Personal Trainer David Flacke: So wärmt ihr euch vorm Tennis richtig auf!

David Flacke arbeitet als Personal Trainer und Medical Fitness Coach und betreibt das Krafthaus in Köln. Er war beim Orthomol Sport-Tennis-Event in Stuttgart für die „Prepare“- und „Recover“-Einheiten zuständig. Wir haben mit ihm über ein sinnvolles Auf- und Abwärmtraining im Tennis gesprochen.

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 27.06.2019, 18:23 Uhr

David, als du die Teilnehmer beim Orthomol Sport-Tennis-Event gefragt hast, wie lange sie sich aufwärmen, war von „zwei, drei Minuten“ bis „eine Stunde“ alles dabei. Was ist eine sinnvolle Zeit zum Aufwärmen vorm Tennisspielen?

Für den athletischen Bereich sollte man mindestens 15 Minuten investieren. Man sollte das Gewebe aktivieren, um alles aufzuwecken. Dann die Gelenke, also alles einmal durchbewegen – damit man sie durch Traktion freibekommt. Im Anschluss ein dynamisches Streching, gefolgt von einer funktionellen Aktivierung, auf die spezifische Sportart bezogen. Oder ein leichtes Kraft- und Herz-Kreislauftraining, damit man auf Betriebstemperatur kommt.

Aufs Tennis bezogen hieße das also...

Darauf zu achten, dass die Beine dabei sind, dass Rotation, Kraft und vor allem die Schulter für alle Schlagbewegungen angesprochen werden. Wenn man sich anfangs eine Routine baut, bedarf es vielleicht etwas mehr Zeit. Aber wenn sie sich einprägt und man Übung hat, wird das mit 15 Minuten gut passen.

Wenn man Clubspieler beobachtet: Viele gehen auf den Platz, schießen zwei Bälle hin und her und beginnen ein Match. Realistisch betrachtet: Solche Kandidaten würden keine 15 Minuten fürs Aufwärmen investieren. Gibt‘s eine Alternative für sie?

Es gibt das Prinzip der Trockendusche: Man reibt, klatscht oder massiert die Strukturen zwischen Kopf und Fuß einmal ab – damit der Körper spürt, dass er bewegt wurde. Dann könnte man, ganz minimalistisch, auch ein kleines Spiel im T-Feld machen. Ich würde das nicht empfehlen, aber es ist besser als gar nichts zu tun.

Was den Recover-Bereich angeht: In vielen Köpfen ist immer noch das Dehnen verankert. Du hast gesagt: Falsch. Warum?

Lange Zeit war etabliert, dass man nach dem Sport in die Dehnung geht und sie lange hält, um die Spannung zu reduzieren. Der Ansatz ist nicht verkehrt, aber der Zeitpunkt ist schlecht. Denn direkt nach der Belastung ist die Muskulatur noch sehr belastet, sie steht arg unter Anspannung. Wenn man dann intensiv in die Dehnung geht, arbeitet man gegen den Körper. Das Nervensystem ist noch im Modus, aufgeweckt zu sein und sich zu schützen, anstatt auf Ruhe zu gehen.

Was ist besser?

Ebenfalls ein dynamisches Durchbewegen. Sanfte und langsame Bewegungen, um dem Körper das Signal zu geben, auch das Herz-Kreislauf-System herunterzufahren und den Tonus zu reduzieren. Damit man eine weichere Muskulatur bekommt. Manche Spieler traben nach dem Sport auch locker aus, man ist ja noch warm – das kann man auch machen. Dann vielleicht erst duschen gehen und etwas essen. Und sich danach die Zeit zum Dehnen nehmen. So hat man eine gute halbe Stunde verbracht, um den Körper herunterzufahren - dann kann man ihm das Signal zur Entspannung und Dehnung zu geben.

Auch hier die Frage für die Clubspieler-Variante, der sich diese Zeit nicht nehmen will?

In dem Fall: zwei bis fünf Minuten alle Gelenke sanft durchbewegen, so großzügig und langsam wie möglich. Das ist am Wertvollsten, um herunterzukommen. Und die Dehnung erstmal komplett weglassen.

Du hast auch die progressive Muskelentspannung vorgestellt. Was ist das genau?

Progressive Muskelentspannung heißt: Wir arbeiten mit einer Anspannung, für zehn oder fünfzehn Sekunden – und entspannen dann bewusst. Damit man die Körperpartien, die man belastet hat, noch mal durchgeht und nachspürt, Achtsamkeit und Bewusstsein schafft.

Mit der progressiven Muskelentspannung kann man also besser entspannen, als wenn man „nur“ loslässt?

So ist es. Viele Menschen haben gar kein Gefühl mehr dafür, ob sie gerade angespannt oder locker sind. Nach einem intensiven Match war man meist auch vom Kopf sehr gefordert, man merkt nicht, ob man noch angespannt ist oder nicht. Dann geht es darum, dieses Wechselspiel zwischen Be- und Entlastung zu haben, um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob man wirklich losgelassen hat. Das kann man auch vertieft zwei, drei Mal mit einer Region machen: zu versuchen, noch lockerer zu lassen als zuvor. Das braucht natürlich etwas Übung – kann aber sehr effektiv sein, wenn man sich darauf einlässt.

Das Gespräch führte Florian Goosmann.

von Florian Goosmann

Mittwoch
12.06.2019, 15:35 Uhr
zuletzt bearbeitet: 27.06.2019, 18:23 Uhr