"Ich blieb sechs Jahre illegal in Frankreich"

Selbst mit 61 Jahren ist Mansour Bahrami noch in Showmatches rund um den Globus aktiv. Mit seinem Humor und seiner unnachahmlichen Art auf dem Court gehört der gebürtige Iraner zu den beliebtesten Tennisspielern überhaupt. Dass er überhaupt zum Schläger greifen und auf der Tour spielen konnte, war mit enormen Hindernissen verbunden. Mit Tennisnet sprach Bahrami über Prügel im Iran, illegale Jahre in Frankreich und Schaukämpfe mit Franz Beckenbauer und Thomas Gottschalk.

von Interview: Stefan Petri
zuletzt bearbeitet: 10.04.2020, 17:31 Uhr

Mansour Bahrami ist eine Tennis-Legende

Tennisnet: Herr Bahrami, Sie haben die Geschichte schon oft erzählt, aber wir müssen damit beginnen, wie Sie Ihren allerersten Tennisschläger bekamen. Im Iran war eine Karriere als Tennisprofi für Sie eigentlich ausgeschlossen.

Mansour Bahrami: Mein Vater war Gärtner und hat in einem Stadion gearbeitet, deshalb konnte ich so ziemlich jeden Sport ausprobieren. Fußball, Volleyball, Boxen, Schwimmen - alles kein Problem. Aber Tennis war für die Reichen reserviert, ich durfte nicht spielen.

Tennisnet: Deshalb waren Sie nur Balljunge. Aber gespielt haben Sie trotzdem.

Bahrami: Ja, ich habe den Ball mit allem geschlagen, was ich in die Finger bekam: Mit einem Besen, einer Kehrschaufel oder meiner flachen Hand gegen eine Mauer.

Tennisnet: Und dann bekamen Sie Ihren ersten Schläger von einem Spieler im Teheran Racket Club.

Bahrami: Ich war zwölf Jahre alt, als er ihn mir schenkte. Ich war so glücklich, dass ich am nächsten Tag direkt auf den Platz gegangen bin. Es war ein heißer Sommertag, vielleicht 45 Grad, von den 13 Plätzen war kein einziger besetzt. Ich bin also mit einem anderen Jungen hin, aber er durfte spielen und ich nicht. Deshalb bin ich nachmittags wiedergekommen. Wir hatten noch keine Minute gespielt, da wurden wir von den Wachleuten umzingelt. Einer der Wachleute hat mich verprügelt und mich ein ums andere Mal zu Boden geschleudert. Als ich dann blutend da lag, nahm er meinen Schläger, trat auf ihn drauf und zerbrach ihn in zwei Stücke.

Tennisnet: Wie kam es, dass Sie später schließlich doch Tennis spielten? Sogar für das iranische Davis-Cup-Team?

Bahrami: Es lag daran, dass die damaligen Davis-Cup-Spieler, darunter auch der, der mir den Schläger gegeben hatte, älter wurden. Der Verband brauchte also Nachwuchs. Und mich hatte man auf der Straße spielen sehen. Also kam man ein Jahr später zu mir und zwei oder drei anderen, die in der gleichen Situation waren, und sagte: "Ok, jetzt darfst du spielen und jederzeit die Courts benutzen. Hier sind zwei Schläger." Deshalb spielte ich - und war mit 15 Mitglied im Davis-Cup-Team.

Tennisnet: Wie ging es weiter?

Bahrami: Mit 17 habe ich Qualifikationen für ATP-Turniere gespielt, ging bei Challengern an den Start und so weiter. Aber kurz vor meinem 21. Geburtstag musste ich aufhören, wegen der Iranischen Revolution. Plötzlich konnte ich das Land nicht mehr verlassen, weil die Grenzen geschlossen waren. Tennis wurde verboten, das neue Regime sagte: Das ist ein kapitalistischer, amerikanischer Sport, den wollen wir nicht. Über drei Jahre saß ich im Land fest und durfte nicht mehr spielen.

Tennisnet: Eigentlich ein Todesstoß für Ihre Karriere.

Bahrami: Erst mit 24 kam ich irgendwie nach Frankreich. Dort blieb ich dann sechs Jahre - und zwar illegal. Ich hatte kein Visum und keine Papiere, also musste ich mich auch noch von der Polizei fernhalten. Ich habe sechs Jahre quasi nur die kleinen Turniere in Frankreich gespielt, weil ich nicht reisen konnte - ein Visum für andere Länder zu bekommen, war für mich fast unmöglich. Man kann sagen, dass ich von 20 bis 30, also in meinen besten Jahren, kein professionelles Tennis gespielt habe.

Tennisnet: Das müssen extrem harte Jahre gewesen sein. Warum haben Sie nicht irgendwann einfach aufgegeben?

Bahrami: Schauen Sie, meine schwerste Zeit als Tennisspieler hatte ich im Alter von sieben bis zehn Jahren: Ich durfte alles ausprobieren, nur Tennis spielen durfte ich nicht. Alle wollten mich davon abhalten. Und das war am Ende der Grund. Ich sagte mir: "Sie wollen mich aufhalten, aber Tennis, das ist mein Sport! Ich will nur Tennis spielen." Wenn es von Anfang an leicht für mich gewesen wäre, dann wäre ich vielleicht Fußballer, Schwimmer oder sonstwas geworden. Ich wusste, dass es schwer werden wird, als ich den Iran verließ, aber ich bin nur weg, weil ich Tennis spielen wollte. Wäre ich kein Tennisspieler gewesen, hätte ich das Land nicht verlassen.

Tennisnet: Und wie erging es Ihnen in diesen sechs Jahren in Frankreich?

Bahrami: Auch wenn ich nur die Turniere in Frankreich spielte, war das Niveau doch nicht zu verachten. Um zu gewinnen, musste man schließlich den vielleicht viert- oder fünftbesten Spieler des Landes schlagen, allesamt Profis. Auf ATP-Spieler bin ich dann drei oder viermal im Jahr getroffen, bei den French Open, in Monte Carlo, Nizza oder Bordeaux. Aber weil ich nur so wenige ATP-Turniere spielen konnte, hat das natürlich nicht für ein gutes Ranking ausgereicht. Erst 1986 bekam ich eine Aufenthaltsgenehmigung für zehn Jahre. So war es für mich einfacher, Visa für andere Länder zu bekommen, also spielte ich mehr ATP-Turniere. Und drei Jahre später bekam ich einen französischen Pass, danach war alles leichter.

Tennisnet: Sie haben in Ihrer Karriere zwei ATP-Turniere gewonnen und waren 1987 die Nummer 31 der Welt. Im Doppel haben Sie sogar das Finale der French Open erreicht.

Bahrami: Und all das mit 30 oder älter. Davor durfte ich ja nicht wirklich auf der Tour spielen.

Tennisnet: Nochmal: Sie haben in diesen zehn Jahren zuvor niemals daran gedacht, alles hinzuschmeißen?

Bahrami: Nein, niemals. Selbst jetzt macht es mich traurig, wenn ich daran denke, dass ich in ein paar Jahren aufhören muss. Mit dem Tennis aufzuhören, kam für mich nie in Frage. Deshalb spiele ich auch bis heute: Ich liebe den Sport und die Leute wollen mich spielen sehen. Ich kann mich glücklich schätzen, in dieser Position zu sein.

Tennisnet: Sie sprechen es an: Seit Jahren kennt man Sie als großen Showman, der das Publikum bei Schaukämpfen begeistert. Woher kam das Talent, die Menschen zum Lachen zu bringen?

Bahrami: Aus meiner frühesten Kindheit. Von fünf bis 13 habe ich mit meiner Handfläche gespielt, einer Kehrschaufel, einem Stück Holz. Als ich als Achtjähriger nicht auf den Court durfte, habe ich gegen eine Wand gespielt, und die Leute haben mich gefragt: Warum machst du das? Später, mit 14 oder 15, habe ich damit Geld verdient, dass ich Spieler mit 20 Jahren Erfahrung geschlagen habe, mit meinem Stück Holz oder meiner Kehrschaufel. Aber ich habe nie Tennis gespielt, um reich zu werden. Es ging mir immer um die Freude am Spiel. Weil wir nicht auf die Plätze durften, haben meine Freund und ich uns unseren eigenen Platz gebaut, mit Linien und einem Netz, und dann mit den Händen und einem sehr alten Ball gespielt. Es war für mich immer ein Spiel, und das ist es bis heute geblieben. Wenn ich heute Schaukämpfe spiele, dann nicht, weil ich von einem Tag auf den anderen plötzlich komisch geworden bin. Mein Tennis war schon immer komisch, von Kindheit an.

Tennisnet: Und das hat die Zuschauer magisch angezogen.

Tennisnet: Wenn Sie Deutschland ansprechen: Unterscheidet sich das deutsche Publikum von anderen? Müssen Sie sich anpassen?

Bahrami: Nein, ich bin überall gleich. Manchmal bin ich an Orten zu Gast, wo mich die Leute noch nicht kennen, aber ich brauche überall nur fünf Minuten, dann habe ich sie immer auf meiner Seite. Ich liebe es einfach, mit ihnen zusammen zu sein. Wenn ich früher auf den Court kam und es waren keine Zuschauer da, hatte ich selbst keine Lust mehr. Also habe ich so schnell wie möglich verloren und bin wieder abgereist. Ohne Zuschauer konnte ich einfach nicht spielen. Es gibt nichts Besseres, als das Publikum zum Lächeln zu bringen.

Tennisnet: Sie spielen vor allem Doppel. Gibt es einen Partner für Sie, mit dem die Chemie einfach stimmt? Oder einen Lieblingsgegner?

Bahrami: Nein, ich spiele mit jedem, da gibt es kein Problem. Ich bin zwar immer der Älteste, aber ich nehme es mit jedem Gegner auf. (lacht) Früher habe ich sehr gerne gegen Peter McNamara gespielt. Ein großartiger Mensch, sehr elegant auf dem Court. Gegen ihn war es immer gutes Tennis und ein großer Spaß. Ich glaube, er hat sogar auch mal in Deutschland gelebt.

Tennisnet: Haben Sie auch mit Deutschen gespielt? Ich habe ein Foto mit Boris Becker gesehen, aber darüber hinaus?

Bahrami: Sie müssen sehr jung sein. (lacht) Ich habe mit sehr vielen Deutschen gespielt. Becker, Stich, Kühnen, Fassbender, Pohlmann ... In den 80ern habe ich mindestens 15 bis 20 Schaukämpfe pro Jahr in Deutschland gespielt. Auch gegen Steffi Graf. Sogar gegen Fußballer.

Tennisnet: Fußballer?

Bahrami: Ja, Beckenbauer zum Beispiel. Drei oder viermal habe ich gegen Sepp Maier gespielt, ein sehr netter Mensch. Das waren richtig gute Matches. Ich habe sogar gegen Thomas Gottschalk gespielt.

Tennisnet: Wie lange werden wir Sie noch auf dem Court sehen?

Bahrami: Solange mein Körper das mitmacht. Ich bin immer noch 30 Wochen im Jahr unterwegs. Solange ich noch gut genug bin und die Menschen mich sehen wollen, werde ich spielen. Wenn ich den Eindruck bekomme, dass ich zu langsam werde, mich nicht mehr bewegen kann oder die Leute keinen Spaß mehr haben, höre ich auf.

Tennisnet: Und wer kann in Ihre Fußstapfen treten?

Bahrami: Ich weiß, dass viele versuchen, mich und meinen Stil zu kopieren. Aber wer mein Nachfolger werden kann ... (überlegt) Ich weiß nicht. Wirklich nicht.

Tennisnet: Haben Sie zum Abschluss eine Lebensweisheit für den Tennis-Nachwuchs?

Bahrami: Ich sage den jungen Spielern immer, dass Tennis ein großartiger Sport ist. Spielt, so viel ihr Lust habt, und habt Spaß. Werde so gut wie ihr nur könnt, aber immer mit Freude am Spiel. Wenn die fehlt, dann ist es das nicht wert. Wenn man wirklich Feude am Tennis hat, kann man ein großer Spieler werden. Und wenn nicht, dann hat es zumindest Spaß gemacht. Im Sport, und auch im Leben. Nicht jeder kann die Nummer eins werden, aber jeder kann Spaß am Sport haben. Wird man ein großer Spieler: super. Und wenn nicht, ist es auch egal.

von Interview: Stefan Petri

Freitag
10.11.2017, 07:57 Uhr
zuletzt bearbeitet: 10.04.2020, 17:31 Uhr