Die zehn besten Matches in Wimbledon
Das olympische Tennisturnier in London sorgte für einige Rekorde.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
06.08.2012, 14:56 Uhr

Von Christian Albrecht Barschel
Roger Federer – Juan Martin del Potro 3:6, 7:6 (5), 19:17
Die Wahrscheinlichkeit, dassRoger FedererundJuan Martin del Potrodas längste Match über zwei Gewinnsätze spielen, war eigentlich sehr gering – schon gar nicht auf Rasen in Wimbledon. Beide Spieler suchen eher den schnellen Weg, um die Ballwechsel zu beenden. Dennoch brachen Federer und del Potro mit 4:26 Stunden Spielzeit den Rekord von Novak Djokovic undRafael Nadalim längsten Match über zwei Gewinnsätze. Das lag aber auch daran, dass der dritte Satz beim Olympischen Turnier ausgespielt wurde und nicht im Tiebreak endete. Und so entwickelte sich im Halbfinale ein Drama mit vielen Akten. Im dritten Satz konnte del Potro mit seinem Aufschlag immer vorlegen. Federer hielt dem Druck stand und glich immer aus. Nach dem Break zum 10:9 durch Federer schien das Match entschieden. Doch der Schweizer gab zu null seinen Aufschlag ab. Der muntere Schlagabtausch ging weiter. Del Potro war bei 12:11 und 15:14 mehrmals nur zwei Punkte vom Sieg entfernt. Der Argentinier rannte und sprang um sein Leben. Federer behielt die Nerven, breakte ein weiteres Mal zum 18:17 und zitterte sich dann nach knapp viereinhalb Stunden ins Finale. „Wir haben beide gespürt, dass hier heute etwas Besonderes passiert ist“, sagte Federer hinterher. Der Kraftakt kostete ihm womöglich den Olympiasieg. Del Potro war dagegen untröstlich. „Es ist furchtbar, so zu verlieren. Es tut so weh.“ Immerhin gewann der Argentinier noch die Bronzemedaille mit dem Sieg gegen Novak Djokovic.
Andy Murray – Novak Djokovic 7:5, 7:5
Andy MurrayundNovak Djokoviclieferten sich im Halbfinale eine zweistündige Schlacht. Der Centre Court in Wimbledon, auf dem es sonst so ruhig und traditionell zugeht, glich einem Hexenkessel. Mit dem Publikum im Rücken packte Murray vor allem in den wichtigen und kritischen Phasen sein bestes Tennis aus. Dem Schotten gelangen auch die schwersten Schläge mit beeindruckender Leichtigkeit. Djokovic, der gegen 15.000 wild gewordene Zuschauer anspielen musste, fehlte vor allem bei Breakbällen sein sonst so gefürchteter Killerinstinkt. Murray holte sich mit dem Sieg gegen seinen Kumpel das Selbstbewusstsein für seinen überragenden Finalsieg.
Jo-Wilfried Tsonga – Milos Raonic 6:3, 3:6, 25:23
Jo-Wilfried TsongaundMilos Raonicwaren in ihrem Zweitrunden-Match auf den Spuren der RekordmännerJohn IsnerundNicolas Mahut,die beim Wimbledonturnier 2010 sich elf Stunden und fünf Minuten die Tenniskugel gaben. Für ein 70:68 im entscheidenden Satz hat es allerdings nicht annähernd gereicht. Dennoch reichte es für zwei olympische Tennisrekorde. Tsonga und Raonic lieferten das nach Spielen längste Match (66 Spiele) und den längsten Satz in der olympischen Tennis-Geschichte. Im dritten Satz wurden insgesamt 257 Punkte ausgespielt. Tsonga machte dabei mit 129 Punkten nur einen Punkt mehr als Raonic. Nach 3:56 Stunden feierte Tsonga mit seinem stürmischen Jubellauf seinen Sieg. „Das ist derzeit der einzige Weg, um meinen Namen in die Geschichtsbücher zu schreiben. Das ist gut fürs Tennis, und es ist gut für den Sport“, sagte Tsonga hinterher. In die Geschichtsbücher von Olympia kam er auch noch auf anderem Wege.
Maria Sharapova – Sabine Lisicki 6:7 (8), 6:4, 6:3
Das Duell zwischenMaria SharapovaundSabine Lisickiwar das beste Damenmatch im olympischen Turnier. Es war auch das einzige Match bei den Damen, das mit Beginn des Achtelfinals über die volle Distanz ging. Wie schon beim Wimbledon-Turnier trafen die beiden im Achtelfinale aufeinander. Sharapova und Lisicki lieferten sich einen intensiven Schlagabtausch. Vor allem der erste Satz war hochdramatisch. Lisicki nutzte nach drei abgewehrten Satzbällen ihre dritte Chance zum Satzgewinn. Die Nerven spielten der Deutschen aber einen Streich. Im zweiten Satz gab Lisicki bei 4:3-Führung mit einem Doppelfehler ihren Break-Vorsprung wieder her. Sharapova triumphierte schließlich nach 2:47 Stunden. „Das war ein Supermatch, das mich weiterbringen wird. Ich wollte unbedingt eine Medaille holen, aber ich kann zufrieden sein, weil ich alles gegeben habe", sagte Lisicki.
Angelique Kerber – Venus Williams 7:6 (5), 7:6 (5)
Angelique Kerberbewies im Achtelfinale des Olympischen Turniers, dass sie die Königin der Aufholjagd in diesem Jahr ist. Dutzende Spiele konnte die Deutsche in dieser Saison schon umdrehen. Gegen die fünfmalige Wimbledon-SiegerinVenus Williamswar es zumindest im ersten Satz mal wieder so weit. Kerber war im ersten Satz dieses packenden Matches immer in Bedrängnis. Drei Satzbälle wehrte sie ab, im Tiebreak drehte sie einen 1:5-Rückstand mit sechs Punkten in Folge zum Satzgewinn. Auch das zweite Tiebreak war nicht minder spannend. Kerber behielt die Nerven und zog ins Viertelfinale ein. Der Traum, eine Olympia-Medaille zu gewinnen, erfüllte sich jedoch nicht.
Julia Görges – Agnieszka Radwanska 7:5, 6:7 (5), 6:4
„Das war genial. Das war mit mein größter Karriereerfolg. Natürlich ist das etwas Besonderes, wenn man das erste Mal bei Olympia dabei ist und dann gleich so eine Spielerin schlägt“, sagteJulia Görgesnach ihrem Sieg gegen die Wimbledon-FinalistinAgnieszka Radwanska.Görges konnte auch stolz auf ihre Leistung sein. 20 Asse und insgesamt 56 Gewinnschläge feuerte die Deutsche der Polin um die Ohren. Das Match fand auch unter besonderen Vorzeichen statt. Es war das erste olympische Tennismatch unter einem Dach seit 100 Jahren.
Andy Murray – Roger Federer 6:2, 6:1, 6:4
Wenn man sich das Ergebnis des Herren-Finals anguckt, reibt man sich verwundert die Augen. Hat hier wirklich der siebenfache Wimbledon-Sieger Roger Federer gegen den sonst so nervenschwachen Andy Murray gespielt? Murray spielte bei Olympia das wohl beste Tennis seines Lebens und zeigte eine eindrucksvolle Finalleistung. Der Schotte hätte wohl auch mit verbundenen Augen spielen können und hätte die Bälle trotzdem getroffen. Der Centre Court in Wimbledon glich einem Tollhaus, als Murray sich mit drei Assen in Folge zum Olympia-Gold servierte. Es mag komisch klingen, aber vielleicht wäre das Finale in die komplett andere Richtung tendiert, wenn Federer im ersten Spiel des Matches einen seiner zwei Breakbälle genutzt hätte. Nachdem Murray bei 2:0-Führung im zweiten Satz insgesamt sechs Breakbälle abwehren konnte, war Federer mental geschlagen. Im dritten Satz, der vom Ergebnis der knappste war, gab Murray bei seinem Aufschlag nur einen Punkt ab. Mit dem Olympiasieg hat der Schotte sein Verlierer-Image wohl abgelegt und dürfte bereit sein für seinen ersten Grand-Slam-Titel.
Serena Williams – Maria Sharapova 6:0, 6:1
Wie beim Herren-Finale zwischen Andy Murray und Roger Federer stellt sich beim Damen-Finale auch die Frage, ob ein Match, das so ein eindeutiges Ergebnis hatte, zu den zehn besten Matches zählen kann. Es gehört dazu, wenn man sich der geschichtsträchtigen Besonderheit bewusst ist.Serena Williamsund Maria Sharapova hatten die Chance, als zweite Spielerin nach Steffi Graf den „Karriere-Golden-Slam“ im Einzel zu erreichen. Es war eine Machtdemonstration von Williams, die bei Olympia das Turnier ihres Lebens spielte. Das Endspiel hätte auch ohne weiteres mit der Höchststrafe für Sharapova enden können. Trotzdem glich es einer Hinrichtung, die die Russin zu ertragen hatte. Williams, die einen Tag später zum dritten Mal Gold im Doppel holte, gelang durch ihren Olympiasieg eine außergewöhnliche Premiere. Die US-Amerikanerin schaffte als erste Spielerin den „Karriere-Golden-Slam“ sowohl im Einzel als auch im Doppel. "Hey, ich habe etwas geschafft, das noch keiner geschafft hat - dadada", freute sich die 30-Jährige.
Michael Llodra/Jo-Wilfried Tsonga – David Ferrer/Feliciano Lopez 6:3, 4:6, 18:16
„Das ist derzeit der einzige Weg, um meinen Namen in die Geschichtsbücher zu schreiben“, sagte Jo-Wilfried Tsonga nach seinem dramatischen Sieg gegen Milos Raonic. Der Franzose sollte Unrecht haben. Ein paar Tage später zog er an der Seite vonMichael Llodramit einem erneuten Krimi ins Doppel-Finale ein. Die beiden Franzosen gewannen schließlich die Silbermedaille. Leidtragende dieses Dramas waren die SpanierDavid FerrerundFeliciano Lopez,die danach auch das Spiel um Bronze verloren.
Marcelo Melo/Bruno Soares – Tomas Berdych/Radek Stepanek 1:6, 6:4, 24:22
Es war ohne Zweifel ein Olympisches Tennisturnier der Rekorde. Die BrasilianerMarcelo MeloundBruno Soaresbesiegten im Achtelfinale der Doppelkonkurrenz die TschechenTomas BerdychundRadek Stepaneknach 4:21 Stunden mit 1:6, 6:4, 24:22. Zwei Rekorde haben die vier Akteure gebrochen. Mit 63 Spielen war es das längste Doppelmatch über zwei Gewinnsätze bei Olympischen Spielen. Zudem war der dritte Satz, der unglaubliche 191 Minuten andauerte, mit 46 Spielen der längste Satz in einem Doppel bei Olympia.(Foto: Jürgen Hasenkopf)
