Philipp Kohlschreiber im Interview - "Meine Ansprüche sind nicht gerade klein"

Philipp Kohlschreiber ist bestens gelaunt. Und das, obwohl die langjährige deutsche Nummer eins das Tennistraining aufgrund einer Entzündung im Moment dosieren muss. Ein Gespräch über die Ziele 2019, die Ansprüche an einen Coach und seinen Wohnort Kitzbühel.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 21.12.2018, 18:45 Uhr

Gegen Sascha Zverev hat für Philipp Kohlschreiber alles gepasst
© Jürgen Hasenkopf
Gegen Sascha Zverev hat für Philipp Kohlschreiber alles gepasst

tennisnet: Herr Kohlschreiber. Vor ein paar Wochen, nach dem Turnier in der Wiener Stadthalle, haben Sie etwas tennismüde geklungen. Wie geht es Ihnen gerade im Moment, wie sieht Ihre Planung aus?

Philipp Kohlschreiber: Es gibt natürlich noch Ziele für mich. Natürlich war Wien das vorletzte Turnier der Saison, wo alle schon auf Reserve laufen. Andererseits war das damals auch eine ehrliche Aussage, weil man weiß ja nie, wie lange es noch geht. Manchmal hängt es einem mehr zum Hals raus, aber ich habe jetzt eine sehr lange Pause gemacht - fast sechs Wochen vom Tennis weg - und da habe ich schon gemerkt, dass es jetzt wieder prickelt. Und die Vorfreude auf die ersten Turniere ist schon wieder so, dass ich sage: alles wieder da.

tennisnet: Konkrete Ziele für 2019?

Kohlschreiber: Ich möchte ein mindestens so gutes Jahr wie das letzte spielen, das vielleicht sogar noch toppen. Eines meiner Ziele wäre, dass ich mein Career High mit Platz 16 noch einmal angreife. Ich sehe nicht, warum das nicht klappen sollte. Ich bin fit, ich war letztes Jahr sehr gesund. Mir macht das Trainingsumfeld viel Spaß, der neue Input von Tobias Summer hilft auch. Ich glaube, dass da noch viel möglich ist.

tennisnet: Im Moment stehen Sie auf Position 34. Gibt es da ein wenig Druck zu Saisonstart, sich noch zwei Plätze zu verbessern, um bei den Australian Open gesetzt zu sein?

Kohlschreiber: Wenn das passiert, passiert´s. Sicherlich ist es gut, wenn 32 Leute gesetzt sind, dass man da dabei ist.

Ich bin selbst sehr fleißig und höre auch gut in meinen Körper rein.

tennisnet: Wobei - sind es in Australien überhaupt noch 32 oder nur noch 16?

Kohlschreiber: Das war mal im Gespräch, aber ich habe nie etwas Gegenteiliges gehört. Und ich glaube nicht, dass das jetzt noch zwei Wochen vor Turnierbeginn geändert wird. Ich bemühe mich natürlich, mein Ranking jede Woche zu verbessern. Jetzt ist es mit der Hand nicht so gut, dass ich davon ausgehen kann, in Doha gleich in einer Spitzenverfassung zu sein, aber ich schaue dem Ganzen entspannter entgegen. Weil die innerliche Freude sehr groß ist.

tennisnet: Sie haben Tobias Summerer angesprochen. Im jetzigen Stadium Ihrer Karriere - was brauchen Sie noch von einem Trainer?

Kohlschreiber: Die Ansprüche sind jetzt nicht unbedingt klein. Über die Jahre merkt man ja auch, was ein Trainer mehr oder weniger kann, oder welcher Coach mir mehr oder weniger geholfen hat. Ich brauche keinen Trainer, der mich jeden Tag pusht und sagt: Komm, mach noch mal ein Set Bauchmuskel. Ich bin selbst sehr fleißig und höre auch gut in meinen Körper rein. Ich weiß, wann ich mich mehr pushen kann - und wann nicht. Ich brauche einen Coach, der einen gewissen Blick für mein spezielles Spiel hat: Ich spiele mit viel Topspin, was aufwendiger ist, als wenn jemand flacher spielt. Da bräuchte ich dann halt schon Ansagen, wenn ich zu flach spiele, wieder mehr auf Topspin gehen soll.

tennisnet: Wie sieht es mit dem mentalen Aspekt aus?

Kohlschreiber: Klar. Da brauche ich jemanden, der verhindert, dass ich in dieses Larifari-Tennis abgleite. Ich bin ein Kämpfer. Und kein Spieler, der die Gegner mit ein, zwei Shots wegschießt. Da brauche ich einen Trainer, der mir sagt: Komm, wir arbeiten an Deinem Weg. Der nicht der leichtere ist. Jeder kann einen Longline-Schuss probieren und hoffen - das ist aber nicht meine Art Tennis zu spielen.

tennisnet: Im Trainingsalltag?

Kohlschreiber: Da muss mich ein Coach bei Laune halten, mir neue Reize setzen. Mit neuen Übungen etwa. 500 mal Vorhand cross zu spielen, das habe ich schon zu oft in meinem Leben gehabt. Da möchte ich dann doch mehr Pep in meinen Übungen haben. Und der Coach soll auf jeden Fall auch abseits von Training und Spiel für mich da sein. Man verbringt so viel Zeit miteinander, da brauche ich auch eine Art Kumpeltyp. Und keinen Coach, der das nur als Job sieht.

Deshalb schlägt Nishikori auch verhältnismäßig öfter Roger Federer. Weil er in dessen Schwächen besser reinkommt.

tennisnet: Ihr Erfolg gegen Alexander Zverev in New York war wohl Ihr bestes Match des Jahres. Warum ist es so schwierig, so eine Leistung zwei Tage später gegen jemanden wie Kei Nishikori wieder auf den Platz zu bringen?

Kohlschreiber: Das ist das große Geheimnis, warum das nicht geht. Die besten Spieler in der Weltrangliste nehme ich mal raus, weil die schaffen es ja meistens, konstant zu spielen. Aber warum schafft es die Nummer 20 nicht? Es gibt einfach gewissen Tage, an denen die Taktik besser aufgeht. So wie gegen Sascha. Und andererseits gibt es ein paar Schwächen in meinem Spiel, die Nishikori sehr gut ausnützt. Deshalb schlägt Nishikori auch verhältnismäßig öfter Roger Federer. Weil er in dessen Schwächen besser reinkommt. Ich muss mich von der Grundlinie vor niemanden fürchten, aber der Schlüssel in meinem Spiel liegt in der Dominanz meiner Aufschlagspiele. Ich muss so viel über Ballwechsel gehen, wo ich dann auch anfälliger. Das Match gegen Sascha hat in New York viel Kraft gekostet, es war extrem heiß gegen Nishikori, das sind Kleinigkeiten, die man auch mitbedenken muss.

tennisnet: Sie wohnen seit ein paar Jahren in Kitzbühel. Was schätzen Sie an diesem Ort so sehr?

Kohlschreiber: Die große Welt des Tenniszirkus ist ein bisschen unpersönlich. An Kitzbühel gefällt mir, dass man sich dort schnell in einer Gemeinschaft fühlt. Wenn man ein paar mal wohin geht, dann kennen Dich die Kellner, das ist persönlicher. Das schätze ich an Kitzbühel. Im Winter ist es natürlich verrückt, aber zwischen den Leuten, die oft da sind, da entsteht schon eine besondere Verbindung. Über die hohe Lebensqualität müssen wir nicht sprechen. Auch im Sommer ist es traumhaft schön, und nie so leer, dass man sagt: es ist langweilig. Und beim Tennisturnier spürt man die Begeisterung in der Stadt.

tennisnet: Wir schließen den Kreis. Wenn Sie mal in der Tennisrente sind - werden Sie dann jemand sein, der einfach nur zum Spaß zum Tennisspielen geht? Es wird ja wahrscheinlich schwierig sein, einen Mitspieler auf Ihrem Level zu finden …

Kohlschreiber: Ich könnte mir vorstellen, dass das mit dem Tennisspielen eine Zeit lang dauern wird. Natürlich rein hypothetisch gesprochen. Noch bin ich ja nicht in dieser Phase. Wenn man mit etwas aufhört, dann schließt man ja auch ab. Und nur, dass ich dann mit jemandem spiele, aber nicht für mich, das würde ich dann eher aus Gefälligkeit machen. Aber vielleicht kommt das dann ja auch. Florin Mayer ist da ein gutes Beispiel. Ich hoffe, dass ich noch zwei, drei Jahre auf gutem Niveau dranhängen kann, und dann frage ich Flo. Der hat dann vielleicht wieder angefangen und spielt aus Spaß ein- oder zweimal die Woche. Da wäre der Flo dann der Vorreiter.

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