Davydenko fit für Halle
Weltmeister Nikolay Davydenko will in Halle sein Comeback feiern. tennisnet.com sprach mit Manager Ronnie Leitgeb.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
30.05.2010, 12:28 Uhr

Ronnie Leitgeb (51) stammt aus Mödling bei Wien, hat den Österreicher Thomas Muster als Trainer und Manager von 1984 bis 1999 auf dessen Weg vom steirischen Underdog zur Nummer eins der Tenniswelt begleitet. Nach Musters Karriere-Ende begann der frühere Journalist eine Ausbildung zum Mentalcoach, arbeitet nun mit mehreren Unternehmen unter dem Markennamen „Champ“ im Management- und Gesundheitsbereich. Leitgeb ist Manager von Nikolay Davydenko,lebt in Monte Carlo und ist in zweiter Ehe mit Bettina verheiratet, der jüngsten Tochter der Hoteliersfamilie Steigenberger.
Hallo Ronnie Leitgeb, schön, dass Sie sich für uns in Paris Zeit genommen haben. Ihr Schützling Nikolay Davydenko ist in Rotterdam Anfang Februar gestürzt, hat sich im linken Handgelenk das Kahnbein gebrochen. Nun hat er bekannt gegeben, dass er in Halle wieder spielen wird. Wie geht’s ihm?
Ronnie Leitgeb: "Den Umständen entsprechend immer besser. Die Verletzung, die er hatte, war eine der schwierigsten und heikelsten, die man als Tennisspieler haben kann. Außerdem konnte sie nicht so behandelt werden, wie sie behandelt hätte werden müssen: Meine Vertrauensärzte sagen, dass man einen Kahnbeinbruch zwölf Wochen lang absolut ruhig stellen muss, mit einer Schiene fixieren vom Schultergelenk bis zur Hand. Aber sowas ist bei Niko völlig undenkbar, der dreht mir durch."
Er hat also weiter trainiert? Man kennt Ähnliches von Ihren Schützlingen: Thomas Muster hat nach seinem Autounfall auf einem Holzgestell sitzend trainiert.
Leitgeb: "Niko hat voll weiter trainiert: Aufschlag, Vorhand, vor allem Beinarbeit. Probleme macht die linke Hand ja nur bei der beidhändigen Rückhand. Und die wird jetzt das Kriterium sein. Nikos Beinarbeit ist zwar gut … aber so gut, dass er jede Rückhand umlaufen könnte, ist sie auch nicht."
Was macht die Verletzung so kompliziert?
Leitgeb: "Abgesehen davon, dass sie bei Niko nicht sofort erkannt wurde, was natürlich auch nicht besonders hilfreich war: Jede Belastung zwischen Elle und Speiche landet genau auf dem Kahnbein. Und wie man weiß, ist das Handgelenk der zweiten Hand bei Bihändern besonders stark belastet."
Kann man schlagtechnisch etwas tun, um die Schwachstelle zu entlasten?
Leitgeb: "Nein, das wäre das Falscheste. Dann würden mit Sicherheit andere Probleme dazu kommen. Was wir tun können, ist einfach spielen und hoffen, dass es geht. Niko selbst wollte ja schon die French Open spielen, aber ohne Vorbereitungsturnier in ein Grand Slam zu gehen, das geht natürlich gar nicht, und Nizza wäre nicht gegangen."
Die Verletzung ist nicht nur eine heikle, sondern sie kam auch zu einem nicht allzu günstigen Zeitpunkt. Nikolay hatte sich durch den WM-Titel in London in die allererste Linie gespielt, auf Augenhöhe mit Federer und Nadal.
Leitgeb: "Er könnte jetzt die Nummer drei sein, müsste es eigentlich sogar."
Und hatte vor seiner Verletzung die letzten drei Partien gegen Nadal und zwei der letzten drei gegen Federer gewonnen. Sieht so aus, als wäre das Frühjahr 2010 ohne diesen Sturz in Rotterdam zu einem Dreikampf statt zu einem Zweikampf geworden.
Leitgeb: "Wäre es wahrscheinlich, sehr wahrscheinlich sogar, wenn man weiß, wie gefährlich Niko gerade auf Sand sein kann. Aber jammern bringt uns nicht weiter. Ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, dass er aus solchen Rückschlägen zusätzliche Kraft bezieht. Niko ist ein Stehaufmanderl."
Wie sehr schmerzt die Verletzung den Manager Leitgeb? Anders gefragt: Wieviel Geld hat das Missgeschick in Rotterdam gekostet?
Leitgeb: "Auf den Dollar genau kann man das nicht sagen, hilft auch nichts. Aber wir hatten im Frühjahr den ersten großen Schritt geschafft, nach fast zwei Jahren mühseliger Aufbauarbeit: Niko hat einen Bekleidungs- und Schlägervertrag mit Dunlop unterzeichnet, einen internationalen Vertrag, wie es sich für einen Spieler seiner Klasse gehört. Und seit er den Vertrag unterschrieben hat, konnte er genau ein einziges Match spielen."
Davor hat er lange mit No-Name-Trikots gespielt. Wieviel bringt die Unterschrift mit Dunlop?
Leitgeb: "Sie erwarten jetzt aber nicht, dass ich Ihnen den Vertrag faxe, oder? Sagen wir so: Es ist ein international prestigeträchtiger Vertrag zwischen zwei international prestigeträchtigen Partnern, und entsprechend sieht er auch aus."
Wie konnte es passieren, dass ein absoluter Spitzenspieler jahrelang nicht einmal einen Bekleidungsvertrag kriegt?
Leitgeb: "Da hat es jahrelang an der Basisarbeit gefehlt. Niko spricht fast perfekt deutsch, aber nicht so gut englisch. Das heißt: Bei Pressekonferenzen kommt er nicht so gut rüber. Aber er hat einen unglaublich guten, staubtrockenen russischen Humor. Also hab ich versucht, soviele 1:1-Interviews für ihn zu arrangieren wie möglich, mit den wichtigsten Tennis-Journalisten in den großen Tennis-Ländern."
Der Eindruck ist einhellig: Man ist positiv überrascht über die Gesprächigkeit und vor allem den Witz von Davydenko.
Leitgeb: "Darum ist es mir auch gegangen. Die Leute haben ihn einfach nicht gekannt! So konnten auch diese unsäglichen Wett-Gerüchte in die Welt kommen, die von Anfang an für jeden absurd waren, der Niko näher kennt. Die großen Spieler, Federer, Nadal, die haben ja von Anfang an klargestellt, dass sie sich im Leben nicht vorstellen können, dass Niko in so eine Sache verwickelt ist."
Die Wettgeschichte ist vom Tisch?
Leitgeb: "Absolut. Der Albtraum ist ausgestanden. Er ist ganz einfach absolut nicht der Typ dazu. Er ist ganz im Gegenteil, und ich sag das jetzt diplomatisch, der … eher sparsamere Typ. In einem unserer allerersten Gespräche hab ich gesagt: Niko, schau mir in die Augen. Warst du je in einem Casino? – Und er hat mir in die Augen geschaut, hat das verneint und hat gesagt: Ronnie. Ich muss für mein Geld soviel laufen und soviel schwitzen. Ich werde doch nicht verrückt sein und das alles aufs Spiel setzen!"
Wie kann man einen 29-jährigen Russen mit schütterem Haupthaar und lückenhaftem Englisch international vermarkten?
Leitgeb: "Der erste Schritt war, dass es mir in den letzten zwei Jahren gelungen ist, gegenüber den Turnierveranstaltern den Marktwert von Niko in Ordnung zu bringen. Der zweite Schritt war jetzt der Vertrag mit Dunlop. Dunlop ist ein global player und hat daher im Gegensatz zu Airness ganz andere Möglichkeiten der Kommunikation. Daraus ergibt sich dann das Weitere. Und grundsätzlich gilt: Erfolg macht attraktiv. Ich kann mir durchaus auch vorstellen, dass Niko ein geeignetes Testimonial für Luxusartikel wäre."
Weil es in Russland eine gewisse Offenheit zu solchen Produkten gibt?
Leitgeb: "Auch. Wobei in Russland die Sponsoring-Kultur noch nicht so ausgeprägt ist, da ist das Weltbild ein anderes. Da ist es einfacher, jemanden zu finden, der dir 100.000 Dollar gibt und dafür nächste Woche mit Niko eine Stunde Tennisspielen und dann Abendessen gehen möchte, als einen ordentlichen Sponsorvertrag zu schließen."
