Matchball fürs Leben: Warum Tennis der gesündeste Sport der Welt ist
Wer die US Open dieser Tage verfolgt, hat wahrscheinlich direkt neben der Seitenlinie im Arthur Ashe Stadium den digitalen Claim “The World’s Healthiest Sport” bemerkt. Ein kühner Satz, den man von Sportgroßereignissen wie der Champions League oder dem Super Bowl kaum kennt. Doch was steckt dahinter?
von Isabella Walser-Bürgler
zuletzt bearbeitet:
04.09.2025, 16:20 Uhr

Hinter der Marketing-Kampagne “World's Healthiest Sport” steht die USTA (United States Tennis Association), der nationale Tennisverband der Vereinigten Staaten. Der Inhalt der Kampagne ist allerdings nicht bloß heiße PR-Luft. Tatsächlich beruft sich die USTA auf zwei wissenschaftliche Untersuchungen, die Tennis in Sachen Gesundheit weit nach vorne katapultieren. Eine 2016 im British Journal of Sports Medicine veröffentlichte Studie, an der über 80.000 Brit:innen teilnahmen, belegt: Wer Schlägersportarten wie Tennis, Badminton oder Squash betreibt, hat ein um 47 Prozent reduziertes Sterberisiko insgesamt und ein um 56 Prozent reduziertes Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben. Keine andere Sportart in dieser Untersuchung konnte mit diesen Ergebnissen mithalten.
Ergänzt werden diese Einsichten durch das Ergebnis einer Langzeitstudie, die 2018 in den Mayo Clinic Proceedingserschien: Über 8.500 Teilnehmer:innen aus Dänemark wurden über fast 25 Jahre lang begleitet. Dabei zeigte sich, dass Tennis-Spieler:innen im Schnitt knapp zehn Jahre länger als Menschen mit sitzendem Lebensstil lebten. Badminton bringt ‘nur’ 6,2 zusätzliche Jahre, Fußball 4,7, Radfahren 3,7, Schwimmen 3,4. An hinterster Stelle rangieren diverse Fitnessstudio-Aktivitäten, die das Leben um 1,5 Jahre verlängern.
Was Tennis so besonders macht
Laut Kardiologe James O'Keefe, Co-Autor der Mayo-Studie, gibt es schlicht keine andere Sportart mit ähnlich belastbaren Daten. Tennis vereine Elemente, die sowohl den Körper als auch den Geist fordern: Ausdauer und Schnelligkeit, Auge-Hand-Koordination, Balance, dazu strategisches Denken und hohe soziale Interaktion. “Wenn man alle Komponenten zusammennimmt, ist es schwer, gegen Tennis zu argumentieren”, ergänzt Jack Groppel, ehemaliger Chef des wissenschaftlichen Beirats der USTA. Dennoch bleibt ein kleiner Schönheitsfehler: Nicht alle Sportarten fanden in den Studien Berücksichtigung bzw. wurden nicht in beiden Studien gleichermaßen untersucht. Squash war in der britischen Studie etwa noch im Cluster “Racket-Sport” enthalten, kam in der dänischen Untersuchung aber nicht vor. Ähnlich tauchten ein paar Teamsportarten wie Basketball überhaupt nicht auf, obwohl sie aufgrund der sozialen Komponente eine wichtige Rolle in Bezug auf die Lebenserwartung spielen könnten.
Brian Hainline, seit 2023 Präsident der USTA, gibt zu: Würde man wissenschaftlich korrekt werben, müsste es heißen: “Tennis ist die Sportart, die in den vorliegenden Studien am deutlichsten mit längerer Lebenserwartung assoziiert ist.” Aber das taugt kaum als knackiger Slogan. Daher also „World’s Healthiest Sport“ – ein Claim, der zwar vereinfacht, aber eben auch nicht einfach aus der Luft gegriffen ist. Die Daten sprechen ja trotzdem Bände.
Pickleball im Nacken
Ein wesentlicher Grund für die Offensive der USTA ist übrigens das Phänomen Pickleball. In den USA verdrängt der Boom-Sport vielerorts Tennis von den Anlagen. Einstige Top-Spieler wie Andy Roddick oder Andre Agassi gelten sogar als Botschafter des neuen Racket-Sports. Wissenschaftlich untersucht wurde Pickleball bislang zwar noch nicht, doch Experten wie O'Keefe sind überzeugt, dass auch hier durch Bewegung und soziale Bindung ähnliche Effekte wie im Tennis auftreten könnten.
Die Botschaft bleibt dennoch hängen. Tennis ist nicht nur für Technikfreaks oder Zuschauer im Grand-Slam-Fieber, sondern eine der effizientesten Möglichkeiten, um Körper und Geist langfristig zu stärken. Der Claim vom “gesündesten Sport der Welt” ist also keineswegs übertrieben – zumindest solange, bis Basketballer oder Pickleball-Fans ihre eigene Studie vorlegen.
