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Nach Nervenkrimi: Naomi Osaka krönt sich auch zur Australian-Open-Queen

Am "Australia Day" gewann die 21-Jährige das Finale von Melbourne nach einem Wechselbad der Gefühle mit 7:6 (7:2), 5:7, 6:4 gegen Petra Kvitova (Tschechien/Nr. 8) und knackte quasi den Doppel-Jackpot.

Durch ihren zweiten Grand-Slam-Coup in Folge wird sie als erster japanischer Tennisprofi überhaupt ab Montag an der Spitze einer Tennis-Weltrangliste stehen. Hier gehts zum Matchtracker

von Ulrike Weinrich aus Melbourne
zuletzt bearbeitet: 26.01.2019, 12:40 Uhr

Naomi Osaka hat die Australian Open gewonnen
© getty pictures
Naomi Osaka hat die Australian Open gewonnen

Vor 15.000 Zuschauern in der ausverkauften Rod Laver Arena verwandelte die an Position vier gesetzte Osaka, die vom Münchner Sascha Bajin gecoacht wird, ihren fünften Matchball nach 2:27 Stunden und durfte sich über eine Siegprämie von umgerechnet rund 2,58 Millionen Euro freuen. Die Daphne Akhurst Trophy überreichte ihr Li Na (China).

"In der Öffentlichkeit zu reden, gehört nicht zu meinen Stärken. Ich hatte mir Notizen gemacht, aber jetzt habe ich alles vergessen", sagte Oskaka im On-Court-Interview und lobte Kvitova: "Du bist großartig. Ich fühle mich geehrt, gegen dich ein Grand-Slam-Finale gespielt zu haben." 

Bereits im zweiten Satz hatte Osaka drei Matchbälle in Folge vergeben - und drohte komplett den Faden zu verlieren. Doch im Stile eines wahren Champions trotzte sie dem herben Rückschlag. Osaka ist die erste Spielerin seit Jennifer Capriati (USA) 2001, die wieder unmittelbar nach ihrem ersten Major-Coup den zweiten landen konnte.

Diesmal war die Champions-Bühne für Osaka standesgemäß 

Und die schüchterne Rechtshänderin mit dem trockenen Humor stand diesmal so im Rampenlicht, wie es sich für eine Grand-Slam-Siegerin gehört. Im Finale der US Open im September 2018 hatten die Ausraster von Serena Williams den Premiere-Major-Coup der jungen Asiatin überschattet.

Der Beginn des "Feel-Good"-Finals, wie die Tageszeitung "The Age" die Paarung aufgrund der großen Beliebtheit beider Spielerinnen taufte, wurde am Samstag von den Aufschlägen der Finalistinnen dominiert. Zwar startete Osaka mit einem Doppelfehler, ließ aber danach einen Aufschlagwinner folgen. Nach vier Spielen hatten sie und Kvitova sämtliche Punkte gewonnen, wenn ihr erster Aufschlag kam.

Lange Ballwechsel gab es wie erwartet zunächst kaum. Als erste fing die New-York-Championesse an zu wackeln. Nicht zuletzt, weil Kvitova den schwächeren zweiten Aufschlag von Osaka und attackierte - und belohnt wurde.

Nach zwei Returnwinnern hatte die Wimbledonsiegerin von 2011 und 2014 zwei Breakbälle, die sie allerdings nicht verwandeln konnte. Osaka machte es im darauffolgenden Spiel aber nicht besser.

Auffällig: Die Spielerin, die ergebnistechnisch einen Vorteil hatte, agierte zaghafter als ihre Gegnerin. So wie erneut Kvitova, als sie beim 3:3 drei neue Chancen bekam, das Service des Bajin-Schützlings Osaka zu durchbrechen. Und wieder misslang es der fünfmaligen Fed-Cup-Gewinnerin, die in diesen Phasen nicht zwingend genug vorging.

Osaka blieb im Tiebreak cool - Kvitova vergibt viele Breakchancen

Kvitova, die durch einen Australian-Open-Coup ebenfalls die Weltranglistenspitze erstmals hätte erobern können, hatte immer wieder Probleme mit ihrer Vorhand und ermöglichte Osaka beim Stand von 5:6 zwei Satzbälle. Doch auch der Youngster mit Wohnort Boca Raton/Florida hatte im Verwerten von Möglichkeiten seine Probleme.

"Naomi ist immer noch dasselbe Mädchen wie vor einem Jahr, sie hat sich auch durch den US-Open-Sieg nicht verändert. Und das zeichnet sie aus"  Sascha Bajin

Der Tiebreak war irgendwie die logische Konsequenz. Dort avancierte Osaka zur die spielbestimmenden Akteurin und ließ sich nach einer schnellen 5:1-Führung nicht mehr vom Erfolgsweg abbringen. Mit ihrem 16. Unforced Error besiegelte Kvitova die das Ende des ersten Durchgangs nach 51 Minuten. 

Doch die Tschechin, die im Dezember 2016 nach einem Überfall und einer Messerstecherei um ihre Karrieer bangen musste, kam danach wieder besser aus den Startlöchern und führte schnell mit 2:0, nachdem sie ihren siebten (!) Breakball endlich nutzen konnte. 

Osaka bewies danach aber ihre ganze Klasse - und ihre enorme Reife. Sie spielte zunächst furchtlos weiter und holte sich dank einer geringeren Fehlerquote als die Tschechin die nächsten vier Spiele.

Osaka zeigte plötzlich Nerven: Drei Matchbälle vergeben

Kvitova aber kämpfte unbeirrt weiter, wehrte beim 3:5 drei Matchbälle der nun plötzlich immer unsicherer werdenden Osaka in Serie ab - und konnte ausgleichen. Bezeichnenderweise gab die asiatische Volksheldin wenig später mit einem Doppelfehler den zweiten Satz ab.

Mit einem Handtuch über dem Kopf verschwand die Tochter eines Haitianers kurz in den Katakomben. Hochkonzentriert kam Osaka wieder zurück und nahm ihr Schicksal in die eigenen Hände. Die Weichen auf Sieg stellte die 21-Jährige durch ein Break zum 2:1.

Kvitova meinte unter Tränen und mit Blick auf ihr Comeback nach der Messerattacke mit einer schweren Handverletzung im On-Court-Interview: "Es ist verrückt, ich kann gar nicht glauben, dass ich wieder ein Grand-Slam-Finale gespielt habe." 

Für Osaka fühlten sich die Australian Open ohnehin wie ein Heimspiel an  - denn das erste Major des Jahres ist offiziell der "Grand Slam of Asia/Pacific". 

Ihr deutscher Trainer Bajin hatte vor dem Finale die Bodenständigkeit seines Schützling gelobt. "Naomi ist immer noch dasselbe Mädchen wie vor einem Jahr, sie hat sich auch durch den US-Open-Sieg nicht verändert. Und das zeichnet sie aus", meinte der 34-Jährige und erklärte: "Viele Leute erzählen, dass sie etwas unbedingt wollen, aber Naomi will es wirklich. Sie ist eine harte Arbeiterin - und möchte das auch sein. Das ist der Grund, warum sie jetzt dort steht."

von Ulrike Weinrich aus Melbourne

Samstag
26.01.2019, 12:13 Uhr
zuletzt bearbeitet: 26.01.2019, 12:40 Uhr