Philipp Petzschner: „Bin kein Freund von Partnerwechseln“
Philipp Petzschner ist als Nationaltrainer mit den deutschen Junioren in Roland-Garros 2025. Der zweimalige Grand-Slam-Champion im Doppel spricht im tennisnet-Interview über den Status Quo im Nachwuchstennis, die vielen wechselwilligen Doppelspieler und seinen Siegertipp für die Männer.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
04.06.2025, 11:50 Uhr

Tennisnet: Insgesamt sieben deutsche Junioren und Juniorinnen haben die zweite Runde in Roland-Garros 2025 erreicht. Durfte man damit spekulieren? Oder ist das ein überraschend großer Erfolg?
Philipp Petzschner: Sowohl als auch, würde ich sagen. Mit unserer guten Turnierlandschaft und auch den Jungs und Mädels, die jetzt nachkommen, da ist echt was in der Mache. Dazu muss man sagen, dass mit Diego Dedura und Justin Engel aktuell noch zwei Jungs beim Challenger in Heilbronn spielen. Es könnten also theoretisch noch mehr sein. Aber ich glaube, man sieht, dass wir in die richtige Richtung arbeiten. Der Erfolg kommt nicht über Nacht, sondern den musst du dir wirklich erarbeiten.
Tennisnet: Stimmt der Eindruck, dass aktuell der Übergang von den Junioren zu den Erwachsenen sehr, sehr schwierig zu sein scheint. Auch wenn Diego Dedura in München und Justin Engel in Hamburg ein Match bei einem 500er gewonnen haben.
Petzschner: Die Qualität der Top 100 ist höher als früher. Aber wenn du solche Leute hast wie einen Mensik, wie auch einen Sakamoto, der gewinnt auch schon Challenger. Und Sakamoto letztes Jahr hier noch mitgespielt hat,. Nicht vergessen: Joao Fonseca ist auch erst 18 Jahre alt.
Tennisnet: Mensik und Fonseca sind aber körperlich schon extrem weit.
Petzschner: Von der Masse her wird es einen Ticken schwieriger. Aber die Besten schaffen es auch relativ schnell. Ein paar Jugendspieler haben echtes Potenzial. Natürlich: Wenn man so sieht, wie sich Jannik Sinner bewegt, das ist ja fast unmenschlich. Da musst du schon echt flink auf den Beinen sein und eine Menge Power haben, um da mitzuhalten. Das ist so ein bisschen dieser Hauptpunkt, der vielleicht noch fehlt. .
Tennisnet: Sie waren ein grandioser Einzelspieler, haben ihre größten Erfolge aber im Doppel mit Jürgen Melzer gefeiert. Wie wichtig ist das Doppel für die Junioren?
Petzschner: Das ist sicherlich nicht nur ein Add-on. Der Hauptfokus ist definitiv auf dem Einzel. Beim Doppel versuchen wir, ein bisschen mehr im taktischen Bereich zu arbeiten. Vor allem bei den Junioren ist es ja unglaublich wichtig, weil du hast ja nur sechs Turniere im Einzel und sechs Turniere im Doppel. Das heißt, Doppel zählt wirklich richtig viel.
“Was gibt es Geileres als vor 15.000 Leuten zu spielen?”
Tennisnet: Gibt es hier in Paris jemanden, auch unter den internationalen Spielern, bei dem Sie sagen: Wer jetzt kurz entschlossen nach Paris kommt, den muss man sehen?
Petzschner: Ich würde natürlich immer sagen: unsere Jungs. Wen ich super interessant finde, ist Jacopo Vasami. Das ist ein Lefty aus Italien, der hat vor zwei Wochen noch das Turnier in Mailand gewonnen. Der ist schon sehr, sehr weit. Es sind viele gute Spieler hier. Etwa auch Jagger Leach, der Sohn von Lindsay Davenport.
Tennisnet: Gerade ist Carlos Alcaraz an uns vorbeigegangen. Alcaraz gegen Ben Shelton, das war ein Match, an dem beide Spieler Spaß hatten …
Petzschner: Ich sage dazu nur: Was gibt es Geileres als vor 15.000 Leuten in Roland Garos oder in Wimbledon zu spielen? Das ist für alle trotzdem immer noch ein Kindheitstraum gewesen. Jetzt sind sie da und können diesen Traum leben. Und ich finde, das sollte man so gut wie möglich genießen.
Tennisnet: Madison Keys hat hier gesagt, dass ihre Botschaft an den Nachwuchs ist: “Es ist nie zu spät“. Können Sie das unterschreiben?
Petzschner: Definitiv. Das Durchschnittsalter in den Top 100 liegt, glaube ich, bei den Herren im Bereich von 27 Jahren. Und ich rede hier mit 16- und 17-Jährigen, da liegen zehn Jahre dazwischen. Und natürlich wollen alle den schnellen Erfolg. Was auch normal ist. Aber es ist alles ein Prozess. Wir müssen einfach arbeiten. Wir werden viele Schritte nach vorne gehen. Irgendwann werden wir auch wieder Schritte zurück gehen müssen. So funktioniert der Sport einfach. Man muss dranbleiben, geduldig bleiben. Wir haben ja in Deutschland die besten Beispiele. Wie einen Yannick Hanfmann oder einen Struffi, der mit 18 oder 19 Jahren erst den ersten Punkt gemacht hat. Oder auch Dominik Koepfer oder früher Benni Becker. Die waren mit 25 oder 26 erstmals in den Top 100.
“Für mich gewinnt Alexander Zverev den Titel”
Tennisnet: Bei den Männern steht heute der große Schlager zwischen Alexander Zverev und Novak Djokovic an. Der Sieger trifft danach wohl auf Jannik Sinner. Und m Endspiel geht es vielleicht gegen Carlos Alcaraz. Wen sehen Sie am Sonntag als Champion?
Petzschner: Ich sage es immer und ich bleibe auch immer dabei: Für mich gewinnt der Sascha den Titel. Ich würde es mir wünschen. Nie wäre es verdienter als in diesem Jahr. Ich finde, Sascha ist echt nah dran.I ch habe jedes Mal das Gefühl, jetzt ist es soweit und dieses Jahr auch wieder. Ich würde mich super freuen, wenn er das gewinnen könnte.
Tennisnet: Im Doppel hat sich in letzter Zeit die Tendenz eingeschlichen, dass viele Spieler neue Partner suchen. Können Sie das nachvollziehen? Denn gleichzeitig gibt es nicht mehr dieses eine, herausragende Doppel …
Petzschner: Arevalo und Pavic sind häufig vorne mit dabei, Heliovaara und Patten spielen eine gute Saison. Wie auch Kevin Krawietz und Tim Pütz. Leider war es mit der Verletzung von Tim in Hamburg der wahrscheinlich der ungünstigste Zeitpunkt vor dem Grand Slam. Früher hast du Teams gehabt wie Bupathi/Paes, wie die Bryan-Brüder, auch davor mit Woodbridge und Woodforde. Da hattest du immer ein Ziel, wo du hingehen wolltest. Jetzt scheinen alle das Gefühl zu haben, sie könnten mit einem anderen Partner noch mehr gewinnen. Und deswegen gibt es diese vielen Partnerwechsel. Ich habe aber bei mir und Jürgen Melzer gesehen: Umso besser du dich verstehst und kennst, umso größer der Vorteil. Denn: Wenn du mit jemandem zusammenspielst, hast du dir vorher schon was dabei gedacht. Und das solltest du einfach mal ausspielen lassen, solange es irgendwie geht.