„Matador“ Nadal wagt sich auf Hartplätze zurück – und siegt

Der 26-Jährige verschafft sich in der kalifornischen Wüste weitere Selbstvertrauensschübe.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 10.03.2013, 22:08 Uhr

Von Jörg Allmeroth

Das Wichtigste an diesem Tag war nicht, dass Rafael Nadal sein Auftaktmatch beim Masters-Spektakel in Indian Wells gewann. Das Wichtigste war, dass es dieses Spiel überhaupt gab – auf diesem herausfordernden Bodenbelag, und mit ihm, dem mallorquinischen Matador, mit einem Mann, dem manche im Tenniszirkus schon eine Art Frührentner-Dasein mit erzwungenem Sandplatz-Spezialistentum prophezeit hatten. Aber nein, Nadal, der elfmalige Grand-Slam-Champion, wird auch in näherer und fernerer Karriere-Zukunft sein Glück fein säuberlich und vernünftig dosiert auf Hart- und Grasplätzen versuchen, so wie in der Wüste Kaliforniens, wo er nach knapp einem Jahr Hartplatz-Abstinenz den US-Amerikaner Ryan Harrison mit 7:6 und 6:2 schlug. „Ich bin erleichtert und zufrieden“, sprach der 26-jährige Superstar hinterher, vermied aber tunlichst, nach diesem kleineren Hartplatz-Comeback im größeren Tennis-Comeback sogar schon einmal zu einem möglichen Viertelfinal-Duell mit „Maestro“ Roger Federer zu schielen: „Ich kann mir nicht leisten, meinen nächsten Gegner zu ignorieren.“ Der wird in Runde drei (Nadal hatte zu Beginn ein Freilos) der Argentinier Leonardo Mayer sein.

Nadal hat noch Zeit für die Hochform

Nadal tut gut daran, mit der ihm eigenen Bescheidenheit und einer guten Portion Realismus auch in dieser schwierigen Phase seines Berufslebens ans Hand-Werk zu gehen. Zwar hat der Spanier mit seiner Finalteilnahme im chilenischen Viña del Mar und den Pokalgewinnen in Sao Paulo und Acapulco auf kleineren Tennisbühnen erste Achtungszeichen  gesetzt, doch die wirklichen Standortbestimmungen und ernsthaften Bewährungsproben nach der zwischenzeitlich siebenmonatigen Pause stehen noch aus – nicht zuletzt die Konfrontation mit seinen Widersachern aus dem exklusiven „Fab Four“-Kreis, also den Herren Novak Djokovic, Roger Federer und Andy Murray. Diese ganz besonderen Gentlemen sind es, an die sich einer wie Nadal orientiert und misst, und wie er sich gegen einen von ihnen zum jetzigen Zeitpunkt schlagen kann und wird, ist noch höchst ungewiss.

„Ich weiß, dass es noch dauern wird, bevor ich dauerhaft auf sehr hohem Level spielen kann“, sagt Nadal selbst. Und Onkel und Trainer Toni Nadal findet es sogar ein wenig beruhigend, „dass sich ‚Rafa’ noch genügend Raum für Steigerung offen gelassen hat. Er muss im Frühjahr bei 100 Prozent sein. Nicht unbedingt jetzt.“ Aber dass es das Selbstbewusstsein des verletzungsgeplagten Kämpfers durchaus nachhaltig befördert, nun auch auf einem Hartplatz erfolgreich beschäftigt gewesen zu sein, verkennt auch der Coach aus dem Familien-Clan nicht: „Diese Erfolgserlebnisse und diese gute Spielpraxis kann nichts ersetzen, nicht noch so viel Training.“

Die vielleicht spannendste Geschichte des Jahres

Bis zum Grand-Slam-Höhepunkt in Paris, wo der siebenfache French-Open-Champion seinen Titel verteidigen will, ist noch eine weite Wegstrecke zurückzulegen, und die könnte trotz aller Anfangstriumphe mit allerhand Schwierigkeiten, vorübergehenden Rückschlägen und dem Aufenthalt in wechselnden Gefühlswelten verbunden sein – vor allem, weil nicht 100-prozentig klar ist, inwieweit Nadal seinem sensiblen Knie trauen kann. Das Turnier in Indian Wells gilt Nadal, aber auch seinen Konkurrenten als erster wirklich wichtiger Beleg, um eine bessere Einschätzung der allgemeinen Kräfteverhältnisse zu bekommen – und eine zarte Vorahnung, ob der große Tennismeister tatsächlich im Mai und Juni bei den French Open in alter Pracht und Herrlichkeit über die Sandplätze fegen könnte. Nadal und seine Entourage schließen das bei aller gebotenen Zurückhaltung keineswegs aus: „Wichtig ist, dass jederzeit die Motivation stimmt – meine Moral, meine Einstellung, meine Trainingsleistung“, sagt er.

Sollte der Sandplatz-König in Kalifornien zeitig ausscheiden, wäre es bestimmt kein sportliches Drama für Nadal. Man kann sicher sein, dass der hellsichtige Fighter diese Niederlagen einkalkuliert hat. Sein größtes Augenmerk gilt den Sandplatzturnieren im Frühling. Sein Versuch, zu vertrauter Dominanz auf seinem ureigenen, geliebten Terrain zurückzufinden – das könnte die spannendste Geschichte dieses ganzen Tennis-Jahres werden.(Foto: GEPA pictures)

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Sonntag
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