„Ohne das Geld meiner Eltern könnte ich nicht spielen“

Finanzen und Familie, Fed Cup und French Open – Die Bad Segebergerin im Gespräch mit tennisnet.com

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 08.03.2011, 11:20 Uhr

Mona Barthel steht mit 20 Jahren noch am Anfang ihrer Karriere. Sie hat den konservativen Weg bestritten: Zuerst das Abitur, dann die Karriere. Nun steht die Rechtshänderin in den Top 200 und will noch in diesem Jahr den nächsten Schritt machen: Sie träumt von einem Grand-Slam-Hauptfeld und den Top 100. Doch wie lässt sich ein so langer Anlauf finanzieren? Wie ist die Unterstützung der Verbände? Welche Rolle spielen die Eltern? Darüber, über ihren Saisonstart und über die Tatsache, dass sie bisher vorwiegend auf Hartplatz in der Halle erfolgreich war, redet Mona Barthel im Gespräch mit tennisnet.com.

Frau Barthel, Sie haben das Jahr 2011 mit einer Turnierserie von vier 25.000-Dollar-Turnieren begonnen. Ein Turniersieg, ein Finale und zwei Zweitrundenpleiten. Wie fällt ihr sportliches Fazit aus?

Ich bin mit den Turnieren zufrieden. Ich hatte mir vorher 100 Punkte vorgenommen und die habe ich genau erreicht. Mit den Ergebnissen bin ich zudem sicher in der Qualifikation für die French Open. Zum Ende hin war ich leider etwas kaputt, deswegen war das letzte Turnier nicht mehr ganz so gut.

Erwartet man sich nicht noch ein wenig mehr, wenn man gleich mit einem Turniersieg startet?

Nein, man denkt ja nicht, dass man jedes Turnier gewinnt. In den Rankingregionen gibt es keinen, der jedes Turnier gewinnen kann. Auf dem Level kann jeder jeden schlagen, es hängt sehr viel von der Tagesform ab. Ich war eher froh, dass ich mit dem Turniersieg gleich so gut reingekommen bin und habe mir nicht großartige Hoffnungen gemacht, gleich auch das nächste Turnier zu gewinnen.

Es ist bekannt, dass das Tennisspielen in ihren Rankingregionen finanziell wenig lukrativ ist. Sie haben in den vier Wochen knapp 4000 Euro Preisgeld gewonnen. Was ist davon übrig geblieben?

Davon ist letztendlich gar nichts übrig geblieben. Im Gegenteil, ich habe rund 1000 Euro Minus gemacht. Die Flüge und Hotels lassen sich bei so dotierten Turnieren, selbst wenn man den Titel gewinnt, einfach nicht bezahlen.

Das klingt ernüchternd. Können Sie noch irgendwo Geld einsparen?

Ich wüsste nicht wie. Wir nehmen schon die billigsten Flüge und Hotels, wobei man dabei natürlich auch gucken muss, dass die Unterkünfte einigermaßen in der Nähe der Anlagen sind, damit der Shuttle einen abholt. Zudem teile ich mir immer ein Zimmer mit meiner Mutter. Wir sind auch nie Essen gegangen und haben nur im Supermarkt eingekauft. Auf einen Trainer habe ich auch verzichtet.

Haben Sie überlegt auf die Begleitung ihrer Mutter zu verzichten?

Klar, denkt man auch über so etwas nach. Aber um gut zu spielen, brauche ich auch ein professionelles Umfeld. Meine Mutter hilft mir insgesamt bei der Organisation der Reise, filmt und analysiert meine Spiele und guckt sich auch die anderen Gegner an. Das sind schon sehr wichtige Dinge für mich. Ich denke, wenn ich darauf auch noch verzichten würde, wäre das ein Sparen am falschen Ende.

Wie gleichen Sie das Minus aus, das die Turniere verursachen?

Das übernehmen dankenswerterweise meine Eltern.

Wie lange können die sich Ihren Sport noch leisten?

Sie geben mir da keinen bestimmten Zeitraum mit, sondern entscheiden zusammen mit mir. Natürlich wollen sie das nicht auf Dauer finanzieren, aber bisher hat es weniger gekostet, als sie erwartet haben. Ich bin aber auch so vernünftig, dass ich einschätzen kann, wie lange es noch sinnvoll ist Tennis zu spielen. Wenn ich merke, dass ich keine Chance mehr habe mich noch zu verbessern, werde ich aufhören und etwas Anderes machen. Zum Glück habe ich ja zunächst mein Abitur gemacht.

Ist es realistisch in der turnierfreien Zeit arbeiten zu gehen um somit die Turniere und das Training zu finanzieren?

Ich kenne niemanden, der neben dem Tennisspielen noch arbeitet. Wenn ich bis zu acht Stunden am Tag trainiere, ist es nicht zu schaffen, sich abends noch irgendwo hinzustellen. Tennisspielen ist nun mal unser Beruf, der Aufwand ist in den Top 200 genauso groß wie in den Top 10. Ich brauche da meine volle Konzentration für.

Also kommt für sie auch kein Fernstudium in Frage? Andere Spieler sprechen davon, dass sie noch etwas für den Kopf machen wollen.

Ich habe mal darüber nachgedacht, mich aber dann dagegen entschieden. Zwei Sachen halb zu machen ist nicht mein Ding. Ich konzentriere mich lieber komplett aufs Tennisspielen. Es sollte aber auch jedem klar sein, dass das ohne Sponsoren oder die Eltern nicht zu machen ist.

Oder mit der Hilfe der Verbände? Was kriegen Sie an Unterstützung vom DTB und Tennisverband Schleswig-Holstein?

Man bekommt schon etwas, aber das ist so gering, dass es eigentlich nichts ist. Im Verhältnis zu den Ausgaben die man hat, ist es nicht erwähnenswert.

Ab welcher Rankingposition könnten Sie denn vom Tennisspielen leben?

Das kann man so pauschal nicht beantworten. Wenn man aber bei den vier Grand Slams im Hauptfeld steht, also ungefähr Top 100 steht, sollte es zum Leben reichen.

Ärgert es Sie, wenn Spielerinnen wie Scarlett Werner, die deutlich schlechter im Ranking stehen, mit gutem Marketing Sponsoren an Land ziehen?

Sie ist natürlich sehr gut vermarktet, aber ich kenne ihre Verträge nicht und weiß nicht was sie bekommt. Ich bin weit davon entfernt eifersüchtig zu sein. Ich schaue auf mich und bin froh, dass meine Eltern so früh an mich gedacht haben und Geld beiseite gelegt haben. Wir haben auch schon versucht an Sponsoren zu kommen, aber hier in Bad Segeberg ist das sicherlich auch nicht so einfach wie in den Großstädten. Jetzt, wo meine Eltern alles bezahlt haben, seitdem ich mit drei Jahren mit dem Tennis begonnen habe, wäre es auch schon fast zu spät. Oft wollen die Geldgeber zudem einen Anteil am Preisgeld oder üben Druck aus.

Druck haben Sie sich vor der Saison auch mit dem Ziel Top 100 gemacht. Derzeit stehen Sie auf Platz 165 der Weltrangliste, im Race belegen Sie Position 105. Sind Sie im Soll?

Ich habe die Top 100 als mein Wunschziel ausgegeben. Wenn ich auf Platz 160 stehe, brauche ich mir nicht Position 150 als Ziel setzen. Ich denke insgesamt bin ich auf dem richtigen Weg, das Jahr ist noch jung und meine Trainingsleistungen stimmen mich optimistisch. Klar ist mir allerdings auch, dass ich auf dem Weg dahin noch mehr Konstanz in mein Spiel bringen muss. Ich hatte schon viele gute Matches dieses Jahr und muss das nun dauerhaft zeigen.

Sind Sie schon gut genug, um für den Fed Cup in Frage zu kommen?

Darüber habe ich ehrlich gesagt noch gar nicht nachgedacht. Es gibt bei uns so viele gute Spielerinnen, die noch vor mir sind, da bin ich noch lange nicht so weit. Ich habe auch von Barbara Rittner noch gar nichts gehört und weiß nicht, wie sie auswählt. Für mich heißt es zuerst, mein Ranking zu verbessern. Wenn sie dann irgendwann anfragt, freue ich mich und sage zu.

Es fällt auf, dass Sie den Großteil ihrer Punkte auf Hartplatz in der Halle holen. Müssen Sie da variabler werden?

Ich denke, dass ich auf allen Belägen gut spielen kann und glaube das mit den Ergebnissen ist eher den Umständen geschuldet. 2009 war ich nach dem Abitur im Juli noch etwas erschöpft und bin erst zur Hallensaison richtig in Schwung gekommen. Im letzten Jahr bin ich dann im Mai krank geworden und habe die Sommersaison komplett verpasst. Insofern sehe ich das relativ entspannt und freue mich auf den Sandturniere im Sommer.

Beim Thema Sand müssen wir natürlich über die French Open sprechen. Sie haben selbst angesprochen, dass sie die notwendigen Punkte für die Qualifikation schon zusammen haben. Bisher sind Sie bei ihren beiden Grand-Slam-Auftritten in der ersten Qualirunde ausgeschieden. Was stimmt Sie optimistisch, dass Sie 2011 auch bei den Grand Slams Spiele gewinnen?

Das Erreichen eines Grand-Slam-Hauptfeldes ist ein großer Traum von mir. Ich werde mein Bestes geben um das möglichst schnell zu erreichen. Wenn ich dann allerdings in der ersten Runde nach einer guten Partie verliere, dann ist das nun mal so und auch kein Grund supertraurig zu sein. Im letzten Jahr war ich in Wimbledon eigentlich zu krank um zu spielen. In New York war ich dann einfach auch zu nervös, aber dafür weiß ich in diesem Jahr zumindest schon was mich erwartet.

Noch vor Roland Garros steht ihre nächste Turnierserie aus Bath, Monzon und Marbella auf dem Plan. Was haben Sie sich vorgenommen?

Ich bin generell nicht der Typ, der sich vor Turnieren große Ziele setzt. Ich spiele sie einfach, will natürlich gewinnen und versuchen einfach mein Bestes zu geben. Letztendlich hängt auch immer viel von der Auslosung ab.

Verspüren Sie zusätzlichen Druck, weil Sie ihre Punkte aus Torhout verteidigen müssen?

Nein, solchen Druck verspüre ich nie. Ich habe mit der Qualifikation für Paris schon das nächste Nahziel erreicht. Allgemein kann man nur Punkte gewinnen und hat fast immer etwas zu verteidigen. Wenn man beim Spielen daran denkt, was man zu verteidigen hat, wird es sowieso nichts.

Alle drei Turniere finden auf anderen Belägen statt. Ein Problem?

Eigentlich bin ich die Bodenbelagswechsel gewohnt und kann mich recht schnell darauf einstellen. Generell ist die Auswahl an Turnieren in diesem Abschnitt des Jahres aber auch nicht so gut, dass man über viele Optionen nachdenken kann. Ich hätte auch niemals so eine lange Pause zwischen den beiden Turnierserien gemacht, aber es gab einfach keine guten Turniere für mich. Und in die Qualifikationen von Miami und Indian Wells komme ich vom Ranking her noch nicht rein.(Foto: J. Hasenkopf)

Das Interview führte Nils Lehnebach

von tennisnet.com

Dienstag
08.03.2011, 11:20 Uhr