Jerich und seine starken Männer

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 10.06.2010, 09:08 Uhr

Jürgen Melzer, Stefan Koubek, Martin Fischer, Alexander Peya – und alle beim selben Klub. Möglich macht das Herbert Jerich junior, der die vier der fünf besten österreichischen Einzel-Spieler verpflichtete und mit diesen und dem Deutschen Björn Phau heuer den Bundesliga-Sieg mit dem TC Gleisdorf anpeilt. Seit zehn Jahren lebt der 31-jährige Steirer in New York, leitet von dort aus die sechs US-Außenstellen des Logistikunternehmens seines Vaters, Jerich International (Jahresumsatz 130 Millionen Euro). Dieses ist auch Hauptsponsor des Herren-Volleyball-Klubs VC Jerich International, mit dem in der Bundesliga der Klassenerhalt gelang, fördert den World-Touring-Car-Fahrer Wolfgang Treml, war vor einigen Jahren im Fußball Sponsor von Sturm Graz und ist es jetzt beim FC Gleisdorf. Doch wer ist der geheimnisvolle Mäzen aus der Oststeiermark eigentlich genau? Warum er so viel Geld in die heimische Sportlandschaft investiert und es ursprünglich nie geplant war, um den Tennis-Meistertitel mitzuspielen, erzählte Jerich im Interview mit tennisnet.com.

Herbert, du lebst in Manhattan und bist auch in Österreich nur über ein Handy mit US-Vorwahl zu erreichen – du bist ja schon ein halber Amerikaner, oder?

Ich hab mein österreichisches Handy in New York vergessen (lacht). Mir fallen zwar viele Worte auf Englisch besser ein, aber ich bin Vollblut-Österreicher und stolz auf unsere Nation. Und da unsere Firma in Europa sehr präsent ist, bin ich jeden Monat auch für einige Tage in der Heimat.

Was macht deine Firma konkret?

Das lässt sich wohl mit den Worten Lager- und Transportlogistik am besten zusammenfassen. Wir kümmern uns um die gesamte Abwicklung von Ort A nach B – der Kunde produziert und wir schauen auf den bestmöglichen Transport und die optimale Lagerung.

Und was hat das alles jetzt mit Tennis zu tun?

Ich bin damit aufgewachsen. Meine Schwester Lisbeth war neunfache Staatsmeisterin. Ich bin vier Jahre jünger, hab auch mit dem Tennis angefangen, war im steirischen Verband, hab aber nie professionell trainiert. Wir hatten schließlich eine Firma, und es war von Anfang an klar, dass ich da einsteigen kann.

Und jetzt sponserst du den TC Gleisdorf. Warum ausgerechnet ein Klub in einer 5000-Einwohner-Stadt in der Oststeiermark?

Der Bezug zum TC Gleisdorf war immer da, ich komme ja von hier her und hab schon immer da Meisterschaft gespielt. Und so etwas würde ich auch nur in Gleisdorf machen. Mein Vater ist hier seit letztem Jahr Präsident und die Location passt zu 100 Prozent. Irgendwo in Graz wäre die Resonanz niemals so groß, von außerhalb würde da nie jemand kommen. Hier aber kommen alle Tennisklubs aus der Umgebung zuschauen, so was hat’s hier noch nie gegeben.

Wie wurde die Idee geboren, aus dem TC Gleisdorf einen Bundesliga-Klub zu machen und um den Meistertitel mitzuspielen?

Die Idee wurde eigentlich nie geboren, das war so alles nicht geplant. Wir haben eines Tages in der steirischen Landesliga B gegen den TC Voitsberg gespielt, der uns damals den Aufstieg vermasselt hat. Also haben wir den „Feind“ geschwächt (lacht). Ich hab bei einem Bier den Patrick Schmölzer gefragt, ob er nicht für Gleisdorf spielen mag. Er hat dann den Christian Magg mitgebracht.

Und ihr habt diesmal gleich die Landesliga B gewonnen …

Ja. Das hat uns riesig gefreut, die Stimmung hat gepasst und wir wollten einfach nur schauen, dass wir oben bleiben. Dann aber hatten wir die Möglichkeit, uns mit dem Alexander Peya zu verstärken. Das war eine ziemliche Herausforderung, ihn von der damaligen Superliga in die Landesliga A zu zu holen. Wir sind wieder aufgestiegen und haben uns wieder nur mit einem einzigen Spieler verstärkt – und haben mit dem Martin Fischer die Staatsliga gewonnen. Wir haben immer nur von Jahr zu Jahr gedacht – und jetzt sind wir eben in der Bundesliga.

Und dort mit Jürgen Melzer und Stefan Koubek Titelfavorit. Wie war es möglich, die beiden zu verpflichten?

Mit Jürgen hab ich zuerst gesprochen und in Miami dann mit ihm gegessen. Ab da ist alles über seinen Manager Ronnie Leitgeb gelaufen. Natürlich muss es finanziell passen, wenn man ihn von seinem Heimatklub Deutsch-Wagram wegbekommen will, es ist kein Geheimnis, dass dazu einiges an Geld nötig war. Bei Stefan war’s so, dass er einfach wusste, was da Tolles im Entstehen ist und er in seinem erfahrenen Alter unbedingt noch einmal Meister werden will. Die Integration in die Mannschaft hat bei beiden perfekt gepasst.

Ist es wahr, dass du auch Tommy Haas verpflichten wolltest?

Ja, das stimmt. Er ist ja in Graz geboren und wäre auch daher sicher ein Zuschauermagnet gewesen. Wir hatten Kontakt zu seinem Vater und seinem Verein in Deutschland, dem TC Mannheim. Wegen seiner Verletzung ist er dann leider abgesprungen und kann sechs Monate nicht spielen. Mal schauen, ob er wieder zurückkommt. Er ist jedenfalls weiter ein Thema.

Von Österreichs fünf stärksten Einzel-Spielerin fehlt nur Daniel Köllerer. War er für dich vor der Partie mit der Würge-Aktion von Stefan Koubek auch ein Thema?

Ich habe ihn persönlich nicht gekannt, hab ihn bis dahin noch nie getroffen und mich nie mit ihm persönlich unterhalten. Ich sage meinen Leuten, wen sie kontaktieren sollen, sein Name ist da allerdings nie gefallen.

Hat die Vorbereitung auf die neue Saison wieder in der Akademie von Trainer-Guru Nick Bollettieri in Florida stattgefunden? Und wie ist das überhaupt möglich?

In den letzten Jahren war das immer der Fall, ja. Heuer nicht. Es gibt da so ein Programm für Vollprofis und Möchtegern-Halb-Profis (lacht), da kann man sich normal anmelden. Aber der Christian Magg kennt den Ex-Haas-Coach David „Red“ Ayme und hat uns da reingebracht. Heuer haben sich er und Patrick Schmölzer aber in New York vorbereitet.

Wieviel investierst du insgesamt im Jahr in die Mannschaft?

Das mag ich nicht sagen, das wird immer von Jahr zu Jahr entschieden. Aber die größte Herausforderung war es vielmehr, eine Mannschaft zu finden, in der der Teamgeist stimmt. Wir haben sonst ja alle Spieler gehalten, und das ist gut so. Wir haben viel Spaß miteinander, der Zusammenhalt ist großartig. Das zeigt sich auch daran, dass sich alle schon Tage davor zu einer Pressekonferenz eingefunden haben.

Die hat ja an einem exquisiten Ort stattgefunden.

Ja, das stimmt. Am Schlossberg, direkt über den Dächern von Graz. Das passt genau. Wir wollen ja hoch hinaus (lacht).

Nämlich zum Titel. Der kann mit dieser Mannschaft ja auch nur das Ziel sein, oder?

Das kann man sehen, wie man will. Die anderen sind auch stark, das ist sicher keine „g’mahte Wies’n“. Wir sehen uns als Mitfavorit, nicht als Titelfavorit. Unser Mindestziel war das obere Play-off, das haben wir mal erreicht. Aber natürlich wollen wir jetzt den letzten Sprint auf dem Weg nach oben hinlegen und hoffen, dass wir den Titel holen.

Wenn’s klappt, was dann? Wie langfristig ist dein Engagement geplant?

Die Tennis-Führung steht voll hinter dem TC Gleisdorf. Ich bin keiner, der sagt „ich kauf alles auf und nach einem Jahr bin ich wieder weg“. Ich weiß noch nicht, wie’s weitergeht, das wird sich alles erst mit der Zeit zeigen. Aber ich garantiere, dass ich auch in einem Jahr noch da bin und das nicht als kurzfristige Sache sehe. Wir wollen uns nicht einfach nur den Titel abholen, sondern wirklich was für die Leute machen und richtige Tennis-Feste veranstalten.

Wie soll das genau aussehen?

Wir haben schon in unseren zwei Heimpartien der Gruppenphase jeweils rund 1000 Zuseher angelockt, das ist sensationell für den Tennissport. Es war auch ein Kamerateam da, das fürs Fernsehen Beiträge gemacht hat. Und für das Play-off hat der ÖTV wieder einen Deal mit dem ORF. Zum Abschluss werden wir eine Feier machen, dazu ein Gewinnspiel, bei dem zwei Personen ein Match gegen einen der Spieler gewinnen können.

Was hast du von der ganzen Sache? Oder siehst du dich einfach als Förderer des österreichischen Tennis?

Als ein Liebhaber des österreichischen Tennis auf alle Fälle. Ich bin einfach ein „Tennis-Verrückter“ im positiven Sinn. Aber natürlich hat die Bundesliga auch ihren Werbewert. Der Name Jerich wird in die Öffentlichkeit getragen, der Firmenname bei Werbetätigkeiten zur Verfügung gestellt. Ich hab also schon auch etwas davon.

Was sind die häufigsten Reaktionen zu deinen Aktivitäten als Mäzen? „Der ist ja völlig verrückt“ oder „geil, was der da macht“?

(lacht) Das ist wohl eine ziemliche 50:50-Angelegenheit. Wenn mich einer mich mag, sagt der „das ist schon okay, eine tolle Sache“. Und wenn einer neidig ist, sagt er „das ist doch alles ein Scheiß“.

Würdest du dir wünschen, dass es in der österreichischen Tennis-Landschaft noch mehr solche „Wahnsinnige“ wie dich gibt?

Zwei bis drei mehr wären schon gut in der Superliga. In einem gewissen Rahmen halt, denn nach oben gibt es sowieso nie eine Grenze. Nadal gegen Federer nach Gleisdorf zu bringen, wird zwar nicht so leicht (lacht), aber wenn der Veranstaltungsort attraktiv ist, kommen auch die Top-Stars. In Wien oder Linz wäre es zum Beispiel bestimmt möglich, etwas Großes auf die Beine zu stellen. Die Mannschaftsführer dort haben gute Kontakte zu großen Firmen, und bisher ist das Budget bei den Teams dort ja nicht so groß.

Erfüllst du dir als Mannschaftsführer und Sponsor des TC Gleisdorf Träume, die du – bei allem Respekt - selbst als Tennisspieler nicht realisieren kannst?

Ich hatte auch nie das Verlangen, österreichischer Meister zu werden, so etwas war niemals geplant. Jetzt ist es aber möglich, auf der Mannschaftsliste stehe ich ja immer noch (lacht).

Und auch im Raster eines ATP-Turniers.

Ja, ich hab 2007 in Stuttgart mit Patrick Schmölzer im Doppel gegen die Tschechen Frantisek Cermak und Leos Friedl gespielt. Das war zwar ein Gag, aber einfach unglaublich, das muss man mal erlebt haben.

Wie war das möglich?

Ich hatte durch den Kontakt zu Edwin Weindorfer, der das Turnier ja mit Herwig Straka organisiert, die Chance dazu – und die würde jeder nützen. Ich hab mich auch erkenntlich gezeigt und bin jetzt beim veranstaltenden Klub, dem TC Weissenhof, Sponsor.

Ist etwas in dieser Art mal wieder geplant?

Ich war ja mit Patrick auch mal im Viertelfinale des Graz-Challengers. Aber nein, so etwas habe ich nicht mehr vor, das ist ad acta gelegt. Ich bin auch nicht mehr der Jüngste und mir fehlt einfach die Zeit zum Training und zur Vorbereitung.

Interview: Manuel Wachta

von tennisnet.com

Donnerstag
10.06.2010, 09:08 Uhr