seinem Lieblingsschlag dem Stopp. Der Mann mit dem goldenen Händchen voller Touch und unfassbarem Gefühl, prädestiniert für jede atemberaubende Stoppball-Show dieser Welt, wickelte den kleinen gelben Fliz ein ums andere Mal perfekt und unerreichbar für Bigic ein. Und auch wenn in der Folge viele dieser Drop-Shots nicht nach Wunsch des Tenniszauberers aus Bella Italia gelangen, so verfolgten sie am Ende doch ein konkretes Ziel. Sie störten und durchbrachen jenen Rhythmus, der das Spiel des Uros Bigic in den Matches davor auszeichnete, und mit dem er von der Grundlinie aus, die höher eingeschätzten Julian Jelinek und Damian Roman in die Knie zwang. Rhythmus für sein gefürchtet sicheres Tennis von der Baseline bekam Bigic keinen mehr, dazu war er außerdem mental und körperlich nicht mehr in der Lage, ein finales Fuerwerk zu zünden. Vanella zog mit 4:0 auf und davon, und am Ende mit 6:1 im fünften Satz zum zweiten Mal nach HTT Wimbledon 2024 in die HTT Grand Slam Ahnengalerie ein. Vanella sprengte zudem mit 2000 Punkten für seinen dritten HTT Karriere-Turniersieg das rumänische Duo an der Ranglisten-Spitze, und feiert mit Platz 2 sein Karriere-High-Ranking. “Die Freude über diesen Titel ist schon sehr groß. Es war ein manchmal unangenehmes Auf und Ab in den letzten Tagen, extrem anstrengend und oft auch frustrierend. Jetzt schmeckt der Sieg dafür um so süßer. Ich habe sicher auch vom Umstand profitiert, dass ich im Gegensatz zu Bigic schon Best of Five Erfahrung hatte. So wusste ich was kommen kann, und wie ich mir die Kräfte einzuteilen habe”, so der 22jährige aus Carini bei Palermo.

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Bigic selbstkritisch: “Ich muss an meiner Chancen-Verwertung bei den big points arbeiten”

Die ganz im Stile von Roland Garros gehaltene Siegertrophäe streckte am Ende also Luca Vanella in den Liesinger Nachthimmel. Der Spieler des Turniers war aber wohl Uros Bigic, für den die Saison 2025 wie im Märchen verläuft. 2023 ging sein Stern auf der HTT mit dem Challenger-Finals-Titel auf, ehe er heuer Anfang April den ganz großen Durchbruch schaffte, und seit dem Titelgewinn beim März Masters Series 1000 Turnier, Kapitel für Kapitel eines wunderbaren Tennismärchens schrieb. Mit dem Finalsieg beim HTT 1000er in der Südstadt über Damian Roman hatte er plötzlich die Gewissheit, mit den ganz Großen der Szene mithalten zu können. Bei der Generalprobe eine Woche vor den HTT French Open, prolongierte er seine Hochform, die er dann mit megaviel Selbstvertrauen beim Sandplatz-Highlight des Jahres auf den Punkt ausspielte. Mit dem Rekord für den längst gespielten Satz der HTT Geschichte im Viertelfinale gegen Jelinek, und mit dem neuerlichen Erfolg im Semifinale gegen die Nummer 1 Damian Roman, waren die Bigic-Fans kurz sogar zum Träumen vom ganz großen Coup verleitet. Eine 2:1 Satzführung reichte am Ende nicht, das Happy End blieb aus. Trotzdem war der erste serbische HTT FO Finalist mit seiner Performance zufrieden. “Ich muss an meiner Chancen-Verwertung bei den big points arbeiten. Auch heute hätte ich eigentlich 2:0 in Sätzen führen müssen. Im vierten und im fünften Satz hatte ich jeweils einen Fehlstart, was auch daran lag, dass ich zu passiv gespielt habe. Ich bin mit meiner Performance bei diesem Turnier sehr zufrieden. Und auch was die Saison angeht, bin ich stolz auf das bisher Geleistete. Das Niveau bei den HTT Top-Turnieren ist enorm hoch, das taugt mir extrem”, so der 15jährige, der sich mit dem Finaleinzug bei den HTT French Open im HTT Computer-Ranking auf Position Nr. 4 verbesserte, und seit Freitag Früh zudem von Platz 1 im Live-Ranking “Race to La Ville” lächelt.

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von Claus Lippert

Freitag
06.06.2025, 22:39 Uhr
zuletzt bearbeitet: 06.06.2025, 23:18 Uhr