Martin Fischer 2.0 - das Interview zum ersten Jahrestag
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
05.10.2010, 07:35 Uhr

Der Vorarlberger über das längste Jahr seiner Karriere, die besondere Freundschaft zu Philipp Oswald und wieso es keine Konkurrenz mit Stefan Koubek gibt.
Davis-Cup-Held Martin Fischer, seit 21. Juli 24 Jahre alt, ist beim Challenger von Palermo auf die Tour zurück gekehrt – zu seinem ersten "richtigen" Turnier seit dem Davis Cup, nachdem er in Izmir krankheitsbedingt aufgeben musste. In seinemaktuellen tennisnet.com-Tagebuchmeldete sich der Wolfurter fit und gut gelaunt zurück – und erwähnte nebenbei, dass er in Palermo das Ein-Jahr-Jubiläum seiner Zusammenarbeit im neuen Team rund um Joachim Kretz feiert. Grund genug für tennisnet.com, beim Vorarlberger nachzufragen, wie er am ersten Jahrestag seiner "neuen" Karriere bilanziert …
Martin, dein gestriger tennisnet.com-Blog aus Palermo endet mit dem Satz "Schön zu sehen, wieviel wir vorangebracht haben" … da wollen wir gerne ein bisschen nachfragen. Was ist es denn, das den Martin Fischer von Palermo 2010 vom Martin Fischer von Palermo 2009 unterscheidet?
Ein paar Sätze weiter vorne habe ich im Tagebuch von der Routine geschrieben, die das Match gegen Copil letztlich so glatt gemacht hat. Ich denke, das ist einer der größten Punkte: Ich gehe ganz anders in meine Matches, ich kann Spielsituationen besser beurteilen, habe in diesem Jahr auch meine ganze Einstellung, mein Verhalten auf dem Platz geändert. Ich kann besser einschätzen, was es braucht, um Erfolg zu haben. Nicht nur im Training, sondern auch beim Match, auf dem Platz.
Und die technischen Aspekte in deinem Spiel, von denen in den letzten Monaten soviel die Rede war?
Ach, von denen war genug die Rede, darüber ist auch genug geschrieben worden, dazu will ich gar nichts mehr sagen. Jogi Kretz und ich sind nach dem Match heute beisammen gesessen und haben das alles durchgesprochen, wie hart wir an diesem oder jenem Teil meines Spiels gearbeitet haben … dass seit Palermo 2009 wirklich erst ein Jahr vergangen ist, kann ich kaum glauben. Es fühlt sich viel, viel länger an, einfach weil soviel passiert ist.
Nun betreut Joachim Kretz aber nicht nur dich, sondern auch deinen Freund und langjährigen Trainingskollegen Philipp Oswald. Während du dich im vergangenen Jahr extrem positiv entwickelt hast – von ATP-Rang 232 auf 138 –, hat Philipp stagniert: von 251 auf 340. Woran liegt's, dass ihr euch so auseinander entwickelt habt?
Da spielen viele Kleinigkeiten eine Rolle. Man merkt, wie knapp alles beinander liegt.
Verzeihung … klingt das nicht ein bisschen nach Platitüde?
Gar nicht. Lass mich ein Beispiel bringen: Ich habe mir hier in Palermo Ossis Quali-Partie gegen Devilder angesehen. Devilder ist für eine Challenger-Quali schon eine harte Aufgabe – aber dennoch war Ossi ganz knapp dran, da haben ein, zwei Punkte entschieden. Da entscheidet einfach hin und wieder das Glück. Wenn Ossi solche Partien wie gegen Devilder gewinnt, kann ganz schnell das Selbstvertrauen wieder da sein, und dann geht's auch bei ihm in die richtige Richtung. Ich hatte dieses Glück bei ein paar Partien, er hatte es nicht.
Ihr seid gleich alt, seid gemeinsam in Vorarlberg aufgewachsen, habt bis vor einem Jahr eure Karrieren quasi parallel geführt. Jetzt spielt ihr kaum mehr dieselben Turniere – du freust dich sogar besonders, wenn es wieder mal möglich ist, dass ihr gemeinsam Doppel spielt. Wie hat sich euer Verhältnis dadurch verändert?
Menschlich gar nicht, zum Glück. Wir haben ja auch dauernd Kontakt, weil wir beide mit Jogi trainieren. Unsere Freundschaft hält sich sehr gut, auch in dieser Phase jetzt. Und die ist für mich sicherlich leichter als für ihn.
Fischer-Oswald hat lange Zeit geklungen wie ein Doppelname im österreichischen Tennis …
… aber das war für uns beide nicht immer witzig, wenn man dauernd miteinander verglichen wird, wenn von außen auch immer wieder gepusht wird und versucht wird, eine Konkurrenz in eine Freundschaft zu bringen. Umso stolzer können wir sein, dass es uns bis heute gelungen ist, dass der eine dem anderen seine Erfolge gönnt – so weit das eben in einem Einzelsport überhaupt möglich ist. Tennis ist halt ein beinharter Sport, da braucht man sich nichts vorzumachen …
Kannst du Ossi in seiner Situation irgendwie helfen?
Das Blödeste wäre, wenn ich ihm jetzt gönnerhaft Tipps geben würde. Er weiß selbst, was zu tun ist – und für alle Fragen, die seine Tennis-Karriere betreffen, ist ohnehin Jogi der richtige Ansprechpartner. Mich würde es wirklich sehr freuen, wenn er bis Jahresende soviele Punkte macht, dass er mit nach Australien kommen kann.
Wenn man deine eigene Situation ansieht: Du hast 2010 noch etwas über 80 Punkte zu verteidigen, das ist rund ein Fünftel deines Kontos. Stefan Koubek hat kaum noch Punkte zu verteidigen und steht nur zwei Plätze hinter dir … Angst um die Position als Nummer zwei Österreichs?
Nein. Weil ich tausendmal lieber als fünftbester Österreicher auf 90 stehe als dass ich auf Platz 200 die Nummer eins bin.
(Foto: GEPA pictures / Matthias Hauer)
