"Gebe einfach alles, um zu gewinnen"

In der Ruhe liegt die Kraft – Patricia Mayr-Achleitner im Gespräch mit Andreas Du-Rieux nach der bislang erfolgreichsten Woche ihrer Karriere.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 22.07.2011, 10:03 Uhr

Tennisprofis aus dem Schlaf zu reißen, stellt ein nicht unbedingt zur guten Laune der Protagonisten beitragendes Faktum dar. Zum Glück bildet das avisierte Interview mit der Bad-Gastein-Finalistin insofern die Ausnahme, als sich die Athletin derzeit einer Art extensivsten Winterschlafs erfreut. Es ist die Ruhe nach dem Sturm, der die Seefelderin in den letzten Wochen unter die Top 80 der Welt gewirbelt und dabei körperlich, wie mental extrem beansprucht hat.


So erholt sich Patricia gegenwärtig in ihrem Domizil nahe Schwaz von den jüngsten Strapazen. Selbst dem Siebenschlaf zugetan, entschuldige ich mich aufrichtigst des späten Vormittags für die Störung, um dann ein paar Stunden später ausgiebig mit der wackeren Kämpferin zu plaudern...

Patricia, zunächst einmal herzlichste Gratulation zur fantastischen Woche in Gastein – welche Bedeutung haben diese Siege für dich?

Ein ganz spezielle, das ist mit Sicherheit der bislang größte und zugleich schönste Erfolg meiner Laufbahn. Es war wunderbar vor heimischem Publikum, noch dazu bei einem Turnier, das mir naturgemäß liegt, weil ich zu Hause ja auch die Höhenlage gewöhnt bin und wo ich schon im Viertelfinale war. Außerdem bin ich mit einem guten Gefühl und viel Selbstvertrauen und 100 Punkten aus der Vorwoche entspannt angereist und wollt´ das Ganze einfach nur genießen.

Das scheint recht ordentlich gelungen zu sein, dabei war die Auslosung nicht gerade ideal. Hast du dich unter diesen Voraussetzungen letztlich mit etwas Abstand betrachtet auch selbst überrascht?

Ein bisschen schon, ja, weil die ersten beiden Hürden waren von den Namen her eigentlich ziemlich hoch. Aber das war mir egal. Es hat alles gepasst und ich hab es geschafft, fast die ganze Woche lang meinen höchsten Level abzurufen und dabei bestätigt zu bekommen, wie gut ich spielen kann und was da noch alles möglich ist.

Bislang warst du hauptsächlich auf Challengern besonders stark. Worauf führst du nun diesen Durchmarsch, diesen Durchbruch auf höherer WTA-Ebene zurück?

Auf einen längeren geplanten Prozess, der auch mit der Abnabelung und der beendeten Zusammenarbeit mit Hakan Dahlbo zu tun hat. Ich bin gesamtheitlich ruhiger, das Umfeld passt jetzt perfekt, ist harmonisch und auch mental bin ich stärker geworden. Generell steckt unheimlich viel tägliche harte Arbeit, Quälerei im Training dahinter. Aber das alles macht seit letztem Winter auch viel mehr Spaß. Michael(Achleitner, Trainer und Ehemann, Anm.)und ich sind nach Schwaz übersiedelt und trainieren nun in der Akademie von Daniel Huber in Stans unter idealen Bedingungen. Es ist die für mich so wichtige Ruhe eingekehrt, alles verläuft haromnisch, ohne Reibereien oder Streitigkeiten wie leider am Ende mit Hakan.

Ich möchte nicht, dass man das falsch versteht, die Unstimmigkeiten und Differenzen waren ja nur im letzten Jahr, haben mich aber sehr belastet. Ich habe oft das Training abgebrochen unter Tränen, das war menschlich nicht mehr o.k., was da vorgefallen ist. Ich möchte mich hier aber in erster Linie ausdrücklich bei Hakan Dahlbo bedanken und finde es schade, dass es so geendet hat. Ich wollte ja auch noch in Seefeld bleiben und mal eine Trainingspause bei ihm - so eine Art Auszeit nehmen - aber das wollte er nicht.

Er hat mit seinem Wissen und seinen Methoden jedenfalls sehr, sehr großen Anteil an meiner Entwicklung und es war ja auch so, dass Michi(Achleitner)fünf Jahre lang bei und von ihm gelernt hat. Das ist ein ganz wichtiger Grundstein, der da gelegt worden ist, weil nun kennt Michi als Ex-Kicker auch die Tennisprinzipien ganz genau und weiß natürlich speziell bei mir, was nötig ist. Er erkennt technische Fehler und wir arbeiten gemeinsam an jeder Facette meines Spiels, auch konditionell und mental.

Was ist dahingehend der Unterschied zu früher, gibt's einschneidende erfolgreiche Veränderungen?

Nein, aber – und das ist mir persönlich sehr wichtig – das Klima ist jetzt optimal! Kein unnötiger psychischer Stress in der Vorbereitung der täglichen Arbeit. Und eines muss ich schon sagen, wir LEBEN Tennis jetzt auch viel intensiver. Das heißt auch abseits des Courts können Michi und ich nun unsere Energien ganz dem Tennis widmen. Das ist wahrscheinlich die herausragendste Veränderung, dass eben rundum alles passt und wir uns somit zu 100 Prozent die ganze Zeit darauf konzentrieren können.

Wie sehr definierst du deine Leistung über das Ranking, welchen Stellenwert hat es für dich, zu den besten 75 Tennisspielerinnen der Welt zu gehören?

Natürlich macht es schon stolz, aber das ist ja nicht das Ziel. Ich will konstant mein bestes Tennis spielen und das eben so oft es geht. Es war jetzt einmal sehr wichtig zu sehen, was möglich ist und dahingehend weiter zu arbeiten. Das Ranking an sich ist nicht so wichtig, es erleichtert halt bei großen Turnieren drinnen zu sein, aber es ist nicht meine Hauptorientierung.

Aber hast Du nicht doch irgendwo im Hinterkopf ein Ziel in Form eines Rankings?

Wenn, dann sehe ich mich in den Regionen, die Sybille Bammer erreicht hat. Das ist mit konsequenter, harter Arbeit durchaus möglich und realistisch. Wenn ich jetzt sage Top 50 – no na – bin ich dann dort, sage ich Top 30 – auch klar! Aber, was „Billy“ vorexerziert hat, ist motivierend und die Tatsache, dass ich dafür noch ein paar Jahre Zeit habe, auch. Weil man weiß, dass die Topleistungen in der Entwicklung der meisten Spieler normalerweise zwischen 28 und 30 erfolgen. Mit 24 bin ich noch recht jung und hab also eine gute Zukunft vor mir.(lächelt)

Bedeutet es etwas Spezielles, jetzt klare Nummer zwei in Österreich zu sein?

Hmmm, eigentlich nicht. Jeder spielt doch für sich selber, die Tamira ist verdienterweise deutlich weiter vorne. Was mir viel mehr bedeutet, ist die Tatsache, dass ich für mein Vaterland im Fed Cup spielen kann. Das ist mir nämlich wirklich wichtig. Ich bin absolut immer bereit und werde so wie bisher immer für Österreich spielen, das ist eine Ehre für jeden Sportler und so will ich es auch weiter als Priorität sehen. Das war und ist für mich ein Pflichttermin, den ich nie versäumen werde!

Große Worte, die eine vorbildlich patriotische Einstellung zeigen. Wo siehst du den Standard des rot-weiß-roten Damentennis?

Sicher höher, als da wo wir jetzt sind. Es ist leider sehr schwierig da aufzusteigen und sich in einer Woche gegen Topnationen zu behaupten. Ganz wichtig ist immer, dass wir das stärkste Team haben. Also an mir soll's nicht liegen...

Wann und wie geht's denn für dich wieder weiter on tour?

Demnächst erst locker, dann wieder gezielt die Fitness verbessern, dann die Umstellung auf Hardcourt, um für die US-Saison gerüstet zu sein. Ich fang in Cincinnati an, dann geht's nach New Haven und zum US Open.

Du hast mir eingangs sehr sympathisch gestanden, dass du nun fast nur schläfst und dich zumeist in der Horizontalen erholst ;-) Was gibt's denn sonst noch so zu tun, wenn du mal ein paar Tage Abstand vom Tennis hast?

Nicht viel, und nichts so wirklich Interessantes(lacht). Michi und ich genießen die Freizeit, er bekocht mich sogar zu Hause. Wir laden halt jetzt die Batterien einfach mit Nixtun auf. Es ist super ein bisserl auszuspannen, aber nach ein paar Tagen juckt's mich normalerweise eh schon wieder. Nächste Woche werd' ich dann einen Kondi-Block einlegen, mich körperlich wieder in Schuss bringen mit Bergläufen und dergleichen und dann sehen wir uns ja in Kitzbühel!

Wieso, kriegst vom Alex auch a Wildcard – des wär richtig geil...

(Lacht)Na, ned ganz, aber des wär eh a mal lustig – aber so in die Richtung wird's schon sein. Es gibt eine Exhibition, wo ich mit Thomas Muster gegen Babsi Schett und Alex Antonitsch spielen werde und außerdem ist ein ProAm beim Stanglwirt geplant.

Also Fighter gegen Eleganz...

(Entrüstet)Soll das heißen, i bin ned elegant?

Na, des hab i ned g'sagt! Aber, es ist doch so, dass duund der Vergleich ehrt bestimmt – eher dadurch beeindruckst, dich wie Muster stets zu pushen und zu motivieren. Mir kommt vor, wenn man deine Matches sieht, dass das noch besser geworden ist. Hast du bewusst daran gearbeitet, dich nicht hängen zu lassen und siegessicher aufzutreten?

Ja, schon, das ist auch ein Aspekt, der mir klar wurde in langen Gesprächen und Analysen von Matches mit Michi. Es ist immer eine Wende möglich, egal wie es steht. Früher hab' ich vielleicht auch unbewusst ein bisserl nachgegeben, wenn der erste Satz verloren war. Jetzt weiß ich, ein zwei Punkte können das Ganze wieder drehen und ich versuche positiv zu bleiben, bis zum Schluss, kämpfe bis zum Ende und gebe einfach alles, um zu gewinnen!

Ein schönes Schlusswort – dann verschlaf demnächst ned zu oft ;-)

Danke, Patricia, see you in Kitz!

von tennisnet.com

Freitag
22.07.2011, 10:03 Uhr