Max Neuchrist im Interview: "Verlieren sollte nicht zur Gewohnheit werden"

Maximilian Neuchrist ist seit über einem Jahrzehnt auf der Tour unterwegs und hat schon einiges als Profi erlebt. Sein bisher bestes Tennis konnte er aber erst in dieser Saison abrufen, wo er im April zum ersten Mal den Sprung unter die Top 200 der ATP-Weltrangliste schaffte.

von Florian Heer aus Hamburg
zuletzt bearbeitet: 19.10.2023, 11:45 Uhr

Max Neuchrist steht in Mexiko City schon im Halbfinale
Max Neuchrist steht in Mexiko City schon im Halbfinale

Der 32-jährige Wiener gewann 13 Einzeltitel auf dem ITF-Pro-Circuit. Darunter befinden sich auch Turniersiege in etwas exotischeren Plätzen der Tenniswelt, wie beispielsweise in Kambodscha, dem Senegal oder Nigeria. Ende letzten Jahres erreichte Neuchrist im portugiesischen Maia sein erstes Finale auf dem ATP-Challenger-Circuit, musste sich jedoch im Endspiel dem französischen Jungstar Luca van Assche in drei Sätzen geschlagen geben.

Beim in dieser Woche stattfindenden Hamburg Ladies & Gents Cup nimmt der an Position 260 rangierende Österreicher einen weiteren Anlauf. Wir haben uns mit ihm nach seinem Erstrundensieg über Moez Echargui aus Tunesien zum Interview verabredet.

Maximilian, du kommst gerade von Turnieren aus dem sonnigen Spanien. Wie schwer hast du dir mit der Umstellung auf Hallentennis in Hamburg getan?

Mich an neue Bedingungen anzupassen, zählt nicht zu meinen Stärken. Wenn ich weiß, dass es in die Halle geht, versuche ich mich die Wochen zuvor bereits speziell auf den Aufschlag zu konzentrieren. Das ist der Schlüssel, auch an schlechteren Tagen. Wenn das Service passt, kann ich mich zumindest in den Tiebreak retten und man ist auf jeden Fall dabei.

Du spielst insgesamt eine klasse Saison. In den vergangenen Wochen lief es jedoch nicht ganz so gut und du musstest einige Erstrundenniederlagen einstecken. Hast du einen Grund dafür ausmachen können?

Ich habe zu Beginn der Saison sehr stark gespielt. Auch durch Verpflichtungen mit der Liga bin ich jedoch in einen Strudel gekommen. Zudem hatte ich mit einer Schulterverletzung zu kämpfen. Trotzdem standen die drei Grand-Slam-Turniere an und mir war bewusst, dass ich diese in meiner Situation auf keinen Fall auslassen konnte. Somit war ein gewisses Training über den Sommer hinweg nicht wirklich möglich und ich habe insbesondere mit meinem Service und der Vorhand Qualität liegen gelassen. Das hat ein kleines Loch aufgerissen. Zudem muss man aber auch feststellen, dass ich immer versucht habe die besten Turniere zu spielen, in die ich reingekommen bin. Dann spielt man auch gegen richtig gute Gegner. Wenn meine Vorhand und der Aufschlag nicht kommen, kann ich Leute zwischen 100 und 200 im Ranking nicht schlagen.

Was meinst du genau, wenn du sagst, dass du in deiner Situation die Grand-Slam-Turniere nicht auslassen kannst?

Da geht es ums Preisgeld. Auf dieses bin ich mit meinem Ranking angewiesen.

Dies ist auch wohl auch ein Grund für deine hohe Beteiligung an Liga-Matches?

Ja, ich spiele in fünf Ländern (lacht). Am Anfang der Saison verpflichtet man sich für den Ligabetrieb. Oft sind diese Matches auch sehr hilfreich. Heuer hat es allerdings nicht ganz in meine Planung gepasst. Dafür wird man finanziell gut entlohnt. Man muss die richtige Balance finden.

Mit 32 Jahren spielst du die beste Saison deiner Karriere. Würdest du dich als Spätstarter bezeichnen?

Ich habe viele Dinge erst später verstanden, beispielsweise wie ich Gegner analysiere und abzuschätzen welche Tools ich benötige, um diese zu schlagen. Die Verletzungen waren aber auch leider ein ständiger Begleiter in meinem Leben. 2018 war ich zum ersten Mal sehr gut dabei und habe mich in die Qualifikation der Grand-Slam-Turniere gespielt. Dann habe ich mir die Achillessehne gerissen. Das war sehr einschneidend. So was kann dich von heute auf morgen zum Rentner machen.

Wie geht es dir heute körperlich?

Ab einem gewissen Alter zwickt's natürlich ab und an mal, aber ich fühle mich insgesamt fit. Außerdem lernt man damit auch umzugehen. Das ist Teil des Berufs.

Als Tennisprofi beendet man auch viele der Turnierwochen mit einer Niederlage. Gehört das auch zum Lernprozess?

Die Kunst dabei ist es, in der nächsten Woche wieder bissig zu sein und einen Siegeswillen aufzubauen. Verlieren sollte nicht zur Gewohnheit werden und einem immer wieder neuen Ansporn geben. Niederlagen sollten einen aufbauen. Dann heißt es aufstehen und wieder die Bissigkeit auf den Platz zu bringen.

Du hast im Laufe deiner Laufbahn auch an einigen Turnieren in exotischeren Ländern teilgenommen. Kam es dort zu besonderen Erlebnissen?

Ich habe beispielsweise in Kuwait oder in Abuja, Nigeria gespielt. Diese Turniere waren sehr gut. Es gab aber auch Futures in Lagos, die ziemlich chaotisch abliefen. Heuer habe ich Challenger-Events in Indien gespielt, wo ich aufgrund einer Lebensmittelvergiftung in der Notaufnahme gelandet bin.

Wie sieht deine Zielsetzung für den Rest der Saison aus?

Ich werden noch ein paar gute Ergebnisse in meinen letzten fünf oder sechs Turnieren einfahren müssen, da ich noch einige Punkte zu verteidigen habe. Das Ziel ist es immer, in die Grand-Slam-Turniere zu kommen. Man trifft dann in der Qualifikation auf viele Spieler, die auch auf Challenger-Events unterwegs sind. Es ist kein Geheimnis, dass dort das große Geld zu Hause ist und als Profi muss man welches verdienen, um von seiner Arbeit leben zu können.

Wenn du dir aussuchen könntest, im Hauptfeld eines Majors zu stehen, für welches würdest du dich entscheiden?

(überlegt) Australien. Da habe ich noch nie gespielt. Außerdem soll es mit den Fans dort sehr spektakulär sein.

Wenn du auf Reisen bist, schaust du dir auch die Orte selbst an?

Inzwischen schaue ich mir vermehrt die Städte an und versuche einige lokale Besonderheiten mitzunehmen. Es ist schon ein Privileg als Leistungssportler in der Welt viel herumzukommen. Viele Freunde beneiden mich dafür und sagen mir, dass ich so lange spielen soll, bis mir der Fuß abfällt. Wenn man sich dessen bewusst ist, kann man es auch mehr genießen.

Gibt es auch Pläne für einen Ausflug in Hamburg?

Ich kenne die Stadt ganz gut, da ich früher für den TTK Sachsenwald Winterliga gespielt habe. Die Gegend um die Alster ist natürlich extrem schön, aber das Wetter muss auch mitspielen. Ich komme gerade direkt aus Spanien und habe gar kein warmes Gewand dabei. Eigentlich war der Plan zuerst nach Hause zu fliegen, aber direkt nach Hamburg zu kommen war preislich attraktiver.

Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg!

von Florian Heer aus Hamburg

Donnerstag
19.10.2023, 10:44 Uhr
zuletzt bearbeitet: 19.10.2023, 11:45 Uhr