"Es ist das erste Mal, dass es mir die Sprache verschlägt"

Der US-Amerikaner tritt nach der Achtelfinal-Niederlage bei den US Open von der Tennisbühne ab.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 06.09.2012, 07:40 Uhr

Von Jörg Allmeroth aus New York

Als die letzten Spiele des dritten Satzes anbrachen, kamen die Sprechchöre mit aller Macht und aus allen Himmelsrichtungen im größten Tennisstadion der Welt. „Let´s go, Andy, Let´s go, Andy“, hallte es durch die riesige Betonschüssel der Arthur Ashe-Arena. Doch am Mittwochabend war er zu Ende, der Weg vonAndy Roddick.In diesem Spiel, in diesem Turnier. Und überhaupt im Welttennis. Auf dem Spielplatz, auf dem er vor neun Jahren seinen ersten und einzigen Grand-Slam-Titel geholt hatte, endete auch die Karriere des charismatischen US-Amerikanersmit einer 7:6 (1), 6:7 (4), 2:6, 4:6-Niederlagegegen den ArgentinierJuan Martin del Potro.„Zum ersten Mal in meinem Leben verschlägt es mir die Sprache. Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, sagte der ehemalige Weltranglisten-Erste unter Tränen der Rührung.

Roddick hinterlässt Lücke

Bereits am letzten Donnerstag hatte der Charakterkopf an seinem 30. Geburtstag den Rücktritt vom Tourleben angekündigt und gesagt: „Ich spüre, dass meine Zeit vorbei ist. Man soll aufhören, bevor die Leute über einen lachen.“ Neun Jahre nach der Demission von Pete Sampras und sechs Jahre nach dem Abschied von Andre Agassi in der Ashe-Arena endete mit Roddicks Goodbye eine weitere Epoche für das amerikanische Tennis. „Er hat die Fahne hochgehalten für lange, lange Zeit. Die Lücke, die er hinterlässt, wird schwer zu schließen sein“, sagte US-Davis Cup-Chef Jim Courier. Neben seinem Major-Titel bei den US Open ragte Roddick stets auch als antreibende Kraft in der amerikanischen Nationalmannschaft heraus, es sei „keine Pflicht, sondern ein wunderbares Privileg“ gewesen, sagte Roddick am Abend seines letzten Matchs.

In den Schlussminuten, im Angesicht der sicheren Niederlage, kämpfte Roddick schon nicht mehr gegen den Riesen del Potro, sondern gegen die eigenen Emotionen und Erinnerungen – die ganzen US-Open-Jahre seines Lebens seien ihm „im Kopf herumgeschwirrt“, sogar der Besuch des Turniers mit den Eltern vor 19 Jahren. „Damals habe ich mir geschworen: Du musst alles tun, damit du auch mal auf diesen Courts spielen kannst.“ Das tat er dann stets mit ganzer Leidenschaft, größter Energie und einer Gabe für großes Entertainment in einer Zeit, in der hoher und höchster Erwartungsdruck auf ihm lastete. „Ich war stets der Bursche, der das nächste große Ding im Tennis sein sollte – nach Sampras und Agassi. Angenehm war das nicht immer.“ Amerika, so hielt jetzt Pete Bodo, der Chefkolumnist des US-Tennismagazins, fest, sei „ziemlich ungerecht“ mit Roddick umgegangen: „Er ist immer nur danach beurteilt worden, was er nicht ist. Und nicht, was er ist.“

„Unschuldig wie ein Zwölfjähriger“

Langweilig wurde es einem jedenfalls nie mit diesem Andrew Stephen Roddick aus Nebraska – er war mal Klassen-Clown, mal arroganter Schnösel, mal glühender Patriot, mal Showmann und oft genug ein Lautsprecher und Sprücheklopfer, der mit seinen An- und Einsichten polarisierte. „Ich habe viele Leute vor den Kopf gestoßen, die kann ich sicher gar nicht alle zählen“, sagte Roddick am Mittwoch, „aber ich war immer offen und ehrlich. Ich mochte nie irgendwelche Heimlichtuereien.“ Geliebt habe er jede Minute seiner Karriere, so Roddick: „Ich bereue nichts, ich bin mit mir im Reinen.“

Sein letztes Turnier, seinen letzten Auftritt, die letzte Aufmerksamkeit an zehn Turniertagen genoss Roddick noch einmal in vollen Zügen. „Es ging nicht um Ranglistenpunkte, um die Dollars. Es war reiner Spaß, ein großes Vergnügen“, sagte der Amerikaner, der wie in den letzten Jahren als letzter standfester Kämpfer seines Heimatlandes bei den US Open unterwegs war, „ich habe mich wieder so unschuldig gefühlt wie als Zwölfjähriger, der im Park spielt.“ Die kleine ironische Fußnote des Tages: Auch der Mann, der im Tennisleben von Andy Roddick die Rolle des ewigen Spielverderbers einnahm,nämlich Roger Federer, verließ New York an diesem 5. September. Geschlagen erstmals in einer Abendshow im Big Apple, geschlagen erstmals vor dem Halbfinale seit 2003.(Foto: Jürgen Hasenkopf)

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Donnerstag
06.09.2012, 07:40 Uhr