Philipp Kohlschreiber - Ein richtig großer Spieler verabschiedet sich

Mit der Niederlage gegen Mikhail Kukushkin hat sich Philipp Kohlschreiber von der Tennisszene verabschiedet. Es geht ein ganz Großer seiner Zunft.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 23.06.2022, 10:53 Uhr

Philipp Kohlschreiber auf dem Weg zum Titel in Kitzbühel 2015
© GEPA Pictures
Philipp Kohlschreiber auf dem Weg zum Titel in Kitzbühel 2015

Bei all dem Preisgeld und der ständigen Jagd auf Weltranglisten-Punkte, bleibt Tennis doch in erster Linie: ein Spiel. Und mit Philipp Kohlschreiber verlässt nun ein Mann die Szene, der so gut spielen konnte wie kaum ein anderer seiner Generation. „Spielen“ wohlgemerkt, denn natürlich hat jemand wie Rafael Nadal mehr Dynamik und Killerinstinkt auf den Court gebracht als Kohli. Die feine Klinge aber? Slice, Stop, Spin, Kick, wir wünschen, Philipp Kohlschreiber hat es gespielt. Mit beinahe derselben Brillanz wie Roger Federer, aber eben in den entscheidenden Phasen nicht so konsequent - und auch mit weniger Gewinnschlägen gesegnet als der Maestro.

Die Begegnungen mit Philipp Kohlschreiber waren stets freundlich, oft lustig. Und ab und zu auch von überraschenden Erkenntnissen geprägt. Da wurde Philipp vom Verfasser dieser Zeilen in Oberhaching einmal gefragt, ob er denn nach seinem Karriere-Ende noch ab und zu Tennis spielen würde. Na, ja, mit wem würde das denn Sinn machen, antwortete Kohli damals sinngemäß. Auf seinem Level würde er ja nur schwerlich jemanden finden (ausgenommen natürlich seinen langjährigen Partner in Crime, Stefan Fehske, der ihm in New York City bei 41 Grad Celsius im Schatten gerne auch in langen Fransenjeans die Bälle serviert hat - das aber mag auch nur eine Fantasie des Erzählers sein).

Kohlschreiber brillant gegen Zverev und Thiem

Fehske hat neben seiner (von keineswegs unabhängigen Beobachtern) als Lichtschwert klassifizierten Vorhand aber auch mindestens eine Eigenschaft mit ins Team Kohlschreiber gebracht, die seinem Schützling weitergeholfen haben: Die Bereitschaft nämlich, sich Rat von anderswo einzuholen. Wie etwa von Boris Becker.

An guten Tagen war das Spiel von Philipp Kohlschreiber eine Augenweide. Und es gab viele gute Tage. Wie jenen bei den US Open, als er 2018 (wenn die Erinnerung nicht trügt unter der taktischen Leitung von Lars Uebel) gegen Alexander Zverev eine brillante Leistung abgeliefert hat. Dominic Thiem hat Kohlschreiber auch zweimal nachhaltig geärgert, 2015 in Kitzbühel beim Heimspiel Thiems und im folgenden Frühjahr im Finale von München.

Legendäres Training mit Federer in Halle

In Kitzbühel, seiner zwischenzeitlichen Heimat, hat Philipp Kohlschreiber zweimal den Titel geholt, in München beim MTTC Iphitos waren es deren drei, was ihn dort zum Rekordchampion macht. Insgesamt sind es acht Siegerpokale geworden, die Philipp Kohlschreiber mit nach Hause nehmen durfte, was angesichts der außerordentlichen Begabung des mittlerweile 38-Jährigen vielleicht nicht das Maximum gewesen sein könnte.

Auch dazu eine kleine Erinnerung: Irgendwann in Halle auf einem Trainingsplatz, links das Team Federer mit Severin Lüthi, rechts Kohlschreiber mit Fehske. Es wird das schönste Tennis seit Erfindung des Farbfernsehens gespielt, Vorteile sind für keinen der beiden zu erkennen, gefühlsmäßig hat Kohli sogar die Nase vorne, die wenigen Zeugen können ihr Glück bis heute nicht fassen, dabei gewesen zu sein. Wenige Tage später treffen sich die beiden im Turnier, Philipp spielt nach wie vor brillant. Und verliert dann halt doch im Tiebreak des dritten Satzes. Wie auch alle anderen 13 Partien gegen den Schweizer.

Völlig egal. Mit dem Rücktritt von Philipp Kohlschreiber verliert das deutsche und das Welttennis einen Spieler der ganz alten Schule. Und das ist vollumfänglich als Kompliment gemeint.

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