"Olympia wäre der perfekte Abschluss"
Der deutsche Tennisstar im Interview.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
04.07.2010, 10:44 Uhr

Nicolas Kiefer (32) gehört zu den erfolgreichsten deutschen Profis der letzten anderthalb Jahrzehnte. In der Weltrangliste rückte er bis auf Platz 4 vor. Gemeinsam mit Rainer Schüttler holte er 2004 in Athen die Silbermedaille im Doppel. Auf der ATP-Tour gewann er sechs Titel, stand weitere 13mal in Endspielen. Seine Karriere war immer wieder von Verletzungen überschattet. Kiefers Freundin Anna erwartet in diesem Jahr das erste gemeinsame Baby.
Interview: Jörg Allmeroth
Herr Kiefer, trotz vieler Verletzungen auch im späten Profialter denken Sie noch nicht ans Aufhören? Was treibt Sie an, sich immer wieder zurückzukämpfen?
Nicolas Kiefer: Tennis ist immer noch mein Leben. Und jedes Mal, wenn ich pausieren musste, stellte ich fest: Ich vermisse die Tour. Wir Profis haben ja doch einen Traumjob, spielen in den besten Stadien, den schönsten Städten. Das ist schon ein großes Privileg. Außerdem habe ich im Laufe der Jahre viele Freunde rund um die Welt gewonnen. Die möchte ich gerne wiedersehen, nicht nur einmal. Klar, die Schinderei, diese langen Monate in der Rehabilitation und in den Krafträumen sind kein Spaß. Aber man arbeitet auf ein Ziel hin, für das es sich zu arbeiten lohnt.
Und wie haben Sie die Leistenoperation überstanden?
Kiefer: Es war eine schwere Zeit, besonders für die Psyche. Denn ich hatte mich nach einer schwerwiegenden Handgelenksblessur sehr erfolgreich in die Spitze zurückgespielt, als dieses Malheur passierte. Jede Verletzung wirft einen wieder weit zurück. Aber ich habe die Motivation nie verloren, brannte schliesslich wieder voll auf mein Comeback.
Visieren Sie auch noch einmal Starts im Davis Cup an?
Kiefer: Unbedingt. Der Davis Cup ist ein absolutes Highlight, und wenn man gerufen wird, muss man auch kommen. Mit dem Alter und der langen Erfahrung haben sich die Einschätzungen da sehr verändert. Ich weiß die Bedeutung dieses Wettbewerbs mehr zu schätzen als je zuvor. Diese Wochen zusammen in einem Team, das ist einfach super. Ich stehe bereit, wenn Patrik Kühnen mich ruft.
Bei der Erstrundenpartie in Frankreich hat Deutschland sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert und durch das Fehlen von einigen Profis für Negativschlagzeilen gesorgt.
Kiefer: Die Franzosen hatten eine überragende Mannschaft, gegen die sich jeder Gegner der Welt schwer getan hätte. Die Niederlage war nicht zu vermeiden. Aber das Fehlen vieler Spieler war äusserst unglücklich. Man kann sich auf seine persönliche Karriere und den Davis Cup auch gleichzeitig konzentrieren, das ist möglich. Ich weiß, wovon ich rede. Rund um die Partie in Toulon hatte ich den Eindruck, dass der am meisten motivierte Akteur Patrik Kühnen – nur saß der ja leider als Teamchef auf der Bank.
Ähnlich wie Tommy Haas und Rainer Schüttler gehen Sie nun endgültig auf die Zielgerade ihrer Laufbahn. Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie erreicht haben – oder sind Rechnungen offen?
Kiefer: Nein, zufrieden bin ich sicher nicht. Silbermedaille bei Olympischen Spielen, Turniersiege, Nummer vier der Welt - das alles sind große Erfolge. Es wäre allerdings noch mehr drin gewesen. Aber noch bin ich nicht am Ziel angekommen, wie Sie richtig bemerkt haben. Ich gebe mir noch ein paar gute Jahre.
Wie lange wollen Sie noch spielen? Und was kommt danach?
Kiefer: Mein Fernziel ist und bleibt Olympia 2012 in London. Die Olympischen Spiele sind das Größte, ich habe drei Mal mitgemacht. Es wäre der perfekte Abschluss. Nach meiner Karriere würde ich gerne dem Sport verbunden bleiben. Das muss nicht unbedingt im Tennis sein. Es gibt viele Ideen und Möglichkeiten. Aber so lange ich Tennis spiele, will ich mich auch zu 100 Prozent darauf konzentrieren. Vielleicht arbeite ich auch einmal bei Hannover 96, dem Verein, dem mein Herz im Fußball gehört.
Als Sie ihre Karriere begannen, standen Sie unter der Patronage von Boris Becker. Später trennten sich Ihre Wege, es gab auch Streit. Wie ist das Verhältnis heute?
Kiefer: Es ist ein besonderes Verhältnis. Ich bin Boris unheimlich dankbar für das, was er für mich getan hat. Er hat mir in meiner Karriere sehr geholfen. Dass es auch mal Meinungsverschiedenheiten gab, ist völlig normal. Wie in einer Beziehung eben.