„Ich hatte mit meiner Karriere schon abgeschlossen“

Die 21-Jährige im tennisnet.com-Interview.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 17.08.2011, 08:41 Uhr

Michael Linzer sorgte zuletzt mit zehn Matchgewinnen auf Future-Ebene für Aufsehen und schaffte in der Weltrangliste erstmals den Einzug unter die Top 400. Für den 21-Jährigen der Höhepunkt einer bislang sehr turbulenten Saison: Anfang des Jahres überlegte Linzer seine Karriere zu beenden, nach einem Gespräch mit Ex-Daviscupper Wolfgang Schranz startete der Niederösterreicher noch einmal durch und bereitete sich in der neugegründeten „Akademie Wolfgang Schranz pur“ vor. Im tennisnet.com-Interview spricht Linzer über seine Türkei-Vorliebe, die Auszeit vom Tennis und die bevorstehenden Aufgaben.

Gratulation zu den beiden Future-Siegen in der Türkei. Du scheinst dich zum absoluten Türkei-Spezialisten zu entwickeln, immerhin hast du dort deine bisherigen vier Future-Siege geholt - Zufall?

Nein, sicher nicht. Ich spiele sehr viel und sehr gerne in der Türkei, weil es dort einfach von der Umgebung perfekt passt. Die Hotels sind mit Fitnessräumen und Kraftkammer gut ausgestattet, die Trainingsmöglichkeiten sind top und die Verpflegung ist ebenfalls sehr gut. Man muss sich dort eigentlich um nichts kümmern, kann sich voll und ganz auf das Turnier und seine eigene Leistung konzentrieren.

Das ist dir in Izmir ausgesprochen gut gelungen: Zehn Siege in zehn Spielen - eine beeindruckende Bilanz!

Ich habe die Wochen davor schon im Training gesehen, dass wirklich was weitergeht und habe gewusst, dass es ordentlich rascheln wird, wenn ich meine Trainingsleistungen abrufen kann. Dass es dann aber so gut läuft, kann man natürlich nicht planen. Es hätte auch anders kommen können, wenn ich in der ersten Woche im Halbfinale nicht drei Matchbälle gegen Dane Propoggia abgewehrt hätte. Da haben dann nur Kleinigkeiten zu meinen Gunsten entschieden und wer weiß, wie die zweite Woche dann verlaufen wäre.

Nicht die erste richtungsweisende Situation in diesem Jahr für dich. Gerüchteweise hättest du nach derAuflösung der Tennis Zone Internationalim Frühjahr beinahe den Schläger an den Nagel gehängt...

Richtig, ich hatte mit meiner Karriere eigentlich schon abgeschlossen und war als Trainer unterwegs.

Nach den guten Ergebnissen zu Jahresbeginn eigentlich ein unvorstellbarer Gedanke...

Eigentlich schon, aber es hat für mich vom Umfeld überhaupt nicht mehr gepasst – näher möchte ich darauf allerdings nicht eingehen. Ich habe jedenfalls gesehen, dass es so nicht weitergehen kann und habe für mich einen Schlussstrich gezogen.

Wie ist es dann zum Sinneswandel gekommen?

Ich hab mich mit Wolfgang Schranz zusammengesetzt und über ein Comeback geredet. Er hat mir von Anfang an gesagt, dass es nur Sinn macht mit 100% an die Sache heran zu gehen und wir waren uns einig, dass wir es entweder Vollgas angehen oder ganz lassen. Wir haben dann einen Plan für eine vierwöchige Vorbereitung aufgestellt – die Vorbereitung war dann richtig intensiv, genau auf mich abgestimmt. Ich habe täglich sechs bis acht Stunden trainiert, in den ersten Tagen war ich nach einer halben Stunde komplett platt, habe Krämpfe gehabt, weil ich so weit weg von meiner Topform war. Aber nach zwei Wochen hab ich gemerkt, dass richtig was weitergeht und mir das Training wieder Spaß macht.

Die Zusammenarbeit hat sich mit zwei Future-Titeln bislang bezahlt gemacht. Was sind Eure weiteren Pläne?

Wir haben uns vorerst einmal auf eine dreimonatige Zusammenarbeit geeinigt, danach schauen wir weiter. Wenn die Entwicklung in die richtige Richtung geht, noch Luft nach oben ist, dann werden wir sicher weitermachen. Das Hauptkriterium ist, dass es mir Spaß macht, natürlich sollten die Ergebnisse auch passen – aber der Anfang ist auf jeden Fall einmal geglückt!

Warum hat es von Anfang an so gut geklappt, was zeichnet Wolfgang Schranz als Trainer aus?

Ich habe schon früher sehr gerne mit ihm trainiert, weil er mich super motivieren kann. Außerdem hat er sehr gute Ideen, sieht genau, was ich im Training brauche. In der Vorbereitung haben wir zum Beispiel täglich eine Übung gespielt, die mir helfen soll, die Ballwechsel zu verkürzen. In der Türkei ist das dann auch voll aufgegangen: Ich war in den Ballwechseln viel aggressiver und die Matchzeit war in den meisten Partien deutlich kürzer als früher.

Durch die Erfolge hast du im Ranking erstmals die Top 400 geknackt. Wäre es jetzt nicht an der Zeit, auch vermehrt auf Challenger-Ebene zu spielen?

Nach meinem derzeitigen Trainingsblock geht es zuerst noch nach Novi Sad, wo ich zwei Futures spiele. Danach schiebe ich wieder zwei Trainingswochen ein, ehe ich bei ein paar Challengern antreten werde. Vom Ranking her ist der Umstieg aber noch etwas schwierig: Bei Turnieren in China oder Japan wäre ich vielleicht fix im Hauptbewerb, aber der schnelle Hardcourt dort liegt mir nicht unbedingt und auch die Reisekosten sind zu hoch. Bei den Turnieren in der näheren Umgebung muss ich ziemlich sicher in die Quali. Dafür kommen mir die Sandplatz- oder langsamen Hardcourt-Challenger sicherlich mehr entgegen.

Wo liegen für dich die größten Unterschiede zwischen Future- und Challenger-Ebene? Wo musst du dich am meisten verbessern, um auch bei den größeren Turnieren Fuß zu fassen?

Mit Leistungen wie in der Türkei kann ich sicher auch bei Challengern bestehen. Aber die Spieler werden immer stärker und ich muss in jeder Partie konstant Top-Leistungen abrufen. Verbessern kann ich mich sicher noch in allen Bereichen, aber das meiste Potential ist beim Aufschlag und beim Return. Da muss ich es schaffen, den Gegner mit meinem ersten Schlag noch mehr unter Druck zu setzen und so das Kommando auf dem Platz zu übernehmen.

Du hast zuerst den finanziellen Aspekt angesprochen. Wie schwierig ist es für dich als Spieler um Position 400 über die Runden zu kommen?

Finanziell ist es bei mir schon in den letzten vier, fünf Jahren immer problematisch gewesen, sonst würde ich wahrscheinlich schon weiter vorne stehen. Ich habe heuer in Deutschland und in Wien beim Colony Club Meisterschaft gespielt, damit ich mir die Turnierreisen mit Trainer leisten kann, ansonsten gibt es aber kaum Einnahmen. Für meine Turniersiege in der Türkei habe ich rund 2300 Dollar kassiert, da kann man sich keinen Ferrari kaufen, sondern muss froh sein, wenn die Kosten einigermaßen gedeckt sind. Einen Sponsor zu finden, ist nach wie vor extrem schwierig, wenn man nicht regelmäßig im Fernsehen oder in den großen Zeitungen vorkommt. Aber ich habe gewusst, dass es schwierig wird. Und bis jetzt bin ich immer irgendwie über die Runden gekommen und habe nach der Saison kein Minus auf dem Konto gehabt.

Das Interview führte Bernt Baumgartner

von tennisnet.com

Mittwoch
17.08.2011, 08:41 Uhr